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Vergessene Vitaminbombe

Mit leuchtend weißen Blütendolden präsentiert sie sich im Frühjahr, mit dunkelvioletten Beeren im Herbst: Aronia, auch Apfelbeere genannt. Diese fast vergessene Wildfrucht wird hierzulande gerade wieder entdeckt und zwar nicht nur von Gärtnern, sondern auch von Biophysikern und Medizinern. Denn die Aronia ist reich an Vitaminen, Mineralien und Farbstoffen sowie an sekundären Pflanzenstoffen.

Von Uta Greschner |
    Die Erntemaschinen, die Anfang Herbst über die 38 ha Aronia-Plantage direkt am Elbradwanderweg in Höhe Coswig zogen, sind verstummt.
    Rund 140 Tonnen der festen dunkelvioletten Beeren landeten inzwischen in der Kelterei, erzählt Michael Görnitz vom hiesigen Obstbauunternehmen.

    "Wir sind mit den Erträgen äußerst zufrieden, Vergleicht man das mit letztes Jahr, dann haben wir ungefähr die doppelte Menge an Ertrag. Die Zweige sind so brechend voll, das ist aber gleichzeitig ein Problem, denn dadurch haben wir einen erhöhten Ernteverlust, weil die Maschine das gar nicht kompensieren kann."

    Die Beeren, die die Maschinen noch an den Sträuchern ließen, konnten sich Selbstpflücker ernten, damit sie nicht verdarben. Über 1000 Aronia-Fans kamen aus nah und fern. Woher rührt diese Begehrlichkeit nach den etwas pelzig schmeckenden wilden Früchten? Dr. Torsten Rocksch vom Institut für Gartenbauwissenschaften der Berliner Humboldt Universität, der sich seit langem mit der Aronia-Beere beschäftigt, nennt einige gute Gründe.

    "Aronia ist eine Frucht, die sich doch relativ leicht anbauen lässt im Vergleich zu vielen hoch gezüchteten Obstarten, wo man doch sehr großen Aufwand mit Pflanzenschutz, Düngung und Ähnlichem betreiben muss. Es ist eine relativ breite Anwendbarkeit gegeben, vor allem die Möglichkeiten der medizinischen Anwendung im Bereich von Entzündungen, beispielsweise. Magenschleimhautentzündungen, auch zur Krebsvorsorge oder nach Herzinfarkt werden beispielsweise Aronia-Präparate zur Verfügung gestellt. Und beispielsweise wurden jetzt neuerdings auch Untersuchungen durchgeführt, wieweit Aronia-Extrakte wirksam sind gegen multiresistente Keime."

    In der Kelterei Walter in Arnsdorf bei Radebeul, die die Aronia-Beeren verarbeitet, lief die Saftproduktion früher eher nebenbei. Doch dann erinnert sich Kirstin Walter, die Geschäftführerin, kam alles ganz anders.

    "In den letzten fünf Jahren kamen halt immer mehr Informationen auf uns zu von Kunden, von Apothekern, die gesagt haben, Mensch habt ihr Euch mal mit dieser Beere auseinandergesetzt, was die für Inhaltsstoffe hat. Und da fingen wir an, uns mal ein bisschen näher damit zu beschäftigen und zu recherchieren und sind in Kontakt gekommen mit Ernährungswissenschaftlern, die zufälliger Weise auch in der Industrie Partner gesucht haben für ein großes Forschungsprojekt."

    Die Berliner Firma Galenus kann die Wirkung von Pflanzenfarbstoffen auf freie Radikale messen, also auf jene Zellterroristen, die uns krank machen. Dabei stellte sich heraus, die Farbstoffe der Aronia-Beeren - besonders die in der Fruchtschale - setzen die meisten dieser Zellzerstörer außer Gefecht. Dieses Ergebnis betrachtete der Berliner Biophysiker Norbert Groth als Herausforderung.

    "Wir haben ein schonendes Verfahren entwickelt, um die Inhaltsstoffe schonend auch in ein Fertigprodukt überführen zu können. Die Schonung bezieht sich auf alles das, was Oma schon beim Kochen berücksichtigt hat: Nicht zu lange, nicht zu viel Luft, nicht zu heiß und mit geringer mechanischer Belastung."

    An der Berliner Charité untersuchen Mediziner, wie der Verzehr von Gemüse, Obst und Wildfrüchten unsere Abwehrkräfte stärkt, per Messung über die Haut können sie auch den Einfluss gesundheitsfördernder Pflanzeninhaltsstoffe sogenannter Antioxidantien ermitteln. Diese Methode ist weltweit einzigartig, so Prof. Jürgen Lademann von der Hautklinik.

    "Wir müssen uns das so vorstellen, dass in unserer Haut die Antioxidantien eine Schutzkette bilden, die fassen sich gegenseitig an und ziehen gegen die freien Radikale zu Felde. Gerade Beeren oder Früchte, die unter extremen Witterungsbedingungen wachsen, haben meist einen hohen Gehalt an Antioxidantien, weil sie haben dasselbe Problem letztendlich wie der Mensch. Sie müssen sich mit den Umwelteinflüssen, speziell der UV-Strahlung auseinandersetzen. Und müssen deshalb in ihrer speziellen Schale einen besonderen Verteidigungsmechanismus in Form eines hohen antioxidativen Potenzials anreichern."

    Noch steht die Wissenschaft erst am Anfang beim Lüften der Geheimnisse dieser wilden Früchte. Doch es scheint, als haben die fast schon vergessenen Beeren noch eine große Zukunft vor sich.

    Etliche Apotheken, Reformhäuser und sogar Teeläden bieten ihren Kunden inzwischen Aronia-Saft und Aronia-Konzentrat an.

    Und auch Baumschulen, die bereits eine gestiegene Nachfrage bei Kleingärtnern registrieren, stellen sich darauf ein. Für Aronia-Büsche oder -Stämme ist im Herbst die beste Pflanzzeit.

    Wer mehr über dieses wilde Früchtchen Aronia wissen will, dem sei ein Büchlein aus der Edition Buntehunde GdbR in Regensburg empfohlen mit dem Titel "Aronia -Unentdeckte Heilpflanze." (ISBN 978-3-934941-39-7)