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Vergangenheit überwunden

Am 21. Januar 1997 unterzeichneten die Regierungschefs Vaclav Klaus und Helmut Kohl die Deutsch-Tschechische Erklärung. Ziel war es, die geschichtlich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen auf eine neue Ebene zu stellen.

Von Peter Hornung und Bernd Kallina |
    "Kurz vor dem Ende des Jahrhunderts und mehr als 50 Jahre nach dem Krieg ist die gemeinsame Erklärung, die wir soeben unterzeichnet haben, für unsere beiden Völker ein großer Schritt nach vorn. Wir wollen unser Verhältnis zueinander im Geist guter Nachbarschaft und des friedlichen Miteinanders in Europa weiterentwickeln. Wir können die Gegenwart nur verstehen und die Zukunft nur gestalten, wenn wir uns gemeinsam der Vergangenheit stellen."

    Bundeskanzler Helmut Kohl am 21. Januar 1997 im Liechtenstein-Palais von Prag nach der Unterzeichnung der Deutsch-Tschechischen Erklärung. Morgen jährt sich also zum zehnten Mal dieser Tag der Unterzeichnung eines ungewöhnlichen Dokuments. Ziel der Bonn-Prager Regierungsakteure war, die geschichtlich belasteten Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen auf eine neue, vor allem zukunftsgerichteten Ebene zu stellen. Die auch Versöhnungserklärung genannte Deklaration war formal gesehen kein völkerrechtlicher Vertrag, wie zum Beispiel der deutsch-tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag von 1992, sie war vielmehr in den Worten von Vaclav Klaus, 1997 tschechischer Ministerpräsident:

    "eine resolute beiderseitige Erklärung darüber, wie wir die Vergangenheit sehen und, vor allem, wie wir uns die Zukunft wünschen."

    Und besagte Zukunft sollte eben nicht mehr mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belastet werden, wie es in Ziffer 4 der Erklärung heißt. Die sich fast zwei Jahre hinziehenden Bonn-Prager Verhandlungen bis zur Unterschriftsreife waren schwierig. Denn so sehr man sich auch der historischen Problemlasten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu entledigen trachtete, als Stichworte seien hier genannt: Missachtung des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg, militärische Besetzung und Zerschlagung des tschechoslowakischen Staates durch den Nationalsozialismus, Vertreibung der Sudetendeutschen im Gefolge des Zweiten Weltkrieges aus ihren jahrhundertealten Siedlungsgebieten, die Prägewirkungen der tragischen Ereignisse waren nicht einfach "wegzuerklären", sollten aber ihre vor allem bei den Opfergruppen bisweilen dominierenden Fixierungen allmählich verlieren. Das war der Sinn der zukunftsorientierten Deklaration. Selbst führende Repräsentanten der erklärungskritisch eingestellten Sudetendeutschen Landsmannschaft haben sich inzwischen auf die positiven Aspekte der in den letzten Jahren eingetretenen Entwicklung konzentriert, ohne allerdings auf kritische Einwände zu verzichten. Der derzeitige Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Johann Böhm, bis 2003 Präsident des bayerischen Landtags in München:

    "Es gibt nichts, das nur positive und nur schlechte Seiten hätte. Das gilt natürlich auch für die deutsch-tschechische Erklärung. Aber eine Problematik besteht, und die will ich zitieren mit den Worten von Doleshal, der einst Berater von Vaclav Klaus war, der gesagt hat: 'In der deutsch-tschechischen Erklärung sind die Sudetendeutschen für nicht existent erklärt worden.' Und das ist das Problem."


    Wie werden die deutsch-tschechischen Beziehungen anlässlich des zehnten Jahrestages der gemeinsamen Erklärung heute im Nachbarland an der Moldau gesehen? Dazu der Bericht des Prager ARD-Korrespondenten Peter Hornung.

    Es war ein kleiner Mann mit Schnurrbart, der seinen Landsleuten etwas sagte, was ihnen so noch nie einer in dieser Position gesagt hatte. Vaclav Havel hieß dieser Mann, und er war Staatspräsident der neuen, demokratischen Tschechoslowakei.

    "Es war keine Strafe, sondern Rache. Mehr noch, wir haben die Deutschen nicht wegen erwiesener individueller Schuld vertrieben, sondern als Angehörige eines bestimmten Volkes. Wir haben damit vielen unschuldigen Menschen Unrecht getan, hauptsächlich Frauen und Kindern."

    Eine neue Sicht auf die eigene Geschichte brachte Havel seinen Landsleuten damit näher, Anfang 1990 ein äußerst mutiger Schritt, einer, der ihm viel Kritik einbrachte. Die Vertreibung der Deutschen sei eine gerechte Strafe gewesen für das, was sie den Tschechen zuvor angetan hätten: Besetzung, Gewaltherrschaft, Zwangsarbeit und Holocaust. Die Tschechen selbst, was sie danach auch immer getan haben sollten, treffe keine Schuld. Eine Geschichtsinterpretation, die den Dialog mit dem Nachbarn im Westen immer wieder schwer machte. Havels Worte seien nötig gewesen, sagt der Christdemokrat Petr Pithart, aber auf Dauer brauchte es etwas Handfestes, etwas Schriftliches:

    "Es war tatsächlich nötig, eine Wende einzuleiten, um es zu ermöglichen, ohne Befürchtungen in die Vergangenheit zu schauen und sich tatsächlich der Zukunft zuzuwenden. Das kann man nicht machen durch eine Äußerung eines Staatsmannes. Es war notwendig, etwas auch unter Schwierigkeiten auszuarbeiten."

    Gut fünf Jahre nach Havels Rede, im Juni 1995, nahm man die Verhandlungen auf und arbeitete an einem gemeinsamen Text. An manchen Stellen rang man um jedes Wort, sagt Petr Pithart, damals Vorsitzender der zweiten Kammer des tschechischen Parlaments, des Senats:

    "Das waren die Worte, die bewerteten, was bei uns nach dem Krieg passierte. Vyhnaní, Vertreibung, vyhaneni, das Vertreiben, erst wilder und dann der organisierte Abschub, odsun. Das war das Schwierigste, weil das Thema tabuisiert war in der Tschechischen Republik. In der alten Tschechoslowakei hatte diese Debatte nur eine kleine Gruppe von Dissidenten geführt, und trotzdem haben wir das geschafft. Ich bin einfach stolz darauf, dass ich dabei war und dass meine Stimme zu hören war. Ich erinnere mich sehr gut, dass die Arbeit am Text der Deklaration außerordentlich lang und kompliziert war. Aber das Ergebnis war es wert."

    Schon vor der Unterzeichnung hagelte es öffentlich Kritik am Text, vor allem von Teilen der linken Opposition und von Verbänden ehemaliger Widerstandskämpfer. Auf den Befürwortern der Deklaration lastete großer Druck. Und so war es den Tschechen besonders wichtig, dass die Vertreibung der Sudetendeutschen, sollte sie denn als solche bezeichnet werden, dass diese Vertreibung als Folge der Nazi-Herrschaft dargestellt wurde. Die Deutschen wiederum bestanden darauf, dass die Tschechen nicht nur die Gewaltexzesse während der Vertreibung, sondern die Vertreibung an sich als Unrecht bezeichneten.

    "Von beiden Seiten war Mut nötig, um das, was die Vergangenheit betrifft, mit sehr klaren Worten zu formulieren. Die deutsche Seite hat festgestellt, dass die grundsätzliche Verantwortung für alles, was passierte, auch das, was danach bei uns passierte unmittelbar nach dem Krieg, dass diese grundsätzliche Verantwortung der Nationalsozialismus trägt. Das war eine große Erleichterung für viele unserer Menschen, die das nicht geglaubt haben und die das nie erwartet hätten, dass so ein Satz ausgesprochen wird. Deshalb hatte die tschechische Seite danach die Möglichkeit, ein aufrichtiges Bedauern zu äußern, über das, was nach dem Krieg passierte. Aber vorher musste eben dieser Satz kommen."

    Am 21. Januar 1997 war es so weit, im Prager Liechtenstein-Palais, um kurz nach vier Uhr nachmittags unterzeichneten die Regierungschefs beider Länder, Vaclav Klaus und Helmut Kohl, die Deutsch-Tschechische Erklärung.

    Die Tinte war noch nicht trocken, da sprach Tschechiens Ministerpräsident Václav Klaus schon über die Differenzen, die es noch immer gebe. Er warnte ausdrücklich davor, die Gewaltherrschaft der Deutschen und die Vertreibung durch die Tschechen gleichzusetzen.

    "Der Text verbirgt nicht, dass die Ansichten zu einigen Fragen in beiden Ländern unterschiedlich bleiben. Doch er beinhaltet die Verpflichtung beider Seiten, dass sie ihre gegenseitigen Beziehungen nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politischen und rechtlichen Fragen belasten werden."

    Im Klartext: Wichtige politische Fragen waren aus der Deklaration ausgeklammert worden. Die Benes-Dekrete zum Beispiel, die die Enteignung und Vertreibung der Deutschen rechtfertigten, oder das Amnestiegesetz von 1946, das die tschechischen Täter von strafrechtlicher Verfolgung freistelle, und eben die Frage der Enteignungen. Helmut Kohl selbst hatte unmittelbar nach der Unterzeichnung gesagt, die Vermögensfrage bleibe natürlich offen. Nicht verwunderlich, dass von Euphorie in Tschechien auch in der Folge wenig zu spüren war, sagt Petr Pithart.

    "Als danach in beiden Kammern des Parlaments die Deklaration gebilligt wurde, gab es hier im Senat eine scharfe Debatte. Der linke Teil des politischen Spektrums hat schließlich nicht dafür gestimmt."

    Mehr noch, auf Drängen der Opposition wurde eine Resolution verabschiedet, die die deutsch-tschechische Erklärung interpretieren sollte, gerade hinsichtlich der Vermögensfragen und der Gültigkeit der Benes-Dekrete. Die Angst, dass die einst enteigneten Deutschen einmal zurückkehren und ihr Eigentum zurückfordern werden, diese Angst gab es noch immer in Tschechien. Die Benes-Dekrete aufzuheben, wie von deutscher Seite immer wieder gefordert, kam deshalb nicht in Frage. Sie seien "erloschenes Recht", so die tschechische Sprachregelung. Schon allein deshalb müsse man sie nicht aufheben.

    Das klammere aus, dass das Unrecht, die Enteignung, ja noch immer fortbestehe, so die Kritik aus Deutschland. Trotzdem: Obwohl nur eine Willenserklärung und kein internationaler Vertrag, die deutsch-tschechische Deklaration blieb in der Folge nicht ohne Wirkung, sagt auch der Sozialdemokrat Jiri Paroubek, ein ehemaliger Ministerpräsident.

    "Die Erklärung war ein Dokument, das eine neue Seite in der Geschichte der deutsch-tschechischen Beziehungen aufgeschlagen hat. Selbstverständlich war sie nicht vollkommen, aber kein Dokument, das aufgrund von beiderseitigen Kompromissen entsteht, kann das sein."

    Eine Sicht der Dinge, die auch von der anderen Seite des politischen Spektrums geteilt wird. Helena Malotová, Außenpolitikexpertin der konservativen Bürgerpartei ODS, der Partei von Václav Klaus, sagt, die Erklärung sei auch als Schlussstrich zu verstehen. Über die Benes-Dekrete zu reden lehnt sie ab, wie die allermeisten Politiker in Tschechien:

    "Sowohl die Benes-Dekrete als auch die (Vermögens-) Ansprüche halten wir für ein für alle Mal erledigt. Und ich denke, dass wir keinesfalls auf diese Frage zukommen werden. Es wäre auch nicht gut für unser gegenseitiges Verhältnis."

    Es sind auch und gerade junge Tschechen, die heute den Text der Deklaration zu schätzen wissen. Der Historiker Matej Spurny ist einer von ihnen, schon seit Studentenzeiten engagierte er sich in der Bürgerinitiative Antikomplex. Die heißt deshalb so, weil sie gegen die Komplexe der Tschechen den Deutschen gegenüber angehen will mit praktischer Geschichtsforschung. Spurny und seine Kollegen spüren sudetendeutschen Wurzeln in den Grenzgebieten Tschechiens nach, und sie organisieren Ausstellungen. 1997, im Jahr der Deklaration, war er 17.

    "'97 fand ich, dass die tschechische Seite nicht kritisch genug zu sich selbst ist, dass das nur so eine diplomatische Sprache ist, die eigentlich nichts bedeutet. Aber ich muss sagen, dass ich das mit der Zeit anders sehe. Wenn man es vergleicht, was danach gekommen ist. 2002/2003, was das tschechische Parlament da an Resolutionen verabschiedet hat. Dann, wenn man zurückkommt auf die deutsch-tschechische Erklärung, denkt man sich, das war schon ein gutes Stück Arbeit."

    Tatsächlich gab es Gegenbewegungen, vor knapp vier Jahren etwa wurde Edvard Benes auf ganz ungewöhnliche Weise mit einem eigenen Gesetz geehrt. Dieser Mann, dessen Name mit der Vertreibung untrennbar verknüpft ist, habe sich um die Tschechoslowakische Republik verdient gemacht, hieß es damals. Solch eine Ehre war bisher nur dem Staatsgründer Tomas Masaryk zuteil geworden. Dennoch: Trotz solcher Rückschläge, die deutsch-tschechische Erklärung ist im Lauf der Jahre bei allen Tschechen angekommen, sagt der Historiker Matej Spurny. Den Deutschen sei nach dem Krieg großes Unrecht geschehen, so sähen es mittlerweile die meisten seiner Landsleute.

    "Ich denke, mit dem Abstand sehen es schon viele Tschechen mindestens so. Auch wenn sie sagen die Vertreibung, odsun, Abschub, an sich war in Ordnung, sagen ja immer noch die meisten. Viele sagen dann aber, es ist zu vielen Greueltaten gekommen. Viele unschuldige Menschen haben darunter gelitten. Das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall."

    Zehn Jahre später haben die Tschechen eine andere Sicht auf Deutschland. Ein gemeinsamer Zukunftsfonds organisiert Jugend- und Kulturprojekte und kümmert sich um tschechische Nazi-Opfer, es gibt ein gemeinsames Gesprächsforum und eine gemeinsame Historikerkommission, Dinge, die auch in der tschechischen Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Trotzdem: Nach Ansicht einiger in Tschechien gibt es durchaus noch etwas zu tun. Immer wieder spricht man darüber, die Deutschen zu entschädigen, die nach dem Krieg in der Tschechoslowakei blieben und als Deutsche diskriminiert wurden, Schritte, die mutigen tschechischen Politikern der Zukunft vorbehalten sind. Eine neue, eine zweite deutsch-tschechische Erklärung brauche seine Generation jedoch nicht, sagt Matej Spurny, der 27- Jährige.

    "Wir brauchen vor allem eine konstruktive Arbeit, dort wo sie gebraucht ist, dort, wo man noch etwas von dem sudetendeutschen Erbe retten kann, in den Grenzgebieten, damit alles aufgehoben wird. Dieses Gedächtnis. Darüber geht es heute viel mehr als über diplomatische Texte."

    Das war ein Beitrag von Peter Hornung aus Prag.


    Zehn Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung, ein Schritt nach vorne, trotz der dargelegten schwierigen Vergangenheiten, deren trennende Prägekraft inzwischen abgenommen hat. Die gegenwärtigen und auf die Zukunft hin orientierten Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland sind, so das einhellige Urteil auch kritischer Beobachter der beiden Nachbarländer, als gut zu bezeichnen. Aus tschechischer Sicht stellen sie sogar eine der Prioritäten ihrer Außenpolitik dar, was sich in vielfältigen politischen, kulturellen und vor allem auch wirtschaftlichen Verbindungen ausdrückt. So wickelt die Tschechische Republik zum Beispiel mehr als ein Drittel des Handelsumsatzes mit seinem Nachbarland Deutschland ab, mit dem sie auch die längste gemeinsame Grenze hat, immerhin 810 Kilometer. Zehn Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung, das erfordert auch die Vergegenwärtigung der in den Ziffern 7 und 8 genannten Kooperationsinstrumente wie die Einrichtung eines deutsch-tschechischen Zukunftsfonds mit einem Start-Beitrag von 140 Millionen Mark deutscherseits und 440 Millionen Kronen seitens der Tschechischen Republik, die Fortführung der gemeinsamen Historikerkommission sowie die Einrichtung eines deutsch-tschechischen Gesprächsforums. Wie arbeiten diese Instrumente, was bewirken sie? Beispiel Zukunftsfonds: Im Dezember 2005 beschloss deren in Prag tagender Verwaltungsrat die Förderung von 138 Projekten für das Jahr 2007, von denen 105 eine Unterstützung von insgesamt fast 540.000 Euro erhielten. Zitat aus dem Ergebnis-Bericht:

    "Projekte im Bereich Jugend und Bildung fördert der Zukunftsfonds dabei besonders stark. Neben Dutzenden kleinerer Projekte dieser Thematik wird die Initiative 'Versuch's mal in Deutschland' des deutsch-tschechischen Jugendforums unterstützt. Sie richtet sich mit einem Zyklus von Präsentationen über Studien- und Aufenthaltsmöglichkeiten in Deutschland an Schüler der mittleren Reife. Zu den unterstützenden kulturellen Ereignissen gehört zum Beispiel das Gastspiel der Deutschen Oper am Rhein in Brünn; die tschechische Kultur wird demgegenüber mit dem Festival Tschechischer Kultur in Ulm vorgestellt."

    Andere Förderschwerpunkte waren zum Beispiel im letzten Jahr etwa 20 Renovierungsprojekte an Kirchen, Synagogen oder Kapellen im gemeinsamen Grenzgebiet in Höhe von über 250.000 Euro. Dabei handelte es sich um kunsthistorische Sakralbauten, für deren Erhaltung sich tschechische Gläubige, ortsansässige und ehemalige deutsche Bewohner bereits aktiv einsetzten. Franz Olbert, deutsches Verwaltungsratsmitglied im Zukunftsfonds, berichtet über eine geförderte grenzüberschreitende Begegnung im Mährisch-Trübauer Kreis, in Landskron:

    "Mir hat zum Beispiel bei einem Seminar 'Rückkehr in die Geschichte' eine Schuldirektorin gesagt: Wir müssen mit unseren jungen Leuten in der Schule über die Vergangenheit reden, sonst finden sie, soweit sie in Vertreibungsgebiete zugezogen sind, finden hier keine Heimat. Sie müssen die Vergangenheit kennen lernen und erfahren, was hier geschehen ist, um sich dauerhaft hier beheimatet zu fühlen."

    Und das deutsche Beiratsmitglied im deutsch-tschechischen Diskussionsforum, Peter Becher vom Münchener Adalbert-Stifter-Verein, besucht regelmäßig deren Konferenzen und erläutert die Themenpalette:

    "Also, man hat zum Beispiel in Hamburg militärpolitische Fragen diskutiert, man hat in Jung-Bunzlau über wirtschaftliche Fragen diskutiert, man hat in Berlin über die '60 Jahre nach Kriegsende' gesprochen oder jetzt in Reichenberg-Liberitz über 'Die Bildung als Möglichkeit Barrieren zu überwinden'. Das waren immer große Themen, die auch mit entsprechenden Referenten aufgegriffen worden sind."

    Und wie steht es um die sudetendeutsch-tschechischen Themen, kommen die in den Diskussionsforen auch zur Sprache? Becher verneint die Frage zu seinem Bedauern, hat aber einen Traum, der nicht unrealistisch sein muss und gleichzeitig vor Verdrängung warnt:

    "Ich hoffe, dass man eines Tages dazu kommt, sich auf unverkrampfte Art und Weise mit den neuralgischen Dingen auseinanderzusetzen, weil man dadurch dann eben sieht, dass ihre Behandlung dazu führen kann, die Gegenwart zu entlasten, dass aber die Nichtbehandlung eher dazu führt, die Dinge zu dämonisieren und den Leuten zu überlassen, die dann als Hitzköpfe in der Öffentlichkeit agieren, und das halte ich für die schlimmste Lösung."