Ihr Name ist Henrietta Moraes. Und die Bilder, die Francis Bacon 1969 von ihr malt, erinnern an Erkennungsphotos der Polizei: Momentaufnahmen, die blitzlichtartig ein zerstörtes Gesicht beleuchten. Dunkles Haar rahmt Henriettas schiefes Grinsen, ihre Augen sind geschlossen, blutrot schimmert die Haut auf der rechten Wange, auf Nase und Kinn. Die andere Gesichtshälfte ist verschattet und fleckig, als hätten Faustschläge dort ihre Spuren hinterlassen.
Henrietta Moraes war Bacons Modell und eine seiner zahlreichen Zechkumpaninnen.
"Einige Modelle inspirieren Maler durch ihr Aussehen, andere durch ihre Persönlichkeit",. schrieb der Kunstkritiker Tim Hilton über die labile Künstlermuse.
"Henrietta war vorlaut, unmoralisch, eine Diebin, eine starke Trinkerin und eine Drogensüchtige. Doch sie war geistreich, wunderbar warmherzig und liebenswürdig. Ihre Anwesenheit in einem Raum vermittelte dir sofort, dass das Leben aufregender ist, als wir trüben Gestalten es uns vorstellen."
Selten malt Francis Bacon Fremde. Die Figuren auf seinen Bildern sind Freunde, Liebhaber und Malerkollegen. In sein Atelier lädt Bacon sie aber nicht ein. Der Kurator Christoph Heinrich:
"Bacon hat lieber nach Photos gearbeitet als nach dem Modell. Er hat irgendwann mal gesagt, dass ihn die Anwesenheit des Modells stören würde beim Malen, weil er dann nicht so frei mit dem Konterfei des anderen umgehen kann. Und er war sich auch durchaus bewusst, dass seine Modelle diesen extremen expressiven Umgang mit dem Gesicht manchmal auch als verletzend empfunden haben können."
Zum anderen, so Heinrich, zerknickte und zerknautschte der Künstler die Photos und übertrug die deformierten Köpfe eins zu eins auf die Leinwand. Mitsamt aller Knicke, Risse und Flecken. Einige der lädierten Photos aus seinem Atelier liegen jetzt in den Vitrinen der Kunsthalle. Bis Mitte der 50er Jahre malt Bacon vor allem mit dem Pinsel, später schleudert, massiert und knetet er die Farbe mit den Händen in die Leinwand, Spuren seines Pullovers zeigen, dass er dabei den ganzen Körper zum Einsatz brachte. Bestimmte Themen haben den Künstler sein Leben lang beschäftigt. Schon in den 40er und 50er Jahren malt er ausschließlich Einzelportraits. Einsame Wesen wie die Businessmänner in ihren dunklen Anzügen. Bacon isoliert sie in Käfigen aus senkrechten Pinselstrichen und macht sie zu Gefangenen ihrer Institutionen, ihrer eigenen Position. Menschen, die allein sind mit ihren Leidenschaften, ihren Ängsten und ihrer Wut.
"Bei zwei Figuren, die erzählen sich was, die setze ich automatisch als Betrachter in eine Beziehung. Und das ist etwas, was für Bacon ein zentrales Anliegen war: Er wollte mit der Malerei keine Geschichte erzählen. Er sagt mehrfach, dass es ihm ganz wichtig war, eine Malerei zu entwickeln, die nichts Narratives hat, sondern die existentiell ist. "
Selbst im Dreierbildnis bleiben die Figuren allein. Bacon wählt die die Form des Tryptichons: Drei einzelne Gemälde, auf denen die Menschen durch breite Bilderrahmen von einander getrennt sind. Erst nach dem Tod seines Freundes George Dyer durchbricht Bacon dieses Prinzip und setzt sein eigenes Konterfei - als Bild im Bild - über das Aktportrait seines Liebhabers. Der Moment, den Dyer sich für seinen Selbstmord gewählt hat, hätte dramatischer nicht sein können, meint Ausstellungskurator Christoph Heinrich:
"Bacon hatte es geschafft. Anfang der 70er Jahre hatte er das, worauf damals eigentlich jeder Maler gehofft hat: Die große Retrospektive in Paris im Grand Palais. Das war für den durchaus seit 20 Jahren schon erfolgsverwöhnten Maler ein Höhepunkt. Und am Vorabend der großen Retrospektive bringt sich George Dyer um. Eine Überdosis Medikamente, Alkohol, Schlaftabletten. Bacon hat das enorm mitgenommen. Er hat sich das nicht anmerken lassen. Er hat irgendwelche flapsigen Bemerkungen gemacht, von denen Leute sehr erschüttert waren. Aber es ist ihm sehr nahe gegangen. Er hat das eigentlich zehn Jahre lang in seinen Bildern verarbeitet."
Der Tod ist ein der Thema, das sich - ebenso wie Einsamkeit und Isolation - durch Bacons Werk zieht. Ein blauvioletter Schimmer lässt die Haut seiner Figuren wie verdorbenes Fleisch aussehen, blinde Spiegel symbolisieren Vergänglichkeit. Das letzte Portrait, das der Künstler vor seinem Tod 1992 gemalt hat, ist ein Selbstbildnis: Bacons Figur verschwindet in einem dunklen Gang, zurück bleibt nur die Reflektion seines Körpers.
"Ein Zitat, das ich besonders schön finde, ist wie Bacon sagt: "Ach, wissen Sie, am besten gefällt mir, was Jean Cocteau einmal gesagt hat: Ich sehe im Spiegel den Tod jeden Tag am Werk. Und dann fügt Bacon noch ganz trocken hinzu: So geht es halt jedem.""
Christoph Heinrich und Andrea Rose haben 52 Gemälde aus Museen auf der ganzen Welt zusammengetragen. Darunter ein Portrait aus dem Iran: Der Schah hatte das Bild für seine Privatsammlung erworben. Jetzt wird es zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Kuratoren setzen ganz auf die Malerei. Keine farbig getünchten Wände, keine Inszenierung der Räume. Die Bilder hängen in chronologischer Reihenfolge auf kalkweißen Museumsmauern, jedes einzelne von einem Scheinwerfer in Licht getaucht. In einer anderen Ausstellung wäre dieses Konzept nüchtern und einfallslos. Aber Bacon braucht nicht mehr zu wirken.
Henrietta Moraes war Bacons Modell und eine seiner zahlreichen Zechkumpaninnen.
"Einige Modelle inspirieren Maler durch ihr Aussehen, andere durch ihre Persönlichkeit",. schrieb der Kunstkritiker Tim Hilton über die labile Künstlermuse.
"Henrietta war vorlaut, unmoralisch, eine Diebin, eine starke Trinkerin und eine Drogensüchtige. Doch sie war geistreich, wunderbar warmherzig und liebenswürdig. Ihre Anwesenheit in einem Raum vermittelte dir sofort, dass das Leben aufregender ist, als wir trüben Gestalten es uns vorstellen."
Selten malt Francis Bacon Fremde. Die Figuren auf seinen Bildern sind Freunde, Liebhaber und Malerkollegen. In sein Atelier lädt Bacon sie aber nicht ein. Der Kurator Christoph Heinrich:
"Bacon hat lieber nach Photos gearbeitet als nach dem Modell. Er hat irgendwann mal gesagt, dass ihn die Anwesenheit des Modells stören würde beim Malen, weil er dann nicht so frei mit dem Konterfei des anderen umgehen kann. Und er war sich auch durchaus bewusst, dass seine Modelle diesen extremen expressiven Umgang mit dem Gesicht manchmal auch als verletzend empfunden haben können."
Zum anderen, so Heinrich, zerknickte und zerknautschte der Künstler die Photos und übertrug die deformierten Köpfe eins zu eins auf die Leinwand. Mitsamt aller Knicke, Risse und Flecken. Einige der lädierten Photos aus seinem Atelier liegen jetzt in den Vitrinen der Kunsthalle. Bis Mitte der 50er Jahre malt Bacon vor allem mit dem Pinsel, später schleudert, massiert und knetet er die Farbe mit den Händen in die Leinwand, Spuren seines Pullovers zeigen, dass er dabei den ganzen Körper zum Einsatz brachte. Bestimmte Themen haben den Künstler sein Leben lang beschäftigt. Schon in den 40er und 50er Jahren malt er ausschließlich Einzelportraits. Einsame Wesen wie die Businessmänner in ihren dunklen Anzügen. Bacon isoliert sie in Käfigen aus senkrechten Pinselstrichen und macht sie zu Gefangenen ihrer Institutionen, ihrer eigenen Position. Menschen, die allein sind mit ihren Leidenschaften, ihren Ängsten und ihrer Wut.
"Bei zwei Figuren, die erzählen sich was, die setze ich automatisch als Betrachter in eine Beziehung. Und das ist etwas, was für Bacon ein zentrales Anliegen war: Er wollte mit der Malerei keine Geschichte erzählen. Er sagt mehrfach, dass es ihm ganz wichtig war, eine Malerei zu entwickeln, die nichts Narratives hat, sondern die existentiell ist. "
Selbst im Dreierbildnis bleiben die Figuren allein. Bacon wählt die die Form des Tryptichons: Drei einzelne Gemälde, auf denen die Menschen durch breite Bilderrahmen von einander getrennt sind. Erst nach dem Tod seines Freundes George Dyer durchbricht Bacon dieses Prinzip und setzt sein eigenes Konterfei - als Bild im Bild - über das Aktportrait seines Liebhabers. Der Moment, den Dyer sich für seinen Selbstmord gewählt hat, hätte dramatischer nicht sein können, meint Ausstellungskurator Christoph Heinrich:
"Bacon hatte es geschafft. Anfang der 70er Jahre hatte er das, worauf damals eigentlich jeder Maler gehofft hat: Die große Retrospektive in Paris im Grand Palais. Das war für den durchaus seit 20 Jahren schon erfolgsverwöhnten Maler ein Höhepunkt. Und am Vorabend der großen Retrospektive bringt sich George Dyer um. Eine Überdosis Medikamente, Alkohol, Schlaftabletten. Bacon hat das enorm mitgenommen. Er hat sich das nicht anmerken lassen. Er hat irgendwelche flapsigen Bemerkungen gemacht, von denen Leute sehr erschüttert waren. Aber es ist ihm sehr nahe gegangen. Er hat das eigentlich zehn Jahre lang in seinen Bildern verarbeitet."
Der Tod ist ein der Thema, das sich - ebenso wie Einsamkeit und Isolation - durch Bacons Werk zieht. Ein blauvioletter Schimmer lässt die Haut seiner Figuren wie verdorbenes Fleisch aussehen, blinde Spiegel symbolisieren Vergänglichkeit. Das letzte Portrait, das der Künstler vor seinem Tod 1992 gemalt hat, ist ein Selbstbildnis: Bacons Figur verschwindet in einem dunklen Gang, zurück bleibt nur die Reflektion seines Körpers.
"Ein Zitat, das ich besonders schön finde, ist wie Bacon sagt: "Ach, wissen Sie, am besten gefällt mir, was Jean Cocteau einmal gesagt hat: Ich sehe im Spiegel den Tod jeden Tag am Werk. Und dann fügt Bacon noch ganz trocken hinzu: So geht es halt jedem.""
Christoph Heinrich und Andrea Rose haben 52 Gemälde aus Museen auf der ganzen Welt zusammengetragen. Darunter ein Portrait aus dem Iran: Der Schah hatte das Bild für seine Privatsammlung erworben. Jetzt wird es zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Kuratoren setzen ganz auf die Malerei. Keine farbig getünchten Wände, keine Inszenierung der Räume. Die Bilder hängen in chronologischer Reihenfolge auf kalkweißen Museumsmauern, jedes einzelne von einem Scheinwerfer in Licht getaucht. In einer anderen Ausstellung wäre dieses Konzept nüchtern und einfallslos. Aber Bacon braucht nicht mehr zu wirken.