Die entrückten Klänge der Introduktion zur "Traviata" verweisen auf das Ende: Auf dies Sterben in der schönsten elegischen Schönheit, auf die hochherzige Großmut der Violetta Valéry und auf den Anflug von Katharsis bei den beiden Männern, die der schönen jungen Frau zuvor so übel mitspielen. Die beiden haben es, jeder auf seine Weise, einfach gut mit sich gemeint und wenig Rücksicht auf das - ohnedies von der Tuberkulose bereits schwer angeschlagene - Leben der Anderen genommen.
Auch Achim Freyer hat es gut gemeint mit sich. Am Nationaltheater Mannheim bietet er, in völliger Abkehr von der bürgerlich-realistischen Handlungsvorlage aus dem bürgerlichen Paris und der Mitte des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, sein altbewährtes, streng stilisiertes statisches Figuren-Theater: zeitlose Figuren, die in Rollen - und situationsbedingt in Farben - getaucht werden, in ortlosem Raum. "Echnaton" besaß mit solchem Zugriff hohe Plausibilität. Bei der "Zauberflöte" verwies dies auf realiter nicht vorhandene metaphysische Abgründe. Beim "Mädchen mit den Schwefelhölzern" oder "Majakowskis Totentanz" war es auf die eindringlichste Weise authentisch. Hier aber zielt die Transformation ins Nichts.
Da hilft auch ein Text von Roland Barthes im Programmheft nichts, der die heitere, aber in seiner haltlosen Vereinseitigung grottenfalsche These aufstellte: der "zentrale Mythos der Kameliendame" sei "nicht die Liebe, sondern die Anerkennung". Selbst wenn diese Abstraktion zuträfe: zu lebendigem Theater hat sie Achim Freyer nicht zu erwecken vermocht.
Schön war es, wirklich sehr schön. Alles schön modernes Design - die Bühne streng reduziert auf einen fast leeren Raum - das mag eine "altersweise" Lösung sein für ein zunächst von Jugendlichkeit sprühendes Stück. Die leere Bühne schmückt ein großer schräger Balken, der sich zu den unterschiedlichen Milieus, welche das Werk durchmisst, in verschiedenen Farben illuminiert. Dieser Leuchtbalken hätte vor dreißig oder vierzig Jahren ein fortschrittsfrohgemutes Firmen- oder Banken-Logo abgegeben.
Anfänglich legt die Sopranistin Cornelia Ptassek, die die Titelpartie bestreitet, eine Kostümprobe ab: zeigt Kleider von allemal gleichem unbequemem Zuschnitt in verschiedenen Farben - und tastet sich, Hand an Hand mit einem Double, an einer imaginären Glasscheibe entlang, die wohl die Demarkationslinie zwischen dem noch Lebenden und dem Abgestorbenen andeuten könnte.
Mit kindlichem Bilderhumor wurden von Achim Freyer die "Zigeunerinnen" der Ballnacht in den leeren Raum gezirkelt. Auch von ihnen geht keine erotische Ausstrahlung aus. Keine Gefahr, nirgends. Die Männer als Stierkämpfer werden ebenso verharmlost. Piave und Verdi wollten, dass das alles weit schärfer gewürzt erscheint. So versenkte die Inszenierung den brisanten Gehalt des Werks in der Begütigung durch Abstraktion und Zwangskollektivierung der bürgerlichen Individuen. Die Choristen revanchierten sich durch recht "individuelles Singen" - eben nicht miteinander, wie von der Partitur gefordert, sondern irgendwie jeder für sich.
Überhaupt war das musikalische Resultat, das unter der Leitung von Rolf Gupka zustande kam, von vielen Ungenauigkeiten geprägt. Manches wirkte gar wie buchstabiert: Jean-Francis Borras als Alfredo kam gern ein bisschen zu spät und Thomas Berau als Vater Germont fehlte die betörende Tiefe in der Stimme. So war es, genau betrachtet und gehört, in Mannheim nur bedingt schön. Und an den Intentionen des Werks konsequent vorbei.
Auch Achim Freyer hat es gut gemeint mit sich. Am Nationaltheater Mannheim bietet er, in völliger Abkehr von der bürgerlich-realistischen Handlungsvorlage aus dem bürgerlichen Paris und der Mitte des bürgerlichen 19. Jahrhunderts, sein altbewährtes, streng stilisiertes statisches Figuren-Theater: zeitlose Figuren, die in Rollen - und situationsbedingt in Farben - getaucht werden, in ortlosem Raum. "Echnaton" besaß mit solchem Zugriff hohe Plausibilität. Bei der "Zauberflöte" verwies dies auf realiter nicht vorhandene metaphysische Abgründe. Beim "Mädchen mit den Schwefelhölzern" oder "Majakowskis Totentanz" war es auf die eindringlichste Weise authentisch. Hier aber zielt die Transformation ins Nichts.
Da hilft auch ein Text von Roland Barthes im Programmheft nichts, der die heitere, aber in seiner haltlosen Vereinseitigung grottenfalsche These aufstellte: der "zentrale Mythos der Kameliendame" sei "nicht die Liebe, sondern die Anerkennung". Selbst wenn diese Abstraktion zuträfe: zu lebendigem Theater hat sie Achim Freyer nicht zu erwecken vermocht.
Schön war es, wirklich sehr schön. Alles schön modernes Design - die Bühne streng reduziert auf einen fast leeren Raum - das mag eine "altersweise" Lösung sein für ein zunächst von Jugendlichkeit sprühendes Stück. Die leere Bühne schmückt ein großer schräger Balken, der sich zu den unterschiedlichen Milieus, welche das Werk durchmisst, in verschiedenen Farben illuminiert. Dieser Leuchtbalken hätte vor dreißig oder vierzig Jahren ein fortschrittsfrohgemutes Firmen- oder Banken-Logo abgegeben.
Anfänglich legt die Sopranistin Cornelia Ptassek, die die Titelpartie bestreitet, eine Kostümprobe ab: zeigt Kleider von allemal gleichem unbequemem Zuschnitt in verschiedenen Farben - und tastet sich, Hand an Hand mit einem Double, an einer imaginären Glasscheibe entlang, die wohl die Demarkationslinie zwischen dem noch Lebenden und dem Abgestorbenen andeuten könnte.
Mit kindlichem Bilderhumor wurden von Achim Freyer die "Zigeunerinnen" der Ballnacht in den leeren Raum gezirkelt. Auch von ihnen geht keine erotische Ausstrahlung aus. Keine Gefahr, nirgends. Die Männer als Stierkämpfer werden ebenso verharmlost. Piave und Verdi wollten, dass das alles weit schärfer gewürzt erscheint. So versenkte die Inszenierung den brisanten Gehalt des Werks in der Begütigung durch Abstraktion und Zwangskollektivierung der bürgerlichen Individuen. Die Choristen revanchierten sich durch recht "individuelles Singen" - eben nicht miteinander, wie von der Partitur gefordert, sondern irgendwie jeder für sich.
Überhaupt war das musikalische Resultat, das unter der Leitung von Rolf Gupka zustande kam, von vielen Ungenauigkeiten geprägt. Manches wirkte gar wie buchstabiert: Jean-Francis Borras als Alfredo kam gern ein bisschen zu spät und Thomas Berau als Vater Germont fehlte die betörende Tiefe in der Stimme. So war es, genau betrachtet und gehört, in Mannheim nur bedingt schön. Und an den Intentionen des Werks konsequent vorbei.