Schon von weitem hört man das Geschrei von Hitler:
" Als Führer und Kanzler der deutschen Nation melde ich jetzt vor der deutschen Geschichte den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich."
Filmdokumente, Tondokumente - man mag gar nicht zählen, wie viel Führer im Museum ist.
Andrea Mork:
" Der Nationalsozialismus steht im Zentrum der Ausstellung - das ist richtig. Denn auch nach 1945 ist das die Frage, der wunde Punkt in den Beziehungen."
Eine Jahrhunderte lange Geschichte und ein wunder Punkt? Nein, die Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich sind viel abgründiger und komplizierter - das hat die Kuratorin dieser Schau, Andrea Mork, durchaus erfahren. Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen bekanntlich schon durch die gemeinsame Sprache. Das ist zwar nicht von Karl Kraus, obwohl es immer behauptet wird, aber wahr ist es allemal. Wer will, kann in der Ausstellung sein Vokabelwissen testen: Was zum Beispiel ist ein Damian? Oder was bedeutet es, wenn ein Österreicher sagt, er werde sich jetzt zupfen? Verdünnisieren wäre wohl das deutsche Wort.
Deutsche Wörter, deutsche Sprache - die verschlägt es manchem Österreicher, wenn in Deutschland ein Sammelband "Deutschland erzählt" erscheint mit dem Untertitel "Von Rainer Maria Rilke bis Peter Handke". So geschehen Mitte der siebziger Jahre. Zwanzig Jahre vorher wehrte man sich in Österreich heftig gegen die sprachliche Vereinnahmung; ja man war nach Kriegsende so sehr gegen alles Deutsche, dass man nicht einmal das Schulfach Deutsch bestehen lassen wollte - in den Zeugnissen stand statt dessen "Unterrichtssprache".
Das hat sich zwar gründlich geändert, aber eine gewisse Anti-Haltung ist geblieben. Der Schriftsteller, Schauspieler und Kabarettist Werner Schneyder in seiner Eröffnungsrede:
" Österreich besteht auf dem Vorhandensein österreichischer Kultur. Aber unter der Voraussetzung: sie muss nach Deutschland exportierbar sein. Mehr noch: sie muss so sein, dass die Deutschen sie als deutsche Kultur beanspruchen und definieren, um den Österreichern die Chance zur Richtigstellung zu geben."
Er hat den Ausstellungstitel "Verfreundete Nachbarn" gewissermaßen schon immer verkörpert.
" Ich habe mich eigentlich immer als österreichisch-deutscher Doppelagent begriffen und am Nichtwiederanschluss gearbeitet."
Aber die Sprache! Als die Republik Österreich im Mai 1955 neu gründet wurde, gab es ein Festessen für die Unterzeichner des Staatsvertrags. Zum ausgestellten Originalgedeck gehört ein halbmondförmiges Teller (in Österreich ein Neutrum), das wahrhaftig "Anschlussteller" heißt.
Und dann sind da die Kulturbeziehungen aus jüngerer Vergangenheit. 1988 wurde Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" am Wiener Burgtheater uraufgeführt.
Claus Peymann, der damalige Burgtheater-Intendant, bekam nach der Premiere eine Karte, auf der stand: "Verlassen Sie bitte Wien, machen Sie Ihr Theater woanders." Unterschrieben von Maria Asanger, befindet sich die Karte jetzt in der Ausstellung - als Dokument der Dumpfheit. Ob die Absenderin dazu ihr Einverständnis erteilt habe, ist eine Frage, mit der man sich im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland allerdings noch nicht beschäftigt hat. Andrea Mork:
" Hm - das weiß ich nicht. Nein, das haben wir nicht recherchiert. Wir haben diese Objekte von Peymann aus dem Archiv des Burgtheaters erhalten und so gesehen sind sie freigegeben für die Ausstellung. Wir werden das noch mal prüfen."
Im Katalog aber hat irgendwer den Namen der ahnungslosen Briefschreiberin schon mal vorsichtshalber abgedeckt.
Sigmund Freud und die Verdrängung, der von Zwangsarbeitern erbaute Staudamm von Kaprun, der österreichische Ingenieur Ferdinand Porsche, der den Volkswagen konstruierte, die Heimatfilme und der Tourismus - man kann die deutsch-österreichischen Beziehungen im Kaleidoskop dieser Ausstellung betrachten wie man will, es kommt immer ein etwas hässliches, etwas hysterisches und etwas humoristisches Bild dabei heraus. Noch einmal Andrea Mork:
" Die Deutschen fahren nach Österreich, weil sie da Idylle, Heimat, ungebrochene Tradition finden - all das, was ihnen im eigenen Land ja abhanden gekommen ist. In Deutschland gibt es härtere Traditionsbrüche nach 45 als in Österreich."
" Als Führer und Kanzler der deutschen Nation melde ich jetzt vor der deutschen Geschichte den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich."
Filmdokumente, Tondokumente - man mag gar nicht zählen, wie viel Führer im Museum ist.
Andrea Mork:
" Der Nationalsozialismus steht im Zentrum der Ausstellung - das ist richtig. Denn auch nach 1945 ist das die Frage, der wunde Punkt in den Beziehungen."
Eine Jahrhunderte lange Geschichte und ein wunder Punkt? Nein, die Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich sind viel abgründiger und komplizierter - das hat die Kuratorin dieser Schau, Andrea Mork, durchaus erfahren. Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen bekanntlich schon durch die gemeinsame Sprache. Das ist zwar nicht von Karl Kraus, obwohl es immer behauptet wird, aber wahr ist es allemal. Wer will, kann in der Ausstellung sein Vokabelwissen testen: Was zum Beispiel ist ein Damian? Oder was bedeutet es, wenn ein Österreicher sagt, er werde sich jetzt zupfen? Verdünnisieren wäre wohl das deutsche Wort.
Deutsche Wörter, deutsche Sprache - die verschlägt es manchem Österreicher, wenn in Deutschland ein Sammelband "Deutschland erzählt" erscheint mit dem Untertitel "Von Rainer Maria Rilke bis Peter Handke". So geschehen Mitte der siebziger Jahre. Zwanzig Jahre vorher wehrte man sich in Österreich heftig gegen die sprachliche Vereinnahmung; ja man war nach Kriegsende so sehr gegen alles Deutsche, dass man nicht einmal das Schulfach Deutsch bestehen lassen wollte - in den Zeugnissen stand statt dessen "Unterrichtssprache".
Das hat sich zwar gründlich geändert, aber eine gewisse Anti-Haltung ist geblieben. Der Schriftsteller, Schauspieler und Kabarettist Werner Schneyder in seiner Eröffnungsrede:
" Österreich besteht auf dem Vorhandensein österreichischer Kultur. Aber unter der Voraussetzung: sie muss nach Deutschland exportierbar sein. Mehr noch: sie muss so sein, dass die Deutschen sie als deutsche Kultur beanspruchen und definieren, um den Österreichern die Chance zur Richtigstellung zu geben."
Er hat den Ausstellungstitel "Verfreundete Nachbarn" gewissermaßen schon immer verkörpert.
" Ich habe mich eigentlich immer als österreichisch-deutscher Doppelagent begriffen und am Nichtwiederanschluss gearbeitet."
Aber die Sprache! Als die Republik Österreich im Mai 1955 neu gründet wurde, gab es ein Festessen für die Unterzeichner des Staatsvertrags. Zum ausgestellten Originalgedeck gehört ein halbmondförmiges Teller (in Österreich ein Neutrum), das wahrhaftig "Anschlussteller" heißt.
Und dann sind da die Kulturbeziehungen aus jüngerer Vergangenheit. 1988 wurde Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" am Wiener Burgtheater uraufgeführt.
Claus Peymann, der damalige Burgtheater-Intendant, bekam nach der Premiere eine Karte, auf der stand: "Verlassen Sie bitte Wien, machen Sie Ihr Theater woanders." Unterschrieben von Maria Asanger, befindet sich die Karte jetzt in der Ausstellung - als Dokument der Dumpfheit. Ob die Absenderin dazu ihr Einverständnis erteilt habe, ist eine Frage, mit der man sich im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland allerdings noch nicht beschäftigt hat. Andrea Mork:
" Hm - das weiß ich nicht. Nein, das haben wir nicht recherchiert. Wir haben diese Objekte von Peymann aus dem Archiv des Burgtheaters erhalten und so gesehen sind sie freigegeben für die Ausstellung. Wir werden das noch mal prüfen."
Im Katalog aber hat irgendwer den Namen der ahnungslosen Briefschreiberin schon mal vorsichtshalber abgedeckt.
Sigmund Freud und die Verdrängung, der von Zwangsarbeitern erbaute Staudamm von Kaprun, der österreichische Ingenieur Ferdinand Porsche, der den Volkswagen konstruierte, die Heimatfilme und der Tourismus - man kann die deutsch-österreichischen Beziehungen im Kaleidoskop dieser Ausstellung betrachten wie man will, es kommt immer ein etwas hässliches, etwas hysterisches und etwas humoristisches Bild dabei heraus. Noch einmal Andrea Mork:
" Die Deutschen fahren nach Österreich, weil sie da Idylle, Heimat, ungebrochene Tradition finden - all das, was ihnen im eigenen Land ja abhanden gekommen ist. In Deutschland gibt es härtere Traditionsbrüche nach 45 als in Österreich."