Dann beginnen auch gelbe Leuchtspuren aufzuschimmern auf dem Bühnenbo-den wie auf einer Fahrbahn. Und die vor den Orchestergraben gespannte Gazewand, auf der Regentropfen perln, wird deutlich kenntlich als eine Art Autofrontglasscheibe. Das Publikum sitzt gleichsam im Inneren des Wagens oder Busses. Die schöne Blonde draußen stöckelt, tänzelt durch die Straßen der Nacht. Ein riesenhafter Scheibenwischer markiert jeweils den Szenenwechsel.
Autofahrten über nächtliche Boulevards, Landstraßen, durch Tunnels simulieren die Videoprojektionen immer wieder in dieser Neuproduktion von Verdis la traviata an der Berliner Staatsoper. Ansonsten ist die Bühne Erich Wonders leer. Stühle sind spä-ter das einzige Requisit.
Violetta ist in der Inszenierung des Arztes, Regisseurs und Intendanten Peter Mussbach nicht eigentlich eine Kranke. Wie eine Mischung aus Marilyn Monroe und Lady Diana Spencer bewegt sie sich hier auf der Bühne: Schwankend gleichsam in Wind- und Regenböen. Eine von der voyeuristischen Menge Gejagte.
Die Paparazzi sind das Publikum im Parkett und auf den Rängen. Die vom rechten Weg "Abgeglittene" ist eine, die den geltenden Normen sich nicht unterwirft. Am Ende schreitet sie erhobenen Haupts in die andere Welt.
Christine Schäfer als "la traviata" verkörpert in ihrem duftig weißen Kleid vor allem das Engelhafte dieser Violetta Valéry: auch musikalisch mit zerbrechlich leichten Spit-zentönen und einer wunderbar eindringlichen Piano-Kultur. "Krank" scheint hier eher die wie Nachtfalter und Zecken sie umschwirrende Gesellschaft. Ganz in schwarz ist die kostümiert. Die Männer mit Netzen über den Gesichtern, die Frauen mit skurrilen Hütchen. Wenn sie zum Verdammungsurteil über Violetta sich empören, steigen sie auf die Stühle.
Auch Alfredo ist mehr oder minder Teil dieser Gesellschaft – trotzdem er zeit-weise rebelliert gegen den Vater. Rolando Villazon kleidet den Alfredo in samten wei-che Töne. Erst gegen Schluss wirkt seine Stimme etwas forciert. Ein so nobler wie auch selbstsüchtiger Vater Germont ist Thomas Hampson.
Um Violetta dem Sohn abzuwerben, nimmt er sie schon auch mal selber auf den Schoß und schmeichelt um ihre Liebe.
Das Erstaunlichste dieser Neuproduktion an der Staatsoper, mit der die österlichen Festtage, zuletzt immer Wagner gewidmet, begannen, ist das Dirigat von Daniel Ba-renboim. Eigentlich, zeigt sich, ist er der bessere Verdi- als Wagner-Dirigent. Über-wältigend, wie er die Sänger mit der Staatskapelle zu begleiten versteht, das Orches-ter immer so stark zurück nehmend, dass die Sänger nie dominiert werden.
Die Begeisterung des Publikums am Ende für die Sänger, für die Musiker, den Dirigenten war einhellig. Geballte Buhs richteten sich gegen das Regieteam. Das gehört zwar fast zum Ritual, ist sicher zum Großteil den ungenügenden Sichtmöglich-keiten für die oberen Ränge geschuldet. Allerdings hat Mussbachs bestechende In-terpretation auch Schwächen.
Die Spannung kann er bei der Minimalisierung der Mittel nicht immer durchhalten. Zumal mit dem Chor ist zuwenig individuell gearbeitet. Und auch Chris-tine Schäfers Posen erschöpfen sich dann doch auch bald in Wiederholungen.
Die Arbeit an Verdis la traviata war die erste Zusammenarbeit des neuen Lindenoper-Leitungsteams. Verabredet wurde sie, noch bevor Mussbach zum Intendanten gekürt wurde. Wenn es auch in Zukunft so harmonisch zugeht wie offenbar bei dieser Pro-duktion, darf man sich noch Einiges erhoffen. [4’15"]
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Autofahrten über nächtliche Boulevards, Landstraßen, durch Tunnels simulieren die Videoprojektionen immer wieder in dieser Neuproduktion von Verdis la traviata an der Berliner Staatsoper. Ansonsten ist die Bühne Erich Wonders leer. Stühle sind spä-ter das einzige Requisit.
Violetta ist in der Inszenierung des Arztes, Regisseurs und Intendanten Peter Mussbach nicht eigentlich eine Kranke. Wie eine Mischung aus Marilyn Monroe und Lady Diana Spencer bewegt sie sich hier auf der Bühne: Schwankend gleichsam in Wind- und Regenböen. Eine von der voyeuristischen Menge Gejagte.
Die Paparazzi sind das Publikum im Parkett und auf den Rängen. Die vom rechten Weg "Abgeglittene" ist eine, die den geltenden Normen sich nicht unterwirft. Am Ende schreitet sie erhobenen Haupts in die andere Welt.
Christine Schäfer als "la traviata" verkörpert in ihrem duftig weißen Kleid vor allem das Engelhafte dieser Violetta Valéry: auch musikalisch mit zerbrechlich leichten Spit-zentönen und einer wunderbar eindringlichen Piano-Kultur. "Krank" scheint hier eher die wie Nachtfalter und Zecken sie umschwirrende Gesellschaft. Ganz in schwarz ist die kostümiert. Die Männer mit Netzen über den Gesichtern, die Frauen mit skurrilen Hütchen. Wenn sie zum Verdammungsurteil über Violetta sich empören, steigen sie auf die Stühle.
Auch Alfredo ist mehr oder minder Teil dieser Gesellschaft – trotzdem er zeit-weise rebelliert gegen den Vater. Rolando Villazon kleidet den Alfredo in samten wei-che Töne. Erst gegen Schluss wirkt seine Stimme etwas forciert. Ein so nobler wie auch selbstsüchtiger Vater Germont ist Thomas Hampson.
Um Violetta dem Sohn abzuwerben, nimmt er sie schon auch mal selber auf den Schoß und schmeichelt um ihre Liebe.
Das Erstaunlichste dieser Neuproduktion an der Staatsoper, mit der die österlichen Festtage, zuletzt immer Wagner gewidmet, begannen, ist das Dirigat von Daniel Ba-renboim. Eigentlich, zeigt sich, ist er der bessere Verdi- als Wagner-Dirigent. Über-wältigend, wie er die Sänger mit der Staatskapelle zu begleiten versteht, das Orches-ter immer so stark zurück nehmend, dass die Sänger nie dominiert werden.
Die Begeisterung des Publikums am Ende für die Sänger, für die Musiker, den Dirigenten war einhellig. Geballte Buhs richteten sich gegen das Regieteam. Das gehört zwar fast zum Ritual, ist sicher zum Großteil den ungenügenden Sichtmöglich-keiten für die oberen Ränge geschuldet. Allerdings hat Mussbachs bestechende In-terpretation auch Schwächen.
Die Spannung kann er bei der Minimalisierung der Mittel nicht immer durchhalten. Zumal mit dem Chor ist zuwenig individuell gearbeitet. Und auch Chris-tine Schäfers Posen erschöpfen sich dann doch auch bald in Wiederholungen.
Die Arbeit an Verdis la traviata war die erste Zusammenarbeit des neuen Lindenoper-Leitungsteams. Verabredet wurde sie, noch bevor Mussbach zum Intendanten gekürt wurde. Wenn es auch in Zukunft so harmonisch zugeht wie offenbar bei dieser Pro-duktion, darf man sich noch Einiges erhoffen. [4’15"]
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