Unsere Erbanlagen erhalten wir je zur Hälfte vom Vater und von der Mutter. Bis auf ein paar zufällige Veränderungen, Mutationen genannt, ändert sich daran nichts. Die gleichen Gene geben wir weiter an unsere Kinder. Sie sind gespeichert im Erbmolekül DNA. Aber Gene lassen sich steuern. Sie können an- oder ausgeschaltet werden. Mit diesen Aktivierungsmustern der Erbanlagen beschäftigt sich das wachsende Forschungsfeld der Epigenetik. Vererbbar sind diese Schaltprozesse in der Regel nicht. Aber wie sich nun zeigt, gibt es Ausnahmen. Der Humangenetiker Karl Sperling von der Berliner Charité verweist auf eine Untersuchung aus den Niederlanden. Es geht um Kinder, die zur Zeit des zweiten Weltkriegs geboren wurden. Sperling:
"Als dort eine ganz massive Mangelernährung vorlag, haben die Mütter untergewichtige Töchter geboren. Diese Töchter sind dann im Wohlstand aufgewachsen, haben wieder Töchter bekommen, und diese Kinder waren wieder untergewichtig."
Die Folgen einer Mangelernährung beeinflussen also spätere Generationen. Sie lassen sich entgegen den Gesetzen der Genetik biologisch vererben. Dabei bleibt die Erbinformation auf dem Erbmolekül DNA unverändert. Ein überraschendes Ergebnis. Aber es wird bestätigt durch Unterlagen aus Schweden. Sie reichen über 100 Jahre zurück und zeigen, so Sperling:
"... dass der Ernährungszustand Konsequenzen noch auf die Enkelkinder hatte. Wenn sie zu viel hatten, waren die Konsequenzen andere, als wenn Mangelernährung herrschte. Es gab dann ein erhöhtes Risiko von Diabetes bei ihren Enkelkindern. ... Solche Beobachtungen öffnen uns den Blick für ganz neue Phänomene.... Wenn sich herausstellt, dass das ein allgemeineres Phänomen ist, dann müssen wir vieles ganz neu überdenken."
Mit klassischer Vererbung kann das nichts zu tun haben. Hungersnöte oder Überfluss verändern zwar den Stoffwechsel der Betroffenen erheblich, haben aber keinen Einfluss auf die Gene. Möglicherweise aber auf die Schalter an den Genen.
"Dazu muss man sagen, dass die in der Regel ausradiert werden. Das heißt: Bei der Keimzellenentwicklung wird alles wieder auf Null gesetzt, und bei der Befruchtung wieder neu etabliert."
Soweit Bernhard Horsthemke. Er ist Humangenetiker am Universitätsklinikum Essen und einer der führenden Experten für Epigenetik in Deutschland. Die statistischen Untersuchungen aus Schweden und den Niederlanden hält er für seriös. Ein Beweis für eine Vererbung ohne Gene seien sie aber nicht. Eine epigenetische Vererbung sei aber sinnvoll – aus Sicht der Evolution. Denn Mutation und Selektion auf der Ebene des Erbmoleküls DNA brauchen Jahrtausende, um die Anpassung einer Art an die Umwelt zu bewirken. Bernhard Horsthemke:
"Das heißt: Während der Evolution kann diese Spezies ganz schlecht auf kurzfristige Veränderungen reagieren. Wenn sich plötzlich die Nahrungssituation ändert, die klimatischen Verhältnisse sich ändern, oder wenn die Population auswandert, dann kommt die DNA-basierte Evolution viel zu langsam voran. Da kann ich mir sinnvoll vorstellen, dass die Natur epigenetische Vererbung nutzt, und kurzfristig für eine oder zwei Generationen eine schnelle Anpassung machen kann."
Einem möglichen Beispiel können wir tagtäglich begegnen. Zurzeit werden die Menschen in den Industrieländern von Generation zu Generation immer größer – und auch immer dicker. Mit klassischer Genetik kann das nichts zu tun haben. Vor allem mit der Ernährung, aber auch mit Epigenetik. Die Schalter im Erbgut könnten eine Rolle spielen. Aber das ist noch Spekulation.
"Als dort eine ganz massive Mangelernährung vorlag, haben die Mütter untergewichtige Töchter geboren. Diese Töchter sind dann im Wohlstand aufgewachsen, haben wieder Töchter bekommen, und diese Kinder waren wieder untergewichtig."
Die Folgen einer Mangelernährung beeinflussen also spätere Generationen. Sie lassen sich entgegen den Gesetzen der Genetik biologisch vererben. Dabei bleibt die Erbinformation auf dem Erbmolekül DNA unverändert. Ein überraschendes Ergebnis. Aber es wird bestätigt durch Unterlagen aus Schweden. Sie reichen über 100 Jahre zurück und zeigen, so Sperling:
"... dass der Ernährungszustand Konsequenzen noch auf die Enkelkinder hatte. Wenn sie zu viel hatten, waren die Konsequenzen andere, als wenn Mangelernährung herrschte. Es gab dann ein erhöhtes Risiko von Diabetes bei ihren Enkelkindern. ... Solche Beobachtungen öffnen uns den Blick für ganz neue Phänomene.... Wenn sich herausstellt, dass das ein allgemeineres Phänomen ist, dann müssen wir vieles ganz neu überdenken."
Mit klassischer Vererbung kann das nichts zu tun haben. Hungersnöte oder Überfluss verändern zwar den Stoffwechsel der Betroffenen erheblich, haben aber keinen Einfluss auf die Gene. Möglicherweise aber auf die Schalter an den Genen.
"Dazu muss man sagen, dass die in der Regel ausradiert werden. Das heißt: Bei der Keimzellenentwicklung wird alles wieder auf Null gesetzt, und bei der Befruchtung wieder neu etabliert."
Soweit Bernhard Horsthemke. Er ist Humangenetiker am Universitätsklinikum Essen und einer der führenden Experten für Epigenetik in Deutschland. Die statistischen Untersuchungen aus Schweden und den Niederlanden hält er für seriös. Ein Beweis für eine Vererbung ohne Gene seien sie aber nicht. Eine epigenetische Vererbung sei aber sinnvoll – aus Sicht der Evolution. Denn Mutation und Selektion auf der Ebene des Erbmoleküls DNA brauchen Jahrtausende, um die Anpassung einer Art an die Umwelt zu bewirken. Bernhard Horsthemke:
"Das heißt: Während der Evolution kann diese Spezies ganz schlecht auf kurzfristige Veränderungen reagieren. Wenn sich plötzlich die Nahrungssituation ändert, die klimatischen Verhältnisse sich ändern, oder wenn die Population auswandert, dann kommt die DNA-basierte Evolution viel zu langsam voran. Da kann ich mir sinnvoll vorstellen, dass die Natur epigenetische Vererbung nutzt, und kurzfristig für eine oder zwei Generationen eine schnelle Anpassung machen kann."
Einem möglichen Beispiel können wir tagtäglich begegnen. Zurzeit werden die Menschen in den Industrieländern von Generation zu Generation immer größer – und auch immer dicker. Mit klassischer Genetik kann das nichts zu tun haben. Vor allem mit der Ernährung, aber auch mit Epigenetik. Die Schalter im Erbgut könnten eine Rolle spielen. Aber das ist noch Spekulation.