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Vergessliche Zebrafische

Medizin. - Rund 800.000 Menschen leiden in Deutschland an der Alzheimer-Krankheit. In den vergangenen Jahren haben Forscher einige Gene dingfest gemacht, die für die Demenz verantwortlich sind. Aber welche Rolle spielen diese Erbabschnitte bei Gesunden? Und lassen sich Medikamente entwickeln, um die Krankheit zu verhindern? Dieser Frage gehen Forscher seit wenigen Wochen an kleinen Zierfischen nach - an der früheren Wirkungsstätte des Entdeckers der Krankheit, Alois Alzheimer, in München.

Von Hellmuth Nordwig |
    Einmal Überschuhe - können Sie bitte die Überschuhe anziehen?

    Besucher dürfen hier keine Keime einschleppen. Deshalb müssen sie unförmige blaue Plastiktüten über die Schuhe ziehen. Erst dann darf man den neonerleuchteten Kellerraum betreten, in dem jeder Freund von Zierfischen seine helle Freude hätte. Tausend Aquarien gibt es hier. Jedes so groß wie ein Schuhkarton und auf Regalen übereinander gestapelt bis unter die Rohrleitungen an der Decke.

    Eigentlich ein hässlicher Raum: kein Tageslicht, Betonwände. Aber der Blick fällt ohnehin gleich auf die vielen tausend bunt schillernden Zebrafische in den Aquarien, jeder höchstens so groß wie ein kleiner Finger. Die Tiere heißen so, weil sie dunkle Längsstreifen tragen. Die Biologin Bettina Schmid hat die Aquarienanlage aufgebaut.

    Die Fische kommen aus Nordost-Indien, aus einem Seitenarm des Ganges. Es sind Süßwasserfische, die es gerne schön warm haben. Wir halten die bei 26 bis 28 Grad. Wir haben hier Linien, die in anderen Zebrafisch-Labors etabliert worden sind, importiert. Also die sind nicht aus dem Baumarkt oder so, sondern definierte Stämme. Wir haben sieben verschiedene Linien. Da sind welche dabei ohne Pigmente, Albinos, und wir haben eine, die statt der Streifen Punkte hat, dass man die unterscheiden kann.

    Vor allem suchen die Münchner Forscher nach Zebrafischen, die Varianten in den Alzheimer-Genen aufweisen. Die Tiere eignen sich gut als Modell für den Menschen, sagt Laborleiter Professor Christian Haass.

    Das Genom des Fischs ist fertig sequenziert: Man weiß also bei jedem Gen, wie es aussieht, das kann man am Computer nachschauen. Wir haben alle Alzheimer-Gene vom Menschen auch beim Fisch gefunden und mit molekularen Experimenten so charakterisiert, dass wir wissen, dass sie die gleiche Funktion haben: Sie können also die Krankheit wirklich verursachen.

    Genauer gesagt: Sie könnten zu Alzheimer führen. Bis jetzt haben die Forscher bei alten Fischen nämlich noch keine Eiweißklumpen gefunden, die für die Gehirne von Alzheimer-Patienten typisch sind. Weil die Biologen aber nicht warten wollen, bis die Fische alt genug sind, um krank zu werden, wenden sie die Tricks der Gentechnik an. Haass:

    Wir wollen im Moment einen Fisch so manipulieren, dass er die Amyloid-Plaques, die der Alzheimer-Patient im Gehirn entwickelt, auch entwickelt, und die Idee ist, dass er das möglichst früh tut.

    Welche Folgen Eingriffe ins Erbgut haben, das können die Biologen bei manchen Zebrafischen unmittelbar beobachten. Deren Embryonen entwickeln sich nämlich außerhalb des Mutterleibs, und sie sind durchsichtig. Die ersten Mutanten waren allerdings eine Überraschung.

    Wir haben ein bestimmtes Gen ausgeschaltet, woraufhin die Augen vom Fisch, die normalerweise an den Seiten stehen, zusammengerutscht sind und nur ein Auge gebildet haben. Ein Zyklop, dem fehlt in der Mitte ein Stückchen des Gehirns.

    Vergessliche Fische haben die Forscher noch keine gefunden. Einem Tier mit Alzheimer würde man auch keine äußere Veränderung ansehen. Aber - wie testet man Fische auf Alzheimer? Bettina Schmid:

    Wir werden ein Setup aufbauen, das aussieht wie ein T. Da wird man dann in den einen Arm, zum Beispiel links immer das Futter rein tun, und den Fisch immer wieder nach unten setzen. Und wenn er sich daran erinnert, dass er immer, wenn er nach links schwimmt, Futter kriegt, wird er nach einer Weile, wenn er trainiert ist, sich daran erinnern: Nach links schwimmen, dann gibt's Futter. Wenn er vergesslich ist, wird er mit einer 50-zu-50-Wahrscheinlichkeit mal links, mal rechts schwimmen und wird sich nicht merken können, wo gab's das Futter.

    In einem solchen Versuchsaufbau lässt sich auch leicht testen, ob ein potenzielles Medikament dem Gedächtnis auf die Sprünge hilft. Viel Arbeit also für die beiden Mitarbeiter, die sich um die Fische kümmern.

    Der Alex und der Matthias, hervorragend ausgebildete technische Assistenten, die mit sehr viel Mühe und Hingabe die Wasserqualität testen, das Wasser aufbereiten, die Aquarien sauber halten, die Fische füttern - die Fische werden jeden Tag gefüttert, Weihnachten, Neujahr, da bleibt leider nichts aus.