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Vergleichsarbeiten an Schulen
Das Ziel verfehlt

Am 13. Mai startet die nächste Runde der Vergleichsarbeiten (VerA) in den Klassen 3 und 8. Zehn Jahre nach der Einführung stellen Bildungsverbände dem Projekt ein schlechtes Zeugnis aus. Sie kritisieren vor allem die fehlende Auswertung der Daten an den Schulen.

Von Christiane Habermalz |
    Klassenzimmer in Grundschule
    Im Mai werden wieder bundesweit Vergleichsarbeiten durchgeführt ( picture alliance / dpa / Caroline Seidel)
    Die Bildungsverbände fanden heute harte Worte. Zehn Jahre nach Einführung habe VerA sein Ziel verfehlt, urteilte Marlis Tepe, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Die Vergleichsarbeiten seien sinnlose Testeritis, weil keine wirklichen Konsequenzen aus ihnen gezogen würden. Kosten und Aufwand stünden in keinem Verhältnis zum verwertbaren Nutzen. Die Ergebnisse würden in keinem Bundesland dazu führen, dass gezielt mehr Mittel oder Personal zur Unterrichtsverbesserung eingesetzt würden.
    "Wir fordern von der Politik, dass sie evaluiert, aber dass sie den Lehrkräften Unterstützungsmöglichkeiten gibt. In allen Bundesländern fehlt es an Fortbildungszeit und an Zeitressource, um den Unterricht in kooperativen und Gesprächsformen miteinander zu besprechen und zu bearbeiten."
    Vergleichsarbeiten in den Klassen 3 und 8
    VerA sind Vergleichsarbeiten, die in den Klassen 3 und 8 bundesweit und zeitgleich geschrieben werden, und an denen sich alle 16 Bundesländer beteiligen. Gemessen wird nicht der reine Wissensstand, sondern die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Fächern Deutsch und Mathematik, in Klasse 8 kommt noch das Fach Englisch hinzu. Auch diese Beschränkung der Messung auf wenige Fächer lasse Fertigkeiten in anderen Bereichen außer acht, kritisierten die Bildungsverbände. Die standardisierten Fragen seien zudem oft unbrauchbar, um den tatsächlichen Kompetenzstand von Kindern zu messen. Der Grundschulverband nannte ein Beispiel aus dem VerA-Test 2010, ein zweiseitiger Text, den Drittklässler lesen, und zu dem sie 15 Fragen beantworten sollten. Allein die Länge des Textes über ein Buschhotel in Sambia mache viele leistungsschwächere Kinder mutlos. Und manche Begriffe wie Empfangshalle oder Tresen seien vielen Kindern vor allem mit Migrationshintergrund völlig unbekannt.
    "Das Ziel einer demokratischen Schule ist ja heute mehr und mehr ein inklusives Schulwesen. Das ist weltweit von der Gesetzgebung gewünscht. Und die VerA-Testaufgaben scheren die Kinder über einen Kamm. Und die Lehrkräfte müssen falsch, richtig, oder nicht bearbeitet aufschreiben, und können eine differenzierte Lösung der Kinder nicht wahrnehmen"
    , sagte GEW-Vorsitzende Tepe. Der Kern der Kritik bezieht sich aber auf die fehlende Auswertung der Daten an den Schulen. Laut einer GEW-internen Befragung von Mitgliedern im aktiven Schuldienst gaben nur 22 Prozent an, dass sie die Ergebnisse für die Schulentwicklung nutzen würden, damit könne die Politik nicht zufrieden sein. Und immerhin 12 Prozent der befragten Lehrer gaben an, dass sie schwächeren Schülern beim Ausfüllen der Formulare helfen würden, damit sie nicht zu sehr entmutigt würden. Die Ergebnisse gehen an das zentrale Institut für Qualitätsentwicklung, sie werden dort zusammengeführt und kommen dann in drei Auswertungsformen per Internet an die Schule zurück: einmal als Klassenergebnis, dann als schulinterner Vergleich mit anderen Klassen der gleichen Schule, und schließlich noch im Vergleich mit sechs anderen Schulen mit ähnlicher sozialer Zusammensetzung der Schüler. Und am Ende gibt es auch noch eine individuelle Rückmeldung an die Eltern über das Abschneiden ihres Kindes.
    Unmut über Test auch bei Lehrern
    Nicht alle Schulen bewerten VerA negativ. Jürgen Stolze, Schulleiter einer Grundschule in Pankow, sieht es als Aufgabe der Schule an, sich in den Fachkonferenzen mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen und über mögliche Maßnahmen zu beraten.
    Stolze: "Ich finde allerdings den Aufwand einfach zu hoch. Dass jedoch Instrumente in die Schule rein müssen zur Leistungsmessung, das halte ich für einen Erfolg von VerA. Und dass damit verbunden ist auch eine gewisse Öffentlichkeit, der wir verpflichtet sind, die Ergebnisse darzulegen."
    Was offenbar auch vielen Lehrern nicht schmeckt, ist die Doppelfunktion von VerA: Nicht nur die Schülerleistung wird beurteilt – viele Lehrer fühlen sich und ihren Unterricht auch selbst auf dem Prüfstand. Auch daher kommt möglicherweise ein gewisser Unmut, sich mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen. Dies müsse von der Politik stärker eingefordert und unterstütz werden, fordert Stolze.
    Stolze: "Ich sag jetzt mal, welche Motive Schulleiter und Schulen in der Haltung zu VerA3 haben, ist ja fast der Beliebigkeit überlassen. Diese Vera-Vergleichsarbeiten sind jetzt gesetzt in Berlin. Und es geht nicht darum, sie einfach zu ignorieren, und den Kollegen den Eindruck zu erwecken, sie seien im Übrigen nicht so wichtig, sondern zu sagen, wir haben jetzt etwas womit wir arbeiten müssen."

    Geliebt oder ungeliebt: Am 13.Mai startet sie dennoch wieder, die nächste Testrunde von VerA.