Passant: So sieht´s in Frankfurt aus.
So sieht´s aus. In Frankfurt. Erklärt ein Frankfurter seiner auswärtigen Begleitung und weist mit panoramisch weit ausholender Geste über die Halde, bevor er die Touristeninformation an der Ecke ansteuert. Die wahrscheinlich kleinste Touristeninformation einer deutschen Großstadt ist mit zwei Personen besetzt, deren Arbeit derart öde sein muss, dass sie nur unter Dauerstimulanz durch ein düdelndes Kofferradio zu ertragen ist. Viel zu tun gibt´s ohnehin nicht. Abstempeln von Frankfurt-Pässen für verbilligte Museumseintritte. Ausgabe von Stadtplänen.
Das ist ein großer Stadtplan mit Straßenverzeichnis. Und der ist eher touristischer Art.
Kultur ist Selbstversorgung. Werbezettel aus der entsprechenden Auslage klauben und Angebote vergleichen. Ortsfremd und unentschlossen. Wohin soll man gehen? Zu Hirtenweisen mit Gitarre und Englischhorn im Frankfurter Künstlerclub. Zu einem sonntäglichen Spaziergang auf den Spuren Goethes, bei dem - laut Faltblatt der veranstaltenden Kulturothek - allerhand Gretchenfragen beantwortet werden. Oder: Zur Plauderstunde mit dem pensionierten Bankfilialleiter Armin Baier, der im Frankfurter Erzählcafé auftritt. Titel der Veranstaltung: "Mit Sparbereitschaft zur Wohlstandsgesellschaft." - Klingt gut. Klingt Sachlich. Klingt ordentlich. Klingt so wie Frankfurt aussieht. Sparbereit. Aber nicht verlottert. Auf der Zeil wird gerade der als Punkertreff beliebte Brockhaus-Brunnen grundsaniert, seine feiste Figurenzier aus neoexpressiven Nackigen von allen Graffiti und Genitalbemalungen befreit, so dass das Prunkmöbel der Fußgängerzone bald wieder so blendend-banal strahlt, wie der Bildhauer Lutz Brockhaus es Anfang der konjunkturstarken 80er aus 30 Tonnen Carrara-Marmor rausgehauen hat. Das ist eine ordentliche Kulturerhaltungsmaßnahme. Und sachlich? Ist die Werbung am Schauspielhaus: "Ein Abonnement ist und bleibt die kostengünstigste Art eines Theaterbesuchs" lautet der spritzige Slogan, mit dem man auf die kommende Saison gespannt machen will. Auch an der Oper nebenan wird an professioneller Werbung gespart. "Entweder - Oper" kalauert es im Plakatkasten vor den Foyer-Türen. Deren Scheiben eine Woche nach Ende der Spielzeit schon staubblind sind. Aber: So spiegeln sie wenigstens nicht den notorisch kalten Glanz des Kapitals von den Bankenhochhäusern gegenüber wider. Wie auch andere Kulturorte Frankfurts von falschen Vorspiegelungen frei sind. Der 50er-Jahre-Kasten des Goethe-Museums hockt grau und verlassen im Schatten. Im Café "Dichtung und Wahrheit" nebenan kein Mensch. Weitgehend besucherfrei auch das Historische Museum, verwaist das Deutsche Architekturmuseum und das Museum für angewandte Kunst. Liegt es vielleicht an mangelnder Information? Die Homepage der Frankfurter Museen jedenfalls besteht aus nur einer Seite, auf der nur ein Satz zu lesen ist: Aus aktuellem Anlass sind wir gehalten, unser Angebot vorübergehend einzustellen.
Kulturkrisengebiet Frankfurt. Und die Feuilletonisten poetisieren den Verfall. Die Hanauer Landstraße - heißt es im lokalen Kulturteil der Frankfurter Rundschau über das ebendort gelegene Café-Theater "Romanfabrik" - "die Hanauer Landstraße wirkt an manchen Sommertagen wie ein Boulevard in einem apokalyptischen Süden, der vor langer Zeit aus der Mode kam und nun für seine Großartigkeit keine seriösen Zeugen mehr findet." Ende des Zitats. Und Schluss mit den leisen Tönen melancholischer Kulturabgesänge. Frankfurt ist laut. Weshalb die Straßenmusiker genötigt sind, zum Saxophon zu greifen, um sich gegen den Straßenlärm durchzusetzen.
Letzte privaten Kulturinitiativen, die laut von sich hören lassen. Und die öffentlichen? Nach der Entscheidung, sich nicht als Kulturhauptstadt Europas 2010 zu bewerben, konzentriert man sich aufs Kerngeschäft. Stadtkerngeschäft. Wo die Kultur noch nicht trockengelegt ist. Vor der Schirn Kunsthalle hüpfen Kunstbegeisterte durchs zickig spritzende Nass eines interaktiv reagierenden Brunnens, während Schüler der Musikschule von wunderbaren Melodien in der dritten Lage schwärmen.
Und in dieser ersten Lage städtischer Kultur sieht es in Frankfurt eigentlich noch ganz freundlich aus. So freundlich wie der Kellner im Museumscafé
Kellner: Schönen Tag wünsch ich Ihnen noch.
Und am Ende des Tages ist der Römerberg fast wieder müllfrei.
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So sieht´s aus. In Frankfurt. Erklärt ein Frankfurter seiner auswärtigen Begleitung und weist mit panoramisch weit ausholender Geste über die Halde, bevor er die Touristeninformation an der Ecke ansteuert. Die wahrscheinlich kleinste Touristeninformation einer deutschen Großstadt ist mit zwei Personen besetzt, deren Arbeit derart öde sein muss, dass sie nur unter Dauerstimulanz durch ein düdelndes Kofferradio zu ertragen ist. Viel zu tun gibt´s ohnehin nicht. Abstempeln von Frankfurt-Pässen für verbilligte Museumseintritte. Ausgabe von Stadtplänen.
Das ist ein großer Stadtplan mit Straßenverzeichnis. Und der ist eher touristischer Art.
Kultur ist Selbstversorgung. Werbezettel aus der entsprechenden Auslage klauben und Angebote vergleichen. Ortsfremd und unentschlossen. Wohin soll man gehen? Zu Hirtenweisen mit Gitarre und Englischhorn im Frankfurter Künstlerclub. Zu einem sonntäglichen Spaziergang auf den Spuren Goethes, bei dem - laut Faltblatt der veranstaltenden Kulturothek - allerhand Gretchenfragen beantwortet werden. Oder: Zur Plauderstunde mit dem pensionierten Bankfilialleiter Armin Baier, der im Frankfurter Erzählcafé auftritt. Titel der Veranstaltung: "Mit Sparbereitschaft zur Wohlstandsgesellschaft." - Klingt gut. Klingt Sachlich. Klingt ordentlich. Klingt so wie Frankfurt aussieht. Sparbereit. Aber nicht verlottert. Auf der Zeil wird gerade der als Punkertreff beliebte Brockhaus-Brunnen grundsaniert, seine feiste Figurenzier aus neoexpressiven Nackigen von allen Graffiti und Genitalbemalungen befreit, so dass das Prunkmöbel der Fußgängerzone bald wieder so blendend-banal strahlt, wie der Bildhauer Lutz Brockhaus es Anfang der konjunkturstarken 80er aus 30 Tonnen Carrara-Marmor rausgehauen hat. Das ist eine ordentliche Kulturerhaltungsmaßnahme. Und sachlich? Ist die Werbung am Schauspielhaus: "Ein Abonnement ist und bleibt die kostengünstigste Art eines Theaterbesuchs" lautet der spritzige Slogan, mit dem man auf die kommende Saison gespannt machen will. Auch an der Oper nebenan wird an professioneller Werbung gespart. "Entweder - Oper" kalauert es im Plakatkasten vor den Foyer-Türen. Deren Scheiben eine Woche nach Ende der Spielzeit schon staubblind sind. Aber: So spiegeln sie wenigstens nicht den notorisch kalten Glanz des Kapitals von den Bankenhochhäusern gegenüber wider. Wie auch andere Kulturorte Frankfurts von falschen Vorspiegelungen frei sind. Der 50er-Jahre-Kasten des Goethe-Museums hockt grau und verlassen im Schatten. Im Café "Dichtung und Wahrheit" nebenan kein Mensch. Weitgehend besucherfrei auch das Historische Museum, verwaist das Deutsche Architekturmuseum und das Museum für angewandte Kunst. Liegt es vielleicht an mangelnder Information? Die Homepage der Frankfurter Museen jedenfalls besteht aus nur einer Seite, auf der nur ein Satz zu lesen ist: Aus aktuellem Anlass sind wir gehalten, unser Angebot vorübergehend einzustellen.
Kulturkrisengebiet Frankfurt. Und die Feuilletonisten poetisieren den Verfall. Die Hanauer Landstraße - heißt es im lokalen Kulturteil der Frankfurter Rundschau über das ebendort gelegene Café-Theater "Romanfabrik" - "die Hanauer Landstraße wirkt an manchen Sommertagen wie ein Boulevard in einem apokalyptischen Süden, der vor langer Zeit aus der Mode kam und nun für seine Großartigkeit keine seriösen Zeugen mehr findet." Ende des Zitats. Und Schluss mit den leisen Tönen melancholischer Kulturabgesänge. Frankfurt ist laut. Weshalb die Straßenmusiker genötigt sind, zum Saxophon zu greifen, um sich gegen den Straßenlärm durchzusetzen.
Letzte privaten Kulturinitiativen, die laut von sich hören lassen. Und die öffentlichen? Nach der Entscheidung, sich nicht als Kulturhauptstadt Europas 2010 zu bewerben, konzentriert man sich aufs Kerngeschäft. Stadtkerngeschäft. Wo die Kultur noch nicht trockengelegt ist. Vor der Schirn Kunsthalle hüpfen Kunstbegeisterte durchs zickig spritzende Nass eines interaktiv reagierenden Brunnens, während Schüler der Musikschule von wunderbaren Melodien in der dritten Lage schwärmen.
Und in dieser ersten Lage städtischer Kultur sieht es in Frankfurt eigentlich noch ganz freundlich aus. So freundlich wie der Kellner im Museumscafé
Kellner: Schönen Tag wünsch ich Ihnen noch.
Und am Ende des Tages ist der Römerberg fast wieder müllfrei.
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