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Veredelung der gewerblichen Arbeit

Im Herbst 1907 schlossen sich Künstler und Architekten wie Peter Behrens, Josef Hoffmann, Richard Riemerschmied und einige Firmen in München zum "Deutschen Werkbund" zusammen. Es ging um nichts weniger als eine gut gestaltet veredelte neue Objektwelt vom "Sofakissen bis zum Städtebau", eine Art gestalterische und erzieherische Aufgabe fand im Werkbund zusammen. Die Münchner Pinakothek der Moderne feiert 100 Jahre Werkbund.

Von Beatrix Novy | 21.04.2007
    Einer der Ersten, denen auffiel, dass im Deutschland der Nachkriegszeit eine Zerstörung ohne Bomben, aber von ebenfalls bedenklichen Ausmaßen eingesetzt hatte, war Hans Schwippert - ein Werkbündler. Bei der Einführung zur Werkbund-Tagung "Die große Landzerstörung" sagte er, nun habe man es in 50 Jahren dank der Bemühungen um die gute Form zu ganz ordentlichen Trinkgläsern gebracht; aber der Wein sei unterdessen immer schlechter geworden und das Wasser, diese denaturierte Brühe, überhaupt nicht mehr zu trinken also "Was sollen uns nun die wohlbetreuten Gläser?" Das war, man glaubt es kaum, 1959, als noch jeder, der es nicht mit der Atomkraft hatte, als reaktionärer Fortschrittsfeind galt. Und nur 15 Jahre vorher hatten sich Werkbund-Architekten wie Rudolph Hillebrecht oder Egon Eiermann vehement für die, wie sie glaubten, tolle Chance verkehrsgerechter moderner Stadtplanung ausgesprochen. Werner Durth, der das Werkbund-Archiv für die Münchner Ausstellung auswertete:

    "Dass dieser Erneuerungsgedanke schon 15 Jahre später auf dem Prüfstand stand, dass also schon in der Interbau 1957 die Kritik an der Landschaftszerstörung geführt wurde, das hat uns selbst überrascht; wie früh die Selbstkritik an den Ergebnissen des eigenen Erfolges ansetzte."

    Mit der Tagung von 1959 trat der ehrwürdige Werkbund allmählich in eine neue Phase der Politisierung ein, sein Bild als das einer großen Reformbewegung mit klaren Zielen löst sich auch in der Münchner Ausstellung sichtbar auf. Sie kann nun keine Inkunabeln mehr zeigen, kaum noch fest umrissene Dinglichkeit, Produkte von individualistischen Künstlern, die dennoch an einem Strang ziehen. Als sich im Oktober 1907 12 Architekten und Künstler, unter ihnen Richard Riemerschmidt, Hermann Muthesius und der von der AEG geheuerte Peter Behrens - mit 12 Gewerbebetrieben zum Werkbund zusammenschlossen, ging es ihnen um die künstlerische Formung aller Lebensbereiche "vom Sofakissen bis zum Städtebau" im Geist einer dem technischen Zeitalter entsprechenden, unverlogenen, material-und funktionsgerechten Qualität. Wobei Arbeitsfreude und Erschwinglichkeit für die niederen Klassen auch gleich ein paar soziale Probleme entschärfen würden. Damals war die deutsche Industrie auf dem Vormarsch, industriell gefertigt waren auch die Dekors, die jeden Gebrauchsgegenstand und jede Hausfassade im Übermaß verzierten; billigste Massenware, dementsprechend häufig noch auf Flohmärkten viel späterer Jahrzehnte zu finden - als der endgültige Durchbruch der rationalen Form die Menschen wieder nach traulicheren Begleitern des täglichen Lebens lechzen ließ. Damals aber, 1907, musste dem Verfall handwerklicher Qualität etwas entgegengesetzt werden, das hatte schon, unter sozialkämpferischem Vorzeichen, die englische arts-and-crafts-Bewegung getan; sie gehört zu den Vorläufern des Werkbunds, deshalb gilt ihr eine kleine Nische in der Münchner Ausstellung, wo auch der berühmte Stuhl des Rennie McIntosh mit der hohen Leiterlehne zu sehen ist. Ohne Lebensreformbewegung, ohne den Gedanken der künstlerischen und moralischen Erziehung wäre der Werkbund nicht denkbar; aber auch nicht ohne die durch Eitelkeiten und Konkurrenzen verschärften ideologischen Streitigkeiten, die zwangsläufig am Weg lagen - um Form und Funktion, Klassizismus oder nicht, Ornament oder keines, Handwerk oder Type. Winfried Nerdinger, Direktor des Architekturmuseums der TU München:

    "In Köln kam es dann zu einem ersten Streit, man spricht vom sog. Typenstreit: auf der einen Seite einer der geistigen Väter des Werkbundes, Hermann Muthesius, der Thesen vorträgt, in denen er fordert, die Gestaltung müsse der industriellen Fabrikation angepaßt werden, hier sehen Sie dazu die Typenmöbel von Bruno Paul; er findet einen heftigen Gegenpart in Henry van de Velde, der den Standpunkt des individuellen Künstlers vertritt, van de Velde, der darauf beharrt, dass sich der Künstler nicht der Maschine unterordnen soll. "

    (Wirklich versteht man beim Anblick eines fragilen, willkürlich geschwungenen van de Velde-Streits sofort, worum es bei dem Zank ging. Der Stuhl zum Sitzen von Schreinermeister Nolte, den ein witziger Zeitgenosse den streitenden Werkbündlern vorschlug, ist das jedenfalls nicht.) Der 1. Weltkrieg beendete die im Werkbund zumindest latent vorhandenen wilhelminischen Wunschträume von einem Deutschland, das mit seinen Qualitätsprodukten, mit der unschlagbaren Allianz aus Industrie, Kunst und Kunsthandwerk die Gegenspieler auf den internationalen Märkten in Grund und Boden konkurrieren würde. Er beendete auch den Werkbundstreit zugunsten der Typisierung, der endgültig serientauglichen, rationalen Form, die in der Weimarer Republik weiter kultiviert wurde. Jugendstil-Anmutungen, wie sie van de Velde in Möbeln oder in seinem Theater für die Werkbund-Ausstellung von 1914 gezeigt hatte, waren für immer passé. Eine andere große Ausstellung zeigte den Werkbund weiterhin als Avantgarde der Epoche: Stuttgart- Weißenhof. Was Fortschritt hieß, das zeigt ein Werbeplakat das superschicke Großstadtgirl, einen Fuß auf dem Trittbrett des Kabrioletts, im Hintergrund ein Weißenhof-Haus von Le Corbusier.

    Werkbund und Bauhaus bringen die bis heute allerwärts vertrauten Formen hervor, die Designgeschichte machten, von Wilhelm Wagenfelds gläsernem Teeservice bis zu Ferdinand Kramers Thonet-Stuhl. , die Designgeschichte machen. Dass diese Geschichte im Zeitalter des Massenkonsums und übrigens auch des nun entstandenen Designerberufs vorbei war, faßte Lucius Burkhard, in den 70er Jahren Werkbund-Vorsitzender, in die Worte "Design ist unsichtbar". Von nun an, hieß das, geht es um anderes. Um Zersiedlung, Wohnungsspekulation, Demokratisierung der Planung.