Dieses eindeutige Urteil fällt der Bochumer Professor für Architekturgeschichte Dr. Joachim Petsch über seine Ruhr-Universität. Brutalistisch und unpersönlich - dies sind häufig genutzte Vokabeln, die den Charakter des Hochschulbaus aus den 60er Jahren beschreiben sollen. Das Image der Hochschule als Selbstmörderuniversität haftet ihr noch immer an. Hinzu kommt, dass die Betongebäude nach rund 40 Jahren marode sind.
Verfall einer Denkfabrik - eine Reportage von Kai Toss.
Die U35 ist überfüllt. Wie jeden Morgen. Menschenmassen strömen aus der Tram - Richtung Treppenaufgang zum Campus. Kaum einer redet. Ebenfalls wie jeden Morgen. Verabredung mit Jan Reinicke, dem Vorsitzenden des AStA. Sein Büro ist in einem Gebäude, dessen Flachdach durch geschwungene Betonelemente aufgelockert wird. Davor: Betonplatten, wie fast überall auf dem Gelände. Mit dem AStA-Chef erkunde ich den Campus. Harmloses zum Auftakt:
Die Platten klappern, mal halten sie dem Gewicht nicht mehr stand.
Eben beschriebene Bodenplatten klappern beim drauf Treten. Vor dem Platz am Audimax stehen einige V-förmige rote Metall-Absperrungen. Fußgänger sollen sich an den geborstenen Platten nicht die Beine brechen. Rund 25 Zentimeter Hohlraum sind unter den Platten.
Das ist ein ganz schöner Schritt, den man runter fällt, wenn Sie einbrechen.
Ist ihm das schon einmal passiert?
Mir nicht, aber wie das immer so ist, ich kenne natürlich Leute, denen das passiert ist.
Mitte der 60er Jahre ist die Uni gebaut worden. Funktional sollte sie sein. Zumindest ist es eine Hochschule der kurzen Wege. Um eine Achse sind sämtliche Gebäude platziert, länger als 20 Minuten geht man nicht, egal wohin man will. Dr. Joachim Petsch ist Professor für Architektur und Designgeschichte. Aus seinem Büro heraus schaut er auf einen großen Betonbau mit - wie er selber sagt - pipigelben Streifen:
Das Problem ist dann natürlich, wenn man 13 Geschosse hat, und das ist hier die Regel, die Flure alle gleich aussehen. Mir passiert das heute noch manchmal, wenn ich morgens nicht ausgeschlafen bin, ich dann feststelle, mein Schlüssel passt nicht, dann bin ich im falschen Flur. Und die Studenten haben bei aller Übersichtlichkeit, wenn man sozusagen die Erfahrung hat, am Anfang unglaubliche Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Das heißt, dieser reduzierte Funktionalismus ist gar nicht so funktionalistisch, wie er sich gibt.
Funktionalismus hin oder her. Die Uni hat andere Probleme. Erkundung des Gebäudes NA. Hier forschen und lehren die Geowissenschaftler. Lange Flure, grün-blaue Linoleumplatten, weiße Wände, in Boden- und Deckenhöhe versehen mit orangefarbenen Streifen. Die Türen sind lila. Es tropft von der Decke. Schon seit langem. Drei Eimer fangen die Tropfen auf. AStA-Chef Jan Reinicke:
Besonders nett ist es natürlich, dass bei einer Einschreibung, die in diesem Flur hier stattgefunden hat - das war zum Sommersemester - da war der ganze Flur voller Erstis, Erstsemester, die sich einschreiben wollten und zwischen viele Wassereimern dann standen. Nicht gerade der tollste Eindruck, den ein beginnender Studierender hier an der Universität bekommt.
Übrigens: Die Eimer müssen bald gelehrt werden. Bernd Uckelmann, Chefhausmeister:
Der meiste Reparaturbedarf ist die Bautechnik, die Substanz der Uni, Dach- und Betonsanierung. Es müsste einfach komplett saniert werden. Die Dachbereiche zum Beispiel. Es nützt nichts, wenn ich eine Ecke mache, weil das Wasser kommt von überall. Das kann man nicht lokalisieren.
Wie viele Eimer haben sie denn mittlerweile hier ausgestellt, damit das Regenwasser dort reintropfen kann?
Weiß ich nicht, keine Ahnung. Ich hab sie nicht gezählt.
Flickschusterei als Lebensaufgabe. Am alten Mensagebäude hingegen werden Nägel mit Köpfen gemacht. Ein Arbeiter wuchtet alte Metallleitungen hin und her.
Was machen sie eigentlich im Moment hier?
Abriss, alles mögliche abreißen, alles was raus soll.
Was muss hier alles entfernt werden?
Fußboden, Elektrik, Holz, alles mögliche. Das kommt alles raus und wird neu gemacht.
Wie lange wird das noch dauern?
So wie mir das gesagt worden ist - noch drei Jahre Bauzeit.
Die Mensa ist Sinnbild für den ganzen Campus - in den 60er Jahren für 15.000 Studierende geplant, muss sie nun Raum für rund 40.000 junge Frauen und Männer bieten. Heute sind einige Räume sogar gesperrt, andere dürfen nicht von Schwangeren genutzt werden. Der Grund: ausgasendes PCB. Das Ausmaß des Verfalls ist beträchtlich. Die Kosten für eine Generalsanierung ebenfalls.
Es gibt gegenwärtig nur sehr grobe Schätzungen,
sagt Professor Dr. Gerhard Möller, der Kanzler der Ruhr Universität Bochum.
Die belaufen sich auf etwa 800 Million bis 1 Milliarde Euro. Es ist ein Ingenieurbüro damit beauftragt, die Kosten genauer zu ermitteln. Dieser Betrag wäre erforderlich, wenn man in einem Zeitraum von zehn Jahren die Universität komplett sanieren würde, wenn man sie also in einen Neubauzustand versetzen würde.
Gegen Ende des Spazierganges: Ein Blick über den Campus. Auf marode Betonbauten, grau in grau. Undichte Dächer, stinkende Toilettenanlagen, bröckelnde Beton, dies ist auf den zweiten Blick zu sehen. Und: Bedrohlich wirkende Parkhäuser.
Es ist manchmal unheimlich, vor allem spät abends und da vor allem im Winter. Da fühlt man sich doch nicht so sicher.
Versuchen Sie dann, nicht alleine hier entlang zu laufen?
Da bleibt einem nichts anderes übrig, wenn man spät abends nach Hause will. Da muss man dann alleine zum Parkhaus rennen.
Trotz allem: Die Universität ist ein lebendiger Ort, erzählt AStA-Chef Jan Reinicke..
Auf den ersten Blick ist das monumental, erschlagend. So wie die Uni halt immer beschrieben wird. Andererseits, wenn man sich hier täglich bewegt, gewöhnt man sich daran, an die Hochhäuser, den Beton und die Steine. Und du findest immer so deine Ecken, wo du dich gerne aufhalten möchtest.
Die meisten Studierenden arrangieren sich mit dem Campus:
Ich finde es eigentlich okay. Es kommt auf die Unileute an, die Uniprofs und nicht auf die Gebäude. Ich finde zum Beispiel das Audimax ganz schön. Das soll ja eine Muschel sein. Ich studiere hier seit fünf Jahren. Ich habe mich damit abgefunden.
Bedrückend, ich finde, es sieht aus wie ganz billige Wohnkomplexe in Spanien am Strand. Aber ich habe mich dran gewöhnt. Ich finde es nicht so schlimm, wie das alle immer sagen.
Aber man sollte nicht hier lang gucken. Man sollte die Uni durch gehen, dahin wo die Cafete früher mal war. Den Ausblick muss man genießen. Das hat man an keiner anderen Uni. Richtung Ruhrtal. So wat schönes hat man echt selten gesehen, vor allem im Sommer.
Versöhnendes zum Schluss also. Zur Erinnerung: Eine Milliarde Euro würde die Sanierung der Ruhr-Uni Bochum kosten. Eine scheinbar unlösbare Herausforderung. Kanzler Gerhard Möller:
Die Universität ist in einem Zustand, in dem man nicht mit ihren Gebäuden renommieren kann. Wir hoffen, dass wir mit unseren wissenschaftlichen Leistungen renommieren können - nach wie vor.
Verfall einer Denkfabrik - eine Reportage von Kai Toss.
Die U35 ist überfüllt. Wie jeden Morgen. Menschenmassen strömen aus der Tram - Richtung Treppenaufgang zum Campus. Kaum einer redet. Ebenfalls wie jeden Morgen. Verabredung mit Jan Reinicke, dem Vorsitzenden des AStA. Sein Büro ist in einem Gebäude, dessen Flachdach durch geschwungene Betonelemente aufgelockert wird. Davor: Betonplatten, wie fast überall auf dem Gelände. Mit dem AStA-Chef erkunde ich den Campus. Harmloses zum Auftakt:
Die Platten klappern, mal halten sie dem Gewicht nicht mehr stand.
Eben beschriebene Bodenplatten klappern beim drauf Treten. Vor dem Platz am Audimax stehen einige V-förmige rote Metall-Absperrungen. Fußgänger sollen sich an den geborstenen Platten nicht die Beine brechen. Rund 25 Zentimeter Hohlraum sind unter den Platten.
Das ist ein ganz schöner Schritt, den man runter fällt, wenn Sie einbrechen.
Ist ihm das schon einmal passiert?
Mir nicht, aber wie das immer so ist, ich kenne natürlich Leute, denen das passiert ist.
Mitte der 60er Jahre ist die Uni gebaut worden. Funktional sollte sie sein. Zumindest ist es eine Hochschule der kurzen Wege. Um eine Achse sind sämtliche Gebäude platziert, länger als 20 Minuten geht man nicht, egal wohin man will. Dr. Joachim Petsch ist Professor für Architektur und Designgeschichte. Aus seinem Büro heraus schaut er auf einen großen Betonbau mit - wie er selber sagt - pipigelben Streifen:
Das Problem ist dann natürlich, wenn man 13 Geschosse hat, und das ist hier die Regel, die Flure alle gleich aussehen. Mir passiert das heute noch manchmal, wenn ich morgens nicht ausgeschlafen bin, ich dann feststelle, mein Schlüssel passt nicht, dann bin ich im falschen Flur. Und die Studenten haben bei aller Übersichtlichkeit, wenn man sozusagen die Erfahrung hat, am Anfang unglaubliche Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Das heißt, dieser reduzierte Funktionalismus ist gar nicht so funktionalistisch, wie er sich gibt.
Funktionalismus hin oder her. Die Uni hat andere Probleme. Erkundung des Gebäudes NA. Hier forschen und lehren die Geowissenschaftler. Lange Flure, grün-blaue Linoleumplatten, weiße Wände, in Boden- und Deckenhöhe versehen mit orangefarbenen Streifen. Die Türen sind lila. Es tropft von der Decke. Schon seit langem. Drei Eimer fangen die Tropfen auf. AStA-Chef Jan Reinicke:
Besonders nett ist es natürlich, dass bei einer Einschreibung, die in diesem Flur hier stattgefunden hat - das war zum Sommersemester - da war der ganze Flur voller Erstis, Erstsemester, die sich einschreiben wollten und zwischen viele Wassereimern dann standen. Nicht gerade der tollste Eindruck, den ein beginnender Studierender hier an der Universität bekommt.
Übrigens: Die Eimer müssen bald gelehrt werden. Bernd Uckelmann, Chefhausmeister:
Der meiste Reparaturbedarf ist die Bautechnik, die Substanz der Uni, Dach- und Betonsanierung. Es müsste einfach komplett saniert werden. Die Dachbereiche zum Beispiel. Es nützt nichts, wenn ich eine Ecke mache, weil das Wasser kommt von überall. Das kann man nicht lokalisieren.
Wie viele Eimer haben sie denn mittlerweile hier ausgestellt, damit das Regenwasser dort reintropfen kann?
Weiß ich nicht, keine Ahnung. Ich hab sie nicht gezählt.
Flickschusterei als Lebensaufgabe. Am alten Mensagebäude hingegen werden Nägel mit Köpfen gemacht. Ein Arbeiter wuchtet alte Metallleitungen hin und her.
Was machen sie eigentlich im Moment hier?
Abriss, alles mögliche abreißen, alles was raus soll.
Was muss hier alles entfernt werden?
Fußboden, Elektrik, Holz, alles mögliche. Das kommt alles raus und wird neu gemacht.
Wie lange wird das noch dauern?
So wie mir das gesagt worden ist - noch drei Jahre Bauzeit.
Die Mensa ist Sinnbild für den ganzen Campus - in den 60er Jahren für 15.000 Studierende geplant, muss sie nun Raum für rund 40.000 junge Frauen und Männer bieten. Heute sind einige Räume sogar gesperrt, andere dürfen nicht von Schwangeren genutzt werden. Der Grund: ausgasendes PCB. Das Ausmaß des Verfalls ist beträchtlich. Die Kosten für eine Generalsanierung ebenfalls.
Es gibt gegenwärtig nur sehr grobe Schätzungen,
sagt Professor Dr. Gerhard Möller, der Kanzler der Ruhr Universität Bochum.
Die belaufen sich auf etwa 800 Million bis 1 Milliarde Euro. Es ist ein Ingenieurbüro damit beauftragt, die Kosten genauer zu ermitteln. Dieser Betrag wäre erforderlich, wenn man in einem Zeitraum von zehn Jahren die Universität komplett sanieren würde, wenn man sie also in einen Neubauzustand versetzen würde.
Gegen Ende des Spazierganges: Ein Blick über den Campus. Auf marode Betonbauten, grau in grau. Undichte Dächer, stinkende Toilettenanlagen, bröckelnde Beton, dies ist auf den zweiten Blick zu sehen. Und: Bedrohlich wirkende Parkhäuser.
Es ist manchmal unheimlich, vor allem spät abends und da vor allem im Winter. Da fühlt man sich doch nicht so sicher.
Versuchen Sie dann, nicht alleine hier entlang zu laufen?
Da bleibt einem nichts anderes übrig, wenn man spät abends nach Hause will. Da muss man dann alleine zum Parkhaus rennen.
Trotz allem: Die Universität ist ein lebendiger Ort, erzählt AStA-Chef Jan Reinicke..
Auf den ersten Blick ist das monumental, erschlagend. So wie die Uni halt immer beschrieben wird. Andererseits, wenn man sich hier täglich bewegt, gewöhnt man sich daran, an die Hochhäuser, den Beton und die Steine. Und du findest immer so deine Ecken, wo du dich gerne aufhalten möchtest.
Die meisten Studierenden arrangieren sich mit dem Campus:
Ich finde es eigentlich okay. Es kommt auf die Unileute an, die Uniprofs und nicht auf die Gebäude. Ich finde zum Beispiel das Audimax ganz schön. Das soll ja eine Muschel sein. Ich studiere hier seit fünf Jahren. Ich habe mich damit abgefunden.
Bedrückend, ich finde, es sieht aus wie ganz billige Wohnkomplexe in Spanien am Strand. Aber ich habe mich dran gewöhnt. Ich finde es nicht so schlimm, wie das alle immer sagen.
Aber man sollte nicht hier lang gucken. Man sollte die Uni durch gehen, dahin wo die Cafete früher mal war. Den Ausblick muss man genießen. Das hat man an keiner anderen Uni. Richtung Ruhrtal. So wat schönes hat man echt selten gesehen, vor allem im Sommer.
Versöhnendes zum Schluss also. Zur Erinnerung: Eine Milliarde Euro würde die Sanierung der Ruhr-Uni Bochum kosten. Eine scheinbar unlösbare Herausforderung. Kanzler Gerhard Möller:
Die Universität ist in einem Zustand, in dem man nicht mit ihren Gebäuden renommieren kann. Wir hoffen, dass wir mit unseren wissenschaftlichen Leistungen renommieren können - nach wie vor.