Dienstag, 16. April 2024

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Verendete Wale in der Nordsee
Irrwege in den Tod

Mindestens elf Pottwale verendeten innerhalb weniger Tage an der deutschen und niederländischen Nordseeküste. Warum sie sich verirrten, ist noch unklar. Jetzt müssen die Kadaver geborgen werden, denn in ihrem Inneren entwickeln sich gefährliche Gase.

Von Jutta Przygoda | 14.01.2016
    Ein Bagger zieht am 14.01.2016 auf dem Strand von Wangerooge (Niedersachsen) einen verendeten Pottwal Richtung Meer. Auf der Nordseeinsel haben die Vorbereitungsarbeiten für den Abtransport der beiden gefunden toten Pottwale begonnen.
    Gestrandet:Toter Wal vor Wangerooge (picture alliance / dpa / Peter Kuchenbuch-Hanken)
    Tote, verendete Pottwale in der Nordsee – es werden immer mehr. Erst wurden am Freitag vor einer Woche zwei Tiere auf der ostfriesischen Insel Wangerooge angeschwemmt, dann zwei weitere vor Helgoland, fünf auf der niederländischen Insel Texel, einer bei Büsum in Schleswig Holstein und nun noch zwei weitere in der Außenweser bei Bremerhaven. Biologen und Walexperten sagen, das ist gar nicht ungewöhnlich, denn Wale sind in Gruppen unterwegs, auch wenn sie wie hier vom Weg abkommen und in die Nordsee gelangen. Die gestrandeten Tiere müssen nun entsorgt werden, denn von den über zehn Meter langen Kadavern geht beim Verwesen eine Gefahr aus.
    Die beiden Wangerooger Wale werden auf der Insel für den Transport vorbereitet. Quietschende, zischende Geräusche begleiteten das Entgasen, als der niederländische Präparator Art Walen den beiden Riesen den Bauch mit einem Messer aufschneidet, um die Faulgase zu entlassen.
    "Ach das hängt davon ab, wie ich schneide: Wenn ich so einen Schnitt schneide, dann flutet er."
    Bis zu 40 Grad im Inneren eines toten Wals
    Das Entgasen gehört zur Vorbereitung, weil die Tiere sonst durch die innere Verwesung zu platzen drohen. Durch die dicke Fettschicht des Wals entwickelt sich in seinem Inneren rasch eine hohe Temperatur.
    "Bis 40 Grad Hitze könnte das aufbauen und die Wärme kann nicht raus."
    Doch es gibt noch weitere Probleme, sagt Richard Czeck von der Niedersächsischen Nationalparkverwaltung. Er deutet auf einen der beiden Riesen an der Ostspitze des Wangerooger Strandes.
    "Hier bei dem, der liegt sehr weit auf dem Land, da muss vermutlich noch eine Rinne gebaggert werden, weil sonst beim Transport das Risiko besteht, dass der Wal zerreist und das möchte man nicht."
    Heute sollen die beiden Wangerooger Wale zusätzlich noch mit Hilfe des Baggers in eine bessere Position gebracht und am Freitag dann von einem Schiff aus abgeschleppt werden. Ein Seuchenrisiko bestehe nicht, betont die niedersächsische Umweltstaatssekretärin Almut Kottwitz:
    "Nach allem was bisher mir gesagt wurde, es war ja schon ein Tierarzt vor Ort, sind keine Seuchen zu erwarten, aber um das auszuschließen, wollen wir nochmal Proben nehmen von der Haut und von inneren Geweben, wenn der Tierarzt sagt so und so soll es sein."
    Industrielle Anlagen stören Orientierung
    Erst an Land werden die Wangerooger Wale zerteilt und kommen anschließend in die Tierkörperbeseitigung. Proben werden dann auch von ihrem Mageninhalt genommen. Pottwale ernähren sich von großen Tintenfischen aus der Tiefsee, die sie in der Nordsee aber nicht finden. Die Wale können bis zu 3.000 Meter tief tauchen. Während sich die Weibchen mit den Kälbern in Äquatornähe tummeln, sind die schweren Bullen und jungen Männchen im Nordatlantik unterwegs. Deshalb werden bei Strandungen in der Nordsee auch immer nur männliche Tiere gefunden.
    Warum derzeit bereits ein Dutzend Wale von der Nordsee angeschwemmt wurden, erklärt sich Tierarzt und Walexperte Jan Herrmann aus dem ostfriesischen Wittmund so:
    "Es handelt sich um junge Pottwalbullen, die quasi den falschen Weg nach Hause genommen haben, die sind irrtümlich in die Nordsee geraten, die können sich nicht ernähren, nicht orientieren und das führt sie letztlich an unsere Küste."
    Und weil die Tiere in Gruppen unterwegs sind, tauchen nun gleich eine ganze Reihe an unseren Stränden von ihnen auf. Die Gründe liegen wie so oft beim Menschen, vermutet der Tierarzt aus Wittmund. Schiffsverkehr, Ölplattformen, Offshore Anlagen – all das macht Lärm.
    "Man muss tatsächlich sagen: Diese ganzen industriellen Anlagen, die sind für Tiere, die sich akustisch orientieren ein echtes Problem. Die Lautstärke ist für die Pottwale so hoch, dass es denen nicht hilft, wenn die sich orientieren wollen."
    In den Niederlanden hatten Naturschützer in dieser Woche noch versucht, die fünf Wale, die auf der Insel Texel gestrandet sind, noch ins Meer zurückzutreiben. Doch das ist wie so oft gescheitert, sagt Umweltstaatssekretärin Kottwitz:
    "Es gibt immer Bemühungen, die am Leben zu erhalten, nur das ist ziemlich aussichtslos, denn diese Kolosse wieder dahin zu bringen, wo sie eigentlich hätten hin schwimmen müssen, das ist fast unmöglich."
    Denn das wäre die Nordsee oberhalb von Schottland. Dort biegen die Tiere falsch ab und das flache Meer wird ihnen zum Verhängnis. Heute soll es aufgrund der aktuellen Lage Walbeobachtungen aus der Luft geben. Das Niedersächsische Umweltministerium will damit feststellen, ob in den kommenden Tagen über die bisher 12 Tiere hinaus noch weitere Wale an der Nordseeküste stranden könnten.