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Verfassungsschutz rechnet nicht mit Störung der WM durch Extremisten

Das Bundesamt für Verfassungsschutz geht davon aus, dass die Fußball-Weltmeisterschaft auch bis zu ihrem Ende nicht von Extremisten gestört wird. Dessen Präsident Heinz Fromm sagte im Deutschlandfunk, die Vorbereitungen aller beteiligten Behörden hätten sich bewährt. Anders als angekündigt, hätten rechtsextremistische Organisationen weitgehend darauf verzichtet, die WM für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

Moderation: Dieter Jepsen-Föge |
    Dieter Jepsen-Föge: Herr Fromm, heute in einer Woche endet die Fußball-Weltmeisterschaft. Fällt Ihnen ein Stein vom Herzen, wenn alle Gäste wieder wohlbehalten Deutschland verlassen haben?

    Heinz Fromm: Das sind für jemanden wie mich gemischte Gefühle. Zum einen freue ich mich natürlich wie alle anderen auch, dass so viele Gäste in Deutschland sind aus vielen Ländern und dass es allen ganz offensichtlich - oder den allermeisten - sehr gut gefällt. Auf der anderen Seite ist natürlich für jemanden wie mich eine gewisse Erleichterung dann vorhanden, wenn die Veranstaltungen ohne große Probleme über die Bühne gegangen sind. Wir haben uns natürlich - und mit "wir" meine ich die Sicherheitsbehörden - sehr intensiv auf dieses Ereignis vorbereitet, und das hat sich bewährt. Ich bin sehr froh, dass bisher die Dinge so friedlich vonstatten gegangen sind. Und ich bin zuversichtlich, dass das auch für den Rest der Weltmeisterschaft der Fall sein wird.

    Jepsen-Föge: Ja, bisher war alles sehr friedlich, abgesehen von ein paar Ausschreitungen von Hooligans. Hat Sie das eigentlich überrascht, denn vor Beginn der Weltmeisterschaft hatte man ja ganz viele Befürchtungen geäußert?

    Fromm: Ja sicher, Befürchtungen werden geäußert, weil natürlich schädigende Ereignisse bis hin zu Anschlägen denkbar sind und weil man bei den Vorbereitungen all das, was denkbar ist, mit einkalkulieren muss. Es wäre fahrlässig gewesen, wenn man die Zuversicht so weit getrieben hätte, dass man sich auf solche Dinge nicht präpariert hätte. Deswegen ist das geschehen, und natürlich gibt es dann den Eindruck vielleicht in der Öffentlichkeit, so etwas stünde unmittelbar bevor. Solche Missverständnisse sind dann unvermeidbar, aber die können nicht dazu führen, dass man sich nicht wirklich sorgfältig auf die Dinge vorbereitet.

    Jepsen-Föge: Nie zuvor hat es ja in Deutschland so viel schwarz-rot-goldene Begeisterung gegeben. Darüber wird in diesen Tagen viel diskutiert - über eine neue Form des Patriotismus oder vielleicht auch der Normalität. Umgekehrt gefragt: Sie beschäftigen sich ja auch mit der Ideologie, auch der Ideologie der Rechtsextremisten. Könnte das auch sein, dass dieses Gefühl, das da jetzt begeistert hochkommt, auch der Nährboden für einen neuen Nationalismus oder Rechtsextremismus wird?

    Fromm: Nein, das sehe ich überhaupt nicht . . .

    Jepsen-Föge: . . . oder gar das Gegenteil, weil es hier ein Ventil gibt?

    Fromm: Die letzte Frage vermag ich nicht zu beantworten, das muss man dann später vielleicht mal sehen. Jedenfalls kann ich überhaupt nicht bestätigen, es gibt überhaupt keinen Grund dafür, anzunehmen, dass diese Begeisterung, die sich auch ausdrückt in der Verwendung von Fahnen, dass die irgend etwas mit dem Nationalismus zu tun hat, mit dem wir uns in Bezug auf rechtsextremistische Parteien fortlaufend beschäftigen müssen. Das, was man in dem Zusammenhang feststellen kann, ist, dass entgegen mancher Ankündigung und auch entgegen unserer Erwartung bisher jedenfalls rechtsextremistische Organisationen weitgehend davon Abstand genommen haben, dieses Ereignis für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren.

    Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, das hat nach unserer Einschätzung sicher auch etwas damit zu tun, dass man von Seiten der rechtsextremistischen Organisationen, seitens der Neonazis befürchtet, noch stärker in Misskredit bei der Bevölkerung zu geraten oder ganz offensichtlich in Misskredit zu geraten, wenn man diese Feierlaune beeinträchtigt durch Demonstrationen, durch politische Aktionen. Und wenn das für den Rest - wovon ich ausgehe - so anhält, dann ist das eine gute Sache.

    Jepsen-Föge: Im vergangenen Jahr ist die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten um 24 Prozent angestiegen, so jedenfalls steht es auch im Verfassungsschutzbericht, den Sie vor einem Monat veröffentlicht haben. Aber es handelt sich dabei - so steht es auch darin - vor allem um Gewalt gegen vermeintliche oder tatsächliche Linksextremisten. Wer bekämpft da eigentlich wen?

    Fromm: Ja, man bekämpft sich gegenseitig sozusagen. Aus beiden Richtungen gibt es diese Aggressivität, vor allen Dingen bei öffentlichen Veranstaltungen von Rechtsextremisten. Dort finden Übergriffe statt von beiden Seiten. Die Zahl der Gewalttaten im Bereich des Linksextremismus ist auch sehr deutlich gestiegen, das hat damit ebenfalls etwas zu tun .

    Jepsen-Föge: Das heißt, beide schaukeln sich hoch ?

    Fromm: Ja. Man kann quasi die Uhr danach stellen, dass, wenn irgendwo ein Neonazi-Aufmarsch ist, es eine Gegendemonstration gibt, das ist natürlich legitim, aber dass häufig bei solchen Gegendemonstrationen auch Gewalt von einzelnen begangen wird, von kleinen Gruppen begangen wird gegen den politischen Gegner oder Feind, aber durchaus auch gegen Polizeikräfte. Und das sind diese Steigerungen, die wir in diesem Jahr festgestellt haben, jedenfalls zum wesentlichen Teil.

    Jepsen-Föge: Ist ein anderer Teil einfach die Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt, rassistischer Gewalt?

    Fromm: Die fremdenfeindliche Gewalt ist nach den polizeilichen Kriminalstatistiken im Vergleich von 2004 auf 2005 nicht gestiegen, aber sie hat ein immer noch zu hohes Niveau, und wir werden uns weiterhin dieser Sache sehr annehmen müssen. Es hat ja in letzter Zeit sehr bedauerliche und auch spektakuläre Einzeltaten gegeben, in Potsdam etwa, die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Und das sind Dinge, um die wir uns weiterhin sehr intensiv kümmern müssen. Jeder Fall ist einer zu viel. Das sind zum Teil schreckliche Verletzungen, und es hat in der Vergangenheit ja auch Tote gegeben. Das kann nicht hingenommen werden, und insofern muss alles getan werden von staatlicher Seite, aber auch aus der Gesellschaft heraus, damit das unterbunden werden kann.

    Jepsen-Föge:! Aber Sie sprechen von Einzeltaten. Sie würden nicht sagen, dass sie Beispiele für einen Trend sind?

    Fromm: Das ist keine organisierte Gewalt, das ist keine Gewalt, die ein erklärtes politisches Ziel verfolgt, wie wir es im Terrorismus etwa sehen. Es hat ja in Deutschland auch Terrorismus von rechts gegeben, den wir im Moment nicht sehen. Trotz des Falls in München vor geraumer Zeit, des Falls Wiese, gibt es aktuell keinen Rechtsterrorismus, Gott sei Dank. Diese Leute lehnen zwar Gewalt nicht von vornherein ab, sie haben ein taktisches Verhältnis zur Gewalt und sehen Gewalt zur Erreichung politischer Zwecke im Moment nicht als weiterführend an. Es gibt diese Gewalt, über die wir eben reden, aus dem Bereich einer subkulturellen Jugendszene, einer Skinheadszene, und sehr häufig sind solche Taten oder zumeist sind solche Taten Spontanhandlungen, nicht selten unter Alkoholeinfluss. Und da passieren schreckliche Sachen, und deswegen müssen die Sicherheitsbehörden versuchen, diese Szene unter Kontrolle zu halten.

    Jepsen-Föge: Herr Fromm, unmittelbar vor Beginn der Weltmeisterschaft, und jetzt komme ich zum letzten Mal auf die Weltmeisterschaft zurück, hatte es Warnungen an ausländische Fans vor "no go areas" gegeben, also es wurden ausländische Fans gewarnt, in bestimmte Gebiete zu gehen, weil sie dort gefährdet sind. War das alles übertrieben oder ist das jetzt nur durch den Jubel verdeckt? Gibt es tatsächlich so etwas wie ‚"o go areas". und wird es gefährlich oder gefährlicher für Ausländer oder für Menschen mit anderer Hautfarbe, sich dort hin zu begeben?

    Fromm: Ja, das ist so ein Begriff, der natürlich gerne genutzt wird, auch in der Öffentlichkeit für die Diskussion. Man muss zunächst einmal klären, was ist damit eigentlich gemeint, wenn man diesen Begriff "no go area" verwendet. Wenn damit gemeint sein sollte, dass es staatsfreie, rechtsfreie Räume sind, dann kann ich ganz eindeutig sagen, das gibt es in Deutschland nicht und das sehe ich auch nicht, dass sich so etwas in Deutschland entwickeln kann. Die Behörden sind aufmerksam, sie sind sehr intensiv dabei, Straftaten auch zu verhindern, auch Straftaten in diesem Bereich - also keine rechtsfreien Räume in Deutschland.

    Wenn damit gemeint sein sollte, dass es Gegenden, Orte gibt, wo es problematisch ist, für Farbige etwa, sich aufzuhalten, vielleicht auch zu Tageszeiten, also nicht tagsüber sondern nachts oder so, dann ist das eine realistische Betrachtung. In der Tat haben wir es mit einem Gewaltpotential zu tun, über das wir schon gesprochen haben, was durchaus eine Gefahr für solche Leute ist. Und dagegen muss vorgegangen werden. Und Vorsicht in diesem Zusammenhang ist sicher anzuraten. Das ist natürlich eine Sache, mit der man nicht zufrieden sein kann. Man muss hier alles dransetzen, dass solche Gewalt von vorneherein unterbunden wird. Und wenn ich die Bemerkung hinzufügen darf, das ist auch eine Angelegenheit für alle, nicht nur für die Sicherheitsbehörden, sondern es kommt darauf an, dass die Bevölkerung aufmerksam ist, Anzeige erstattet, die Polizei informiert, wenn derartige Dinge auffällig sind. Dann wird es auch gelingen, das weiter zurückzudrängen.

    Jepsen-Föge: Wir haben vorhin dargestellt, dass Gewalt zwischen Rechts- und Linksextremisten steigt und das eskaliert. Bei manchen Parolen, auch politischen Parolen, klingen ja Links- und Rechtsextremisten ähnlich. Es ist die Ablehnung, auch gegen die USA und Israel, es ist Kritik an der Globalisierung. Sind da die Gemeinsamkeiten zwischen Linksextremisten und Rechtsextremisten größer als die Unterschiede?

    Fromm: Es gibt keine ideologischen Gemeinsamkeiten. Das ist völlig unterschiedlich, nach wie vor. Und es gibt schon gar keine Kooperation, sondern es gibt eine ausgesprochene Gegnerschaft, eine ausgesprochene Feindschaft, die ja auch zu den schon erwähnten Gewalttaten geführt hat. Aber, sie haben Recht, die Wahrnehmung ist zutreffend, dass es gemeinsame Feindbilder gibt. Man ist antiamerikanisch, auf beiden Seiten. Jedenfalls, was den linksextremistischen Bereich angeht, ist das immer noch sozusagen die herrschende Meinung. Und man ist, was den Rechtsextremismus angeht, antisemitisch. Das ist eine Konstante im Bereich des Rechtsextremismus. Und auf der linken Seite gibt es Elemente, die man eher vielleicht als antizionistisch beschreiben könnte. Einen Nachweis, dass es dort einen Antisemitismus gibt, haben wir bisher jedenfalls für Deutschland nicht führen können. Aber es gibt, um das noch mal zu sagen, gemeinsame Feindbilder und auch in der Zwischenzeit durchaus gemeinsame Erscheinungsformen, etwa bei Demonstrationen. Mittlerweile haben wir sogar vereinzelt schwarze Blocks, die wir früher nur bei Autonomen gesehen haben, innerhalb von rechtsextremistischen Aufmärschen. Man kopiert auf der Seite der Rechtsextremisten etwas von dem politischen Gegner, um für junge Leute noch attraktiver zu sein. Das ist ein kleiner Trend, den wir in den letzten Jahren gesehen haben.

    Jepsen-Föge: Die größte rechtsextremistische Partei ist die NPD. Es hatte einen Verbotsantrag gegeben, damals unter Bundesinnenminister Otto Schily. Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, die NPD als verfassungsfeindliche Partei verbieten zu lassen. Was bedeutet das für Sie als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz? Ist es schwieriger, die NPD zu observieren, sie zu bekämpfen, dadurch, dass sie nicht verboten ist oder ist es vielleicht sogar leichter dadurch, denn es gab ja auch vorher immer Überlegungen, dass, wenn dann Menschen in die Illegalität gedrängt werden, dass es dann nur um so gefährlicher ist?

    Fromm: Immer wenn es um Organisationsverbote oder Parteiverbote geht, stellt sich die Frage für uns, wird es hinterher schwieriger, wenn das Verbot dann vollzogen ist? Und die Frage kann man theoretisch eigentlich so beantworten, dass es natürlich erst mal schwieriger würde oder in der Regel schwieriger ist, wenn ein Verbot erfolgt ist. Das ist ja ganz klar. Wenn man aus einer Organisation Informationen bekommen kann, dann reicht es, wenn man jemanden hat, der informiert über Zusammenkünfte und so weiter. Wenn diese Struktur nicht mehr vorhanden ist, ist es schwieriger, nach den Restbeständen zu schauen. Die Leute orientieren sich dann in unterschiedlicher Weise und man muss sehen, ob sie weiter rechtsextremistisch tätig sind, wo sie das tun. Das macht mehr Aufwand. Von daher ist unsere Arbeit immer einfacher, wenn wir es mit einer Organisation zu tun haben, die also feste Strukturen aufweist.

    Jepsen-Föge: Herr Fromm, es wird auch die PDS oder es werden einzelne Abgeordnete, auch Bundestagsabgeordnete der PDS beobachtet, sind sozusagen im Visier des Verfassungsschutzes. Daran gibt es immer wieder Kritik. Überschreitet da der Verfassungsschutz seine Befugnisse?

    Fromm: Ganz eindeutig nein. Wir arbeiten auf gesetzlicher Grundlage. Und wenn wir diese gesetzliche Grundlage anwenden, dann bedeutet das, dass Parteien, Organisationen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte - die Schwelle ist also sehr niedrig - bei denen tatsächliche Anhaltspunkte zu sehen sind für extremistische Bestrebungen, dass die dann von uns beobachtet werden. Bei der PDS, und das ist in der Verfassungsschutzberichten der letzten Jahre ausführlich dargestellt, haben wir es mit einer Partei zu tun, die ein sehr ambivalentes Bild bietet. Sie ist auf der einen Seite beteiligt an Landesregierungen etwa, und auf der anderen Seite, und das sind eben die tatsächlichen Anhaltspunkte, finden sich innerhalb dieser Partei extremistische Gruppierungen und Strukturen, die von der Partei nicht nur geduldet werden, sondern die auch unterstützt werden. Das wird innerparteilich Pluralismus genannt. Das ist ein Teil dieser tatsächlichen Anhaltspunkte.

    Deswegen schauen wir als Bundesamt nach der Bundespartei. Beobachtung meint in diesem Fall, auch das ist bekannt, dass wir dabei keine nachrichtendienstlichen Mittel anwenden, sondern die Beobachtung besteht in der Kenntnisnahme öffentlicher Äußerungen und in der Auswertung etwa des aktuellen Parteiprogramms. Das heißt, wir beobachten die Entwicklung der Partei. Es geht weniger um Einzelpersonen. Und zur Beobachtung in diesem Sinne gehört auch, dass führende Funktionäre, Repräsentanten der Partei, die öffentlich für die Partei auftreten, als Personen registriert werden. Es bedeutet nicht - ich hatte eben gesagt, es werden keine nachrichtendienstliche Mittel angewendet -, dass nun, und das mag der allgemeine Eindruck sein, dass nun hinter jeder Ecke ein Verfassungsschützer steht und guckt, wo Herr X oder Herr Y gerade hin geht, sondern es ist eine Beobachtung, wenn Sie so wollen, gewissermaßen aus großer Distanz. Wir sehen das, was jeder sieht und bewerten es. Und schließlich und letzte Bemerkung, ganz wichtig: Die freie Ausübung des Abgeordnetenmandats ist in gar keiner Weise dadurch beeinträchtigt.

    Jepsen-Föge: Herr Fromm, wie viel Gefahr geht eigentlich für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland von ausländischen Organisationen, vor allem von islamistischen Organisationen aus?

    Fromm: Es gibt eine erhebliche Gefahr in Westeuropa, und dazu gehört auch Deutschland, oder in Europa insgesamt durch islamistische Terroristen. Das ist, glaube ich, der Obersatz. Wir haben uns darauf einzustellen, dass es Menschen gibt, dass es Gruppen gibt, die den weltweiten Dschihad auch in Europa führen wollen. Und die Anschläge in London vor ziemlich genau einem Jahr oder der Anschlag in Madrid sind Beispiele dafür.

    Jepsen-Föge: Beispiele auch dafür, was in Deutschland passieren könnte?

    Fromm: Das sind Beispiele dafür, was in Westeuropa passieren kann und damit auch in Deutschland passieren könnte. Wir haben im Moment, das muss ich sofort hinzusetzen, keine Erkenntnisse, dass so etwas in Deutschland geplant wird. Aber wir setzen sehr viel Kraft ein, um diese verdächtigen Strukturen, diese gefährlichen Strukturen so weit es irgend geht aufzuklären. Das ist unser Schwerpunkt, im übrigen nicht die PDS.

    Jepsen-Föge: Bald jährt sich ja zum fünften Mal der Anschlag vom 11. September 2001 in New York und Washington. Wie gut ist eigentlich die internationale Zusammenarbeit bei der Abwehr des Terrorismus?

    Fromm: Die internationale Zusammenarbeit bei der Abwehr des internationalen Terrorismus ist von ganz entscheidender Bedeutung. Ohne sie funktioniert es nicht. Kein Land kann dieser Bedrohung allein gerecht werden, sondern die internationale Zusammenarbeit ist ein ganz wesentliches Element auch unserer Bemühungen. Die internationale Zusammenarbeit gibt es nicht erst seit dem 11.9., sondern die gibt es seit Jahrzehnten. In allen möglichen Bereichen, etwa im Bereich der Spionageabwehr hat sich seit vielen Jahrzehnten eine sehr enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt.

    Jepsen-Föge: Aber die Bedrohung ist natürlich sehr viel stärker. Und die Frage: Gibt es da eine angemessene Reaktion?

    Fromm: Bei der Terrorismusbekämpfung hat es auch in früheren Jahrzehnten eine Zusammenarbeit gegeben. Denken Sie an die 70er, 80er Jahre, wo es ja nicht nur in Deutschland einen linksextremistischen Terrorismus der RAF gegeben hat, sondern Ähnliches auch in Frankreich, in Spanien und in Italien. Auch da hat es eine enge Kooperation schon gegeben, und die Kooperation auch außerhalb Europas oder mit Ländern außerhalb Europas gibt es seit Jahrzehnten. Ich sage das, um deutlich zu machen, dass das für uns nichts Neues ist, sondern dass das eingeübte Prozeduren und Verfahren sind, und dass eine Vertrauensbasis da ist, die ganz wesentlich dafür ist, dass man sich Informationen überlässt, dass man Informationen miteinander teilt. Und darauf gründen wir auch jetzt die gemeinsamen Bemühungen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Diese Zusammenarbeit funktioniert aus meiner Sicht sehr gut.

    Jepsen-Föge: Würden Sie eigentlich, Herr Fromm, auch Informationen nutzen, die durch Folter erpresst worden sind? Da gab es ja immer mal wieder eine heftige Diskussion.

    Fromm: Also zunächst ist zu sagen: Wir sind natürlich bei unserem Rechtssystem nicht befugt, irgendwelche unangemessenen Methoden bei der Befragung von Menschen anzuwenden. Das Gleiche gilt für alle Sicherheitsbehörden in Deutschland, ob sie sich nun im Inland, das ist ja überwiegend der Fall, oder im Ausland betätigen. Mit solchen Fällen der Befragung im Ausland befasst sich ja jetzt ein Untersuchungsausschuss auch. Wenn Sie eine Information von einem ausländischen Dienst bekommen, der zu einem Land gehört, was nicht unseren rechtsstaatlichen Vorstellungen entspricht, dann sehen Sie dieser Information natürlich nicht an, wie sie gewonnen worden ist, sondern Sie nehmen diese Information entgegen. Und wenn sie von Relevanz ist, etwa im Zusammenhang mit der Verhinderung eines Ereignisses hier in Deutschland, dann müssen Sie diese Information auch nutzen.

    Jepsen-Föge: Selbst, wenn Sie Erkenntnisse darüber hätten, wie sie erpresst worden ist?

    Fromm: Ja. Ich kenne keine solchen Informationen, bei der ich sicher gewesen wäre, dass sie unter Folter erpresst worden ist. Dann würden wir diese Information auch anders bewerten als eine Information, die nur so kommt, ohne dass man erkennt, woher sie stammt. Wir müssen diese Informationen, die wir bekommen, die wir entgegennehmen, nutzen. Und natürlich ist das immer ein Problem im Umgang mit diesen Dingen. Wir würden natürlich auch immer versuchen, diese Information durch andere Dinge bestätigt zu bekommen oder sie zu prüfen, wie auch immer. Das gehört zum Handwerk dazu und das geschieht auch regelmäßig, aber wir können darauf nicht verzichten. Die Zusammenarbeit auch mit Ländern, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen, ist unverzichtbar.

    Jepsen-Föge: Derzeit tagt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes aufklären soll. Fürchten Sie eigentlich, ich frage das so allgemein, dass durch die Arbeit dieses Ausschusses die Arbeit der Geheimdienste, auch des Verfassungsschutzes, geschwächt wird?

    Fromm: Wir müssen abwarten, wie die Dinge weiter vonstatten gehen. Worauf zu achten sein wird, das ist jedenfalls unser Interesse, ist, dass nicht Informationen, die wir von Partnern bekommen haben, über den Untersuchungsausschuss gewissermaßen in die Öffentlichkeit geraten und dadurch Schäden entstehen, die womöglich nicht wieder gut zu machen sind. Mit Schäden meine ich Vertrauensverlust bei den Partnern, die sich darauf verlassen können müssen, dass die Informationen, die wir von ihnen vertraulich erhalten haben, auch vertraulich bleiben. Darauf wird, denke ich, in dem Untersuchungsausschuss auch geachtet. Ich vertraue darauf, dass dieses Problem allen Beteiligten auch bekannt ist.

    Jepsen-Föge: Wie viel Öffentlichkeit braucht die Demokratie und wie viel Öffentlichkeit erträgt der Verfassungsschutz? Das ist ja ein Spannungsverhältnis.

    Fromm: Ja sicher, das bleibt auch ein Spannungsverhältnis. Da müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Ich denke, wir haben in den letzten Jahren versucht, es beginnt schon in den 80er Jahren, uns mit unserer Arbeit der Öffentlichkeit zu präsentieren und haben das auch kontinuierlich ausgeweitet. Wir finden ein hohes Interesse in der Öffentlichkeit, was wir feststellen an der Zahl der Zugriffe auf unsere Homepage im Internet. Wir sind mit Ausstellungen zum Thema Extremismus bundesweit vertreten. Das heißt, es gibt drei Wanderausstellungen, die wir präsentieren. Es gibt eine Vielzahl von Veranstaltungen, die von Mitarbeitern etwa in Schulen oder an anderer Stelle bestritten werden. Wir stehen für Ihre Fragen zur Verfügung.

    Aber es wird immer ein Diskretionsbereich bleiben müssen, sonst können wir nicht arbeiten, sonst sind wir keine Partner für diejenigen, die wir für eine erfolgreiche Arbeit brauchen. Das liegt in der Natur der Sache. Wenn jemand bereit ist, als Quelle oder als V-Person oder wie immer Sie das nennen wollen, uns vertrauliche Informationen aus einem Bereich zu geben, der die Sicherheit unseres Landes gefährdet, dann müssen wir diese Vertraulichkeit auch wahren und dürfen diese Person, die sich uns anvertraut hat, nicht in Gefahr bringen. Das ist im Kern das, was bleiben muss und bleiben wird. Und hieraus resultiert natürlich ein Spannungsverhältnis, weil es etwa für Journalisten natürlich immer interessant ist, zu erfahren, wer liefert Informationen. Aber Journalisten verstehen unsere Arbeit besonders gut, weil auch sie das Prinzip des Quellenschutzes, manchmal sogar effektiver als wir, berücksichtigen bei ihrer Arbeit.

    Jepsen-Föge: Vielen Dank, Herr Fromm.