Michael Köhler: Ernst Benda. Er ist im Alter von 84 Jahren in Karlsruhe gestorben. Und dieser Jurist war jemand, der durchaus mit Heinrich Böll oder dem Philosophen Karl Jaspers leidenschaftlich den Disput suchte, über den Geist und Kurs der Republik stritt. Wohin treibt die Bundesrepublik, das fragte der Heidelberger Philosoph 1965. Frage deshalb jetzt an den Medienwissenschaftler Bernd Gäbler, früherer Direktor des Adolf-Grimme-Instituts in Marl: Ernst Benda, er war auch medienpolitisch aktiv, war Vorsitzender von Mediengremien, hat auf die öffentlichen Debatten vielfältig eingewirkt. Herr Gäbler, wie hat er das aus Ihrer Sicht getan?
Bernd Gäbler: Ja, hallo Herr Köhler! Er war 24 Jahre lang Vorsitzender des Medienrats in Berlin-Brandenburg. Da habe ich ihn auch kennengelernt, wie Sie sagten, als imposante und streitbare Persönlichkeit. Er war einerseits ein ganz strenger Logiker, durch und durch Jurist. Und dann, würde ich sagen, hat er immer wieder auf den öffentlichen Diskurs eingewirkt, nie im Sinne der Zensur, sondern der Debatte, vielleicht entlang eines Credos, wie er auch einen Grundgesetzkommentar von sich selber überschrieben hatte. Er hieß: 0der absolute Eigenwert des Menschen. Und ob er sich zu "Big Brother" oder zu der Ausstellung "Körperwelten" geäußert hat, das war immer die Maxime.
Köhler: Bei der Diskussion um die Verjährung oder die Notstandsgesetze, da hat er über Karlsruhe hinaus in die Gesellschaft Anstöße gegeben – wie hat er das gemacht?
Gäbler: Ich glaube wirklich einfach durch Streit. Also er ist hingegangen und hat sich mit Niklas Luhmann über Gentechnik gestritten. Er hat Heinrich Böll eingeladen zu sich und gesagt, lass uns einen ganzen Abend über die Notstandsgesetze streiten. Denn so sehr er Freiheitsfanatiker, könnte man fast sagen, war, war er immer gegen bindungslosen Individualismus. Er war ein Ordnungspolitiker, und das alles immer mit einem einerseits markanten Ton, andererseits einem trockenen Humor. Er war ein durch und durch gläubiger evangelischer Christ, er hat immer ausgestrahlt, auch wenn es um alles geht, es ist nicht alles, es gibt noch mehr.
Köhler: Sie sagen, es gibt diese wichtigen, klugen, man darf es so sagen, alten Köpfe wie den Linkskatholiken Ernst-Wolfgang Böckenförde, den Rechtsprotestanten Ernst Benda, der jetzt gestorben ist. Ist das ein Typus, der vielleicht heute kaum noch anzutreffen ist, also Jahrgänge, die den Krieg erlebt haben, Gefangenschaft? Wie haben Sie ihn persönlich erlebt?
Gäbler: Ich habe ihn wirklich als knorrig, imposant und ebenso unorthodox. Sie haben gesagt, er hat – das war sein erster großer Bundestagsauftritt – gegen die Verjährung von Naziverbrechen. Dann hat er aber auch ebenso energisch Recht sprechen müssen als Präsident des Verfassungsgerichts gegen die Klage der Familie Schleyer und eindeutig festgestellt, der Staat ist nicht erpressbar. Also mal in diese Richtung, mal in jene, von Schwangerschafts- bis Grundlagenvertrag Grundsatzurteile gefällt und die auch rechtsphilosophisch ausgearbeitet. Also ich fand wirklich, das ist ein auch hoch gebildeter Philosoph, strenger Jurist, gläubiger Christ in dieser unorthodoxen Zusammenstellung, ein Politikertypus, wie man ihn heute vergebens sucht.
Köhler: Ich darf Ihnen in diesem Moment ruhig einmal zustimmen, denn ich habe ihn ähnlich erlebt. Nach einer Karl-Jaspers-Konferenz in Heidelberg hatte ich ihn im Auto, und ich darf das voller Sympathie sagen, er war das, was man einen harten Hund nennen kann, jedenfalls in seinen Anschauungen.
Gäbler: Einerseits ja. Und hat er mir verraten, dass er – fast mit sentimentalem Ton verraten – dass er liebend gerne regierender Bürgermeister Berlins geworden wäre. Und er hatte auch 1984 kurz die Chance. Dann hat die dortige Berliner CDU ihn doch nicht nominiert.
Köhler: Herr Gäbler, ein Letztes für den Moment: Sie haben über ihn veröffentlicht, Sie haben ihn persönlich erlebt. Konnte er auch mal in einer Diskussion oder vielleicht währenddessen einmal eine Fünf gerade sein lassen, vielleicht mal eine Zigarre rausholen oder eine Flasche Wein zur Versöhnung aufmachen?
Gäbler: Fünf gerade sein lassen nie, für ihn galt wirklich das strenge Gesetz, A ist A und nicht A, etwas Schwebendes, Leichtes war ihm nicht eigen. Aber gepafft und geraucht hat er wie kein Zweiter. Er war 1977 Pfeifenraucher des Jahres, und das Rauchen war für ihn wie das Segeln eine Passion. Sie drückte, glaube ich, für ihn aus, Geselligkeit, die vereinbar war damit, immer auch eine sanfte Barriere zwischen sich und die anderen zu schieben.
Köhler: Bernd Gäbler, Medienwissenschaftler, zum Tod des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten und Bundesministers des Inneren, Ernst Benda. Vielen Dank, Herr Gäbler!
Gäbler: Ich danke.
Bernd Gäbler: Ja, hallo Herr Köhler! Er war 24 Jahre lang Vorsitzender des Medienrats in Berlin-Brandenburg. Da habe ich ihn auch kennengelernt, wie Sie sagten, als imposante und streitbare Persönlichkeit. Er war einerseits ein ganz strenger Logiker, durch und durch Jurist. Und dann, würde ich sagen, hat er immer wieder auf den öffentlichen Diskurs eingewirkt, nie im Sinne der Zensur, sondern der Debatte, vielleicht entlang eines Credos, wie er auch einen Grundgesetzkommentar von sich selber überschrieben hatte. Er hieß: 0der absolute Eigenwert des Menschen. Und ob er sich zu "Big Brother" oder zu der Ausstellung "Körperwelten" geäußert hat, das war immer die Maxime.
Köhler: Bei der Diskussion um die Verjährung oder die Notstandsgesetze, da hat er über Karlsruhe hinaus in die Gesellschaft Anstöße gegeben – wie hat er das gemacht?
Gäbler: Ich glaube wirklich einfach durch Streit. Also er ist hingegangen und hat sich mit Niklas Luhmann über Gentechnik gestritten. Er hat Heinrich Böll eingeladen zu sich und gesagt, lass uns einen ganzen Abend über die Notstandsgesetze streiten. Denn so sehr er Freiheitsfanatiker, könnte man fast sagen, war, war er immer gegen bindungslosen Individualismus. Er war ein Ordnungspolitiker, und das alles immer mit einem einerseits markanten Ton, andererseits einem trockenen Humor. Er war ein durch und durch gläubiger evangelischer Christ, er hat immer ausgestrahlt, auch wenn es um alles geht, es ist nicht alles, es gibt noch mehr.
Köhler: Sie sagen, es gibt diese wichtigen, klugen, man darf es so sagen, alten Köpfe wie den Linkskatholiken Ernst-Wolfgang Böckenförde, den Rechtsprotestanten Ernst Benda, der jetzt gestorben ist. Ist das ein Typus, der vielleicht heute kaum noch anzutreffen ist, also Jahrgänge, die den Krieg erlebt haben, Gefangenschaft? Wie haben Sie ihn persönlich erlebt?
Gäbler: Ich habe ihn wirklich als knorrig, imposant und ebenso unorthodox. Sie haben gesagt, er hat – das war sein erster großer Bundestagsauftritt – gegen die Verjährung von Naziverbrechen. Dann hat er aber auch ebenso energisch Recht sprechen müssen als Präsident des Verfassungsgerichts gegen die Klage der Familie Schleyer und eindeutig festgestellt, der Staat ist nicht erpressbar. Also mal in diese Richtung, mal in jene, von Schwangerschafts- bis Grundlagenvertrag Grundsatzurteile gefällt und die auch rechtsphilosophisch ausgearbeitet. Also ich fand wirklich, das ist ein auch hoch gebildeter Philosoph, strenger Jurist, gläubiger Christ in dieser unorthodoxen Zusammenstellung, ein Politikertypus, wie man ihn heute vergebens sucht.
Köhler: Ich darf Ihnen in diesem Moment ruhig einmal zustimmen, denn ich habe ihn ähnlich erlebt. Nach einer Karl-Jaspers-Konferenz in Heidelberg hatte ich ihn im Auto, und ich darf das voller Sympathie sagen, er war das, was man einen harten Hund nennen kann, jedenfalls in seinen Anschauungen.
Gäbler: Einerseits ja. Und hat er mir verraten, dass er – fast mit sentimentalem Ton verraten – dass er liebend gerne regierender Bürgermeister Berlins geworden wäre. Und er hatte auch 1984 kurz die Chance. Dann hat die dortige Berliner CDU ihn doch nicht nominiert.
Köhler: Herr Gäbler, ein Letztes für den Moment: Sie haben über ihn veröffentlicht, Sie haben ihn persönlich erlebt. Konnte er auch mal in einer Diskussion oder vielleicht währenddessen einmal eine Fünf gerade sein lassen, vielleicht mal eine Zigarre rausholen oder eine Flasche Wein zur Versöhnung aufmachen?
Gäbler: Fünf gerade sein lassen nie, für ihn galt wirklich das strenge Gesetz, A ist A und nicht A, etwas Schwebendes, Leichtes war ihm nicht eigen. Aber gepafft und geraucht hat er wie kein Zweiter. Er war 1977 Pfeifenraucher des Jahres, und das Rauchen war für ihn wie das Segeln eine Passion. Sie drückte, glaube ich, für ihn aus, Geselligkeit, die vereinbar war damit, immer auch eine sanfte Barriere zwischen sich und die anderen zu schieben.
Köhler: Bernd Gäbler, Medienwissenschaftler, zum Tod des früheren Verfassungsgerichtspräsidenten und Bundesministers des Inneren, Ernst Benda. Vielen Dank, Herr Gäbler!
Gäbler: Ich danke.