Archiv


Verhaltene Aufbruchstimmung bei Kernkraftwerk-Betreibern

In Düsseldorf läuft zur Zeit die Tagung der Kerntechnischen Gesellschaft. Neben Themen wie Endlagerung und Rückbau von KKW geht es dort auch um die Zukunft des Atomstroms, vor allem die so genannten Generation-Four-Reaktoren, die ab 2030 Dienst tun sollen. Es ist ein ganzer Strauß von Konzepten, die da verfolgt werden.

Von Dagmar Röhrlich |
    In Finnland wird gerade ein neuer Reaktor gebaut. In der Schweiz denken die Kernkraftwerksbetreiber seit einer Woche öffentlich über neues KKW nach. Das atomfreie Italien will sich an einem bereits beschlossenen Reaktorneubau in Frankreich beteiligen: Bei solchen Meldungen herrscht in Düsseldorf verhaltene Aufbruchstimmung – und man denkt über die Reaktoren der Zukunft nach. Generation-4 heißt das Zauberwort, ein großes Entwicklungsprojekt unter dem Dach des amerikanischen Energieministeriums, in dem neben Japan seit kurzem auch die Europäische Union Partner ist.

    Das sind im wesentlichen Raktorkonzepte, die sich das Knowhow der gegenwärtigen Technologie zunutze machen und die diese Technologie entsprechend weiterentwickeln. Daneben haben wir aber auch innovative Konzepte auf Basis anderer Kühlmedien, beispielsweise flüssigmetallgekühlte Reaktoren oder heliumgekühlte Reaktoren und auch Brutreaktoren.

    Markus Nie von Framatome ANP in Erlangen. In dem französisch-deutschen Konzern setzt man auf Weiterentwicklung und zielt dabei auf höhere Wirkungsgrade. 45 Prozent sollen erreicht werden. Zum Vergleich: Der EPR, der hochmoderne europäische Druckwasserreaktor, den das Unternehmen gerade zum ersten Mal in Finnland baut, erreicht 37 Prozent. Mehr Effizienz spart Brennstoff, aber:

    Wir sprechen von einem Entwicklungshorizont von 30 Jahren, denn es ist eine Materialfrage und entsprechend gestaltet sich dieser Entwicklungshorizont, weil wir noch nicht die geeigneten Materialien zur Verfügung gaben.

    Der Grund: Ein solcher Generation-4-Reaktor wird heißer als die heutigen und auch der Druck in ihm ist höher. Dem müssen dann beispielsweise die Hüllrohre um die Brennstäbe standhalten. Die heute verwendete, bewährte Legierung scheidet damit aus, man muss neue Edelstähle oder Legierungen auf der Basis von Nickel entwickeln. In der EU, Japan und den USA werden daneben andere Konzepte verfolgt – etwa das des altbekannten Hochtemperaturreaktor HTR:

    Wir haben dort den Hochtemperaturreaktor, der im wesentlichen in den 60er und 70er Jahren entwickelt worden ist und wo wir die Weltführerschaft im Knowhow haben.

    Der Reiz: Weil ein Hochtemperaturreaktor den unter Druck stehenden Wasserdampf auf 800 oder 900 Grad Celsius aufheizt, kann er mehr als Strom produzieren:

    Wir können dort auch thermisch Wasserstoff gewinnen. Vor dem Hintergrund der knapper werdenden Ölreserven ist es eine interessante Option für die Zukunft, per Kernenergie Wasserstoff zu erzeugen.

    Der Reaktor stünde in einer Wasserstoff-Fabrik – allerdings räumlich getrennt, damit Unfälle in der Fabrik ihm nichts anhaben können. Vor allem in den USA denkt man an kleine Reaktoren, die mit einer Blei- oder Blei-Wismut-Schmelze gekühlt werden – eine aus russischen Atom-U-Booten bekannte Technologie. Solch kleine Reaktoren erzeugen gerade soviel Strom, dass sie eine entlegene Region versorgen, aber ihre Wartung wäre recht einfach: Alle 15 Jahre würde einfach die Patrone mit verbrauchten Kernbrennstoff gegen eine neue ausgetauscht – und das war es.

    Brüter stellen auch eine attraktive Perspektive dar, denn wir können uns auch vorstellen, dass die Uranreserven beschränkt sind. Vor dem Hintergrund der Brennstoffausnutzung ist der Brüter eine Option, um die Uranreserven deutlich zu verlängern.

    Verfolgt wird die Entwicklung von neuen Brütern sowohl in den USA, als auch in Europa – und in Russland, dass sich zwar nicht an Generation-4 beteiligt, aber dafür unter dem Dach der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO in Wien an Neuem tüftelt. Dort geht es vor allem um den Bau eines BN-800 – eines natriumgekühlten Schnellen Brüters. Er soll in Beloyarsk bei Jekatarinenburg entstehen. Die Japaner sind bereits mit im Boot – und die USA wollen anscheinend auch mit einsteigen.