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Verhaltene Börsenreaktion auf Griechenlandpaket

Ab Dezember sollen weitere 43,7 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF nach Athen fließen. Allerdings schreckten die Finanzminister in der vergangenen Nacht vor einem Schuldenerlass zu ihren Lasten zurück. Reaktionen vom Börsen- und Bankenplatz Frankfurt.

Von Michael Braun | 27.11.2012
    Bei 1,30 Dollar lag das Tageshoch des Euro heute. Vor einer Woche gab es nur 1,28 Dollar für einen Euro, vor drei Monaten 1,25 Dollar. Es war die Hoffnung auf die jüngsten Brüsseler Griechenlandhilfen, die den Euro getrieben hatten. Sie hat sich mit der Einigung in der vergangenen Nacht erfüllt.

    "Ja, erst mal bringt sie Ruhe, das ist völlig klar. Wie jedes Hilfspaket haben die Finanzminister und der Internationale Währungsfonds heute Nacht wieder Zeit gekauft. Aber eben nicht mehr."

    Sagt - wenig begeistert - Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. Nur die griechischen Banken, vollgesogen mit Anleihen des eigenen Staates, werden spüren, dass diese gekaufte Zeit auch Geld kostet. Ihre Kurse fielen heute um mehr als zehn Prozent. Da wirkt der beschlossene Rückkauf von Altschulden zum Kurs von 35 Prozent. 65 Prozent sind endgültig verloren. Reichen wird das nicht. Martin Lück, dem Chefvolkswirt der UBS Deutschland, ist klar, dass es einen weiteren, richtigen Schuldenschnitt für Griechenland noch geben wird.

    "Einen weiteren Schuldenschnitt halten wir seit längerer Zeit für Griechenland für unvermeidbar. Der wird kommen, auf die eine oder andere Art. Dass das übertragbar wäre auf die anderen Eurozonenländer – Portugal, Spanien und so weiter -, halte ich für fast unmöglich. Es ist dringend geboten, dass die Investoren ganz klar zu verstehen bekommen, dass ein weiterer Schuldenschnitt komplett ausgeschlossen ist für andere Eurozonenländer, weil sonst die Glaubwürdigkeit der Eurozone insgesamt zu stark beschädigt würde. Griechenland muss in dieser Hinsicht ein Sonderfall bleiben."

    Dass die Politik des Schuldenschnitts sich über Griechenland ausdehnt, glaubt der Markt auch als Ganzes nicht. Italien und Spanien konnten heute jedenfalls Geld am Kapitalmarkt aufnehmen, zu Konditionen, so günstig wie seit mehr als zwei Jahren nicht. Das Finanzministerium in Rom etwa lieh sich 3,5 Milliarden Euro für zwei Jahre zu 1,92 Prozent. Vor vier Wochen musste Italien bei einer vergleichbaren Emission noch knapp 2,4 Prozent bieten.

    Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Brüsseler Beschlüsse wohl auch verabschiedet werden. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin glaubt an eine eigene Mehrheit für das neuerliche Rettungspaket für Griechenland. Gleichwohl will die SPD-Opposition mehrheitlich mitstimmen. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte heute im ZDF an:

    "Ich werde meiner Fraktion kein Verhalten empfehlen, dass dazu führen wird, dass Griechenland kurzfristig nicht mehr zahlungsfähig ist und gegebenenfalls die Eurozone verlassen muss."

    Dabei ist klar, dass den neuerlichen Hilfen ehrgeizige, manche meinen: unrealistische Annahmen zugrunde liegen. Commerzbank-Volkswirt Jörg Krämer:

    "Ja, die Annahmen für das Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent ab 2016 ist sehr optimistisch. Ebenfalls die Annahme, dass der griechische Staat ab 2016 vor Zinszahlungen einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet, der 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Also die Annahmen hinter dieser Rechnung sind recht optimistisch."

    Deshalb kamen Euro und Aktien heute von ihren Hochs im Tagesverlauf auch wieder leicht herunter. Zur Kenntnis genommen wurde gleichwohl eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Danach haben einige der Euro-Krisenländer ihre Wettbewerbsposition zuletzt verbessert. Die griechische Industrie etwa habe ihre Lohnstückkosten 2010 und 2011 je um fast drei Prozent gesenkt. Auch Spaniens gewerbliche Wirtschaft sei, ebenfalls gemessen an den Lohnstückkosten, deutlich wettbewerbsfähiger geworden.