"Weißt du noch, wie du damals in deine Lehrerin verliebt warst?" -"Ich? Nein! Das habe ich wohl verdrängt". Solche Dialoge hört man öfter – aber viele Wissenschaftler glauben, dass Sigmund Freud dabei vorschnell zitiert wird. Denn man könne ja einfach deshalb etwas vergessen, weil es letztlich nicht so wichtig war oder das Gedächtnis nicht richtig funktioniert. Sigmund Freuds Begriff der "Verdrängung" aber beruhe auf besonderen Annahmen. Das meint auch der Neurowissenschaftler Nikolai Axmacher von der Bonner Klinik für Epileptologie:
"Das Zentrum der Verdrängung besteht darin, anzunehmen, dass der Mensch ambivalent ist, das heißt, es gibt widersprüchliche Tendenzen in einem. Einerseits geheime Wünsche - andererseits die Erfordernisse, der Realität Genüge zu tun und den sozialen Normen zu gehorchen. Und aus diesen letzteren Tendenzen erwächst dann der Antrieb dafür, die Wünsche beispielsweise zu verdrängen."
Jemand hätte also deshalb verdrängt, dass er in seine Lehrerin verliebt war, weil das den Erwartungen seiner Umwelt widersprach und ihn in einen inneren Konflikt stürzte. Kritiker der Freudschen Verdrängung meinen aber, dass es für diese unbewussten Konflikte keine wissenschaftlichen Belege gäbe. Der amerikanische Psychologe Mike Anderson allerdings war sich vor einigen Jahren sicher, Verdrängung schon belegt zu haben. Seine Versuchspersonen mussten Wortpaare wie zum Beispiel "Kakerlake" und "Prüfung" lernen. Anschließend sollten sie bewusst eines der beiden Wörter vergessen. Das funktionierte, wobei ein Hirnareal, dass geistige Prozesse hemmt, hochaktiv war. Gleichzeitig verringerte der sogenannte Hippocampus seine Aktivität. Er ist im Gehirn dafür zuständig, ob Inhalte langfristig gespeichert werden. Anderson interpretierte das als neuronalen Beleg für gezieltes Vergessen, also für Verdrängung. Nikolai Axmacher ließ sich davon jedoch nicht ganz überzeugen:
"Ein zentraler Mangel besteht für mich darin, dass in diesen Experimenten die Probanden explizit aufgefordert werden, durch willentliche Kontrolle bestimmte Inhalte zu unterdrücken. Und das ist etwas, was dem Prozess der Verdrängung ganz fremd ist. Verdrängung findet nach Freud überwiegend unbewusst statt und ist etwas, was nicht bei beliebigen Inhalten stattfindet, sondern nur bei persönlich relevanten Inhalten, die eben zu Konflikten führen."
Um der Freudschen Verdrängung nahe zu kommen, nutzte Nikolai Axmacher ein altes Verfahren, des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung. Jemand bekommt ein Wort wie "Wasser" oder "Mutter" genannt und soll dann sofort ein anderes Wort assoziieren.
"Die Idee dabei ist, dass durch die freie Assoziation Verdrängung kurzzeitig unterlaufen werden kann. Das heißt, wenn ein Reizwort gezeigt wird, kann der Proband ein möglicherweise konfliktbezogenes Wort nennen, was er sonst nicht nennen würde. Dies führt allerdings dazu, dass sofort wieder eine Verdrängung stattfindet, was sich darin äußert, dass schon die freie Assoziation selbst mit einer gewissen Verzögerung stattfindet."
Wenn also jemand wirklich ein Wort assoziiert, das auf einen persönlichen Konflikt hindeutet, dauert das länger, als wenn er ein unbelastetes Wort nennt. In einem Zusatzexperiment ließ Nikolai Axmacher seine 20 Versuchspersonen auch noch drei Wörter auf ganze Sätze hin assoziieren, die psychische Probleme ansprachen. Zum Beispiel auf den Satz "Ich schäme mich oft darüber, wie ich bin". Eine Stunde nach den beiden Experimenten zeigten Gedächtnistests, dass die Versuchspersonen tatsächlich von selbst schon wieder die Wörter vergessen hatten, die ihnen persönlich Stress machten. Im Kernspintomografen zeigte sich dabei ein ganz bestimmtes Hirnmuster:
"Der erste Befund war, dass es zu einer Minderaktivierung des Hippocampus gekommen ist, einer Struktur, die für das bewusste Erinnern zuständig ist. Das ist auch ein Befund, der beispielsweise von Mike Anderson gefunden wurde. Anders als er haben wir aber gefunden, dass der Hippocampus nicht durch Regionen herunterreguliert wurde, die mit willentlicher Kontrolle in Zusammenhang stehen, sondern durch andere Hirnregionen, wie den anterioren cingulären Cortex, die mit Konfliktverarbeitung in Zusammenhang gebracht werden. Das heißt, das Vergessen scheint bei uns nicht durch eine willentliche Kontrolle stattzufinden, sondern im Zusammenhang zu stehen mit der Aktivierung von Konflikten."
Damit sind zum ersten Mal Hirnprozesse per Bildgebung dokumentiert worden, die dem unbewussten und konflikthaften Verdrängen im Sinne Sigmund Freuds entsprechen. In Zukunft könnten diese Ergebnisse vielleicht dabei helfen, den Erfolg von Psychotherapien zu messen.
"Das Zentrum der Verdrängung besteht darin, anzunehmen, dass der Mensch ambivalent ist, das heißt, es gibt widersprüchliche Tendenzen in einem. Einerseits geheime Wünsche - andererseits die Erfordernisse, der Realität Genüge zu tun und den sozialen Normen zu gehorchen. Und aus diesen letzteren Tendenzen erwächst dann der Antrieb dafür, die Wünsche beispielsweise zu verdrängen."
Jemand hätte also deshalb verdrängt, dass er in seine Lehrerin verliebt war, weil das den Erwartungen seiner Umwelt widersprach und ihn in einen inneren Konflikt stürzte. Kritiker der Freudschen Verdrängung meinen aber, dass es für diese unbewussten Konflikte keine wissenschaftlichen Belege gäbe. Der amerikanische Psychologe Mike Anderson allerdings war sich vor einigen Jahren sicher, Verdrängung schon belegt zu haben. Seine Versuchspersonen mussten Wortpaare wie zum Beispiel "Kakerlake" und "Prüfung" lernen. Anschließend sollten sie bewusst eines der beiden Wörter vergessen. Das funktionierte, wobei ein Hirnareal, dass geistige Prozesse hemmt, hochaktiv war. Gleichzeitig verringerte der sogenannte Hippocampus seine Aktivität. Er ist im Gehirn dafür zuständig, ob Inhalte langfristig gespeichert werden. Anderson interpretierte das als neuronalen Beleg für gezieltes Vergessen, also für Verdrängung. Nikolai Axmacher ließ sich davon jedoch nicht ganz überzeugen:
"Ein zentraler Mangel besteht für mich darin, dass in diesen Experimenten die Probanden explizit aufgefordert werden, durch willentliche Kontrolle bestimmte Inhalte zu unterdrücken. Und das ist etwas, was dem Prozess der Verdrängung ganz fremd ist. Verdrängung findet nach Freud überwiegend unbewusst statt und ist etwas, was nicht bei beliebigen Inhalten stattfindet, sondern nur bei persönlich relevanten Inhalten, die eben zu Konflikten führen."
Um der Freudschen Verdrängung nahe zu kommen, nutzte Nikolai Axmacher ein altes Verfahren, des Psychoanalytikers Carl Gustav Jung. Jemand bekommt ein Wort wie "Wasser" oder "Mutter" genannt und soll dann sofort ein anderes Wort assoziieren.
"Die Idee dabei ist, dass durch die freie Assoziation Verdrängung kurzzeitig unterlaufen werden kann. Das heißt, wenn ein Reizwort gezeigt wird, kann der Proband ein möglicherweise konfliktbezogenes Wort nennen, was er sonst nicht nennen würde. Dies führt allerdings dazu, dass sofort wieder eine Verdrängung stattfindet, was sich darin äußert, dass schon die freie Assoziation selbst mit einer gewissen Verzögerung stattfindet."
Wenn also jemand wirklich ein Wort assoziiert, das auf einen persönlichen Konflikt hindeutet, dauert das länger, als wenn er ein unbelastetes Wort nennt. In einem Zusatzexperiment ließ Nikolai Axmacher seine 20 Versuchspersonen auch noch drei Wörter auf ganze Sätze hin assoziieren, die psychische Probleme ansprachen. Zum Beispiel auf den Satz "Ich schäme mich oft darüber, wie ich bin". Eine Stunde nach den beiden Experimenten zeigten Gedächtnistests, dass die Versuchspersonen tatsächlich von selbst schon wieder die Wörter vergessen hatten, die ihnen persönlich Stress machten. Im Kernspintomografen zeigte sich dabei ein ganz bestimmtes Hirnmuster:
"Der erste Befund war, dass es zu einer Minderaktivierung des Hippocampus gekommen ist, einer Struktur, die für das bewusste Erinnern zuständig ist. Das ist auch ein Befund, der beispielsweise von Mike Anderson gefunden wurde. Anders als er haben wir aber gefunden, dass der Hippocampus nicht durch Regionen herunterreguliert wurde, die mit willentlicher Kontrolle in Zusammenhang stehen, sondern durch andere Hirnregionen, wie den anterioren cingulären Cortex, die mit Konfliktverarbeitung in Zusammenhang gebracht werden. Das heißt, das Vergessen scheint bei uns nicht durch eine willentliche Kontrolle stattzufinden, sondern im Zusammenhang zu stehen mit der Aktivierung von Konflikten."
Damit sind zum ersten Mal Hirnprozesse per Bildgebung dokumentiert worden, die dem unbewussten und konflikthaften Verdrängen im Sinne Sigmund Freuds entsprechen. In Zukunft könnten diese Ergebnisse vielleicht dabei helfen, den Erfolg von Psychotherapien zu messen.