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400 Seiten stark ist der von der Koalition mühsam ausgehandelte Gesetzentwurf zum neuen Ausländerrecht. Öffentlich beachtet wurde vor allem die Neuregelung des Bleiberechts für bislang nur geduldete Ausländer. Doch in dem Gesetzespaket steckt mehr.

Von Gudula Geuther | 24.04.2007
    Jeder elfte, der in Deutschland wohnt, ist Ausländer. Manch einer von ihnen dürfte von dem Gesetzespaket betroffen sein, über das der Bundestag am Donnerstag in erster Lesung berät., außerdem Deutsche, etwa wenn sie einen Partner mit anderem Pass heiraten wollen, oder Ausländer, die nicht hier wohnen, aber es gern würden, sei es als Flüchtling, sei es als nachziehendes Familienmitglied, als Student oder als Arbeitsmigrant. 400 Seiten stark ist der Gesetzentwurf, der verschiedene Richtlinien der Europäischen Union umsetzt, und bei der Gelegenheit eine ganze Reihe anderer Fragen regelt. Das meiste davon haben die Unterhändler der Großen Koalition im Stillen vereinbart, fast unbemerkt von der öffentlichen Diskussion.

    Nur ein Punkt beherrschte über Wochen immer wieder die Schlagzeilen: das Bleiberecht für langjährig Geduldete. 180.000 Menschen etwa sind es, die ohne festen Aufenthaltstitel hier leben, teilweise seit vielen Jahren, und die gleichzeitig nicht abgeschoben werden können. Aus den unterschiedlichsten Gründen: Vielen droht Verfolgung im Heimatland, oft will dieses Land sie nicht aufnehmen, oder es ist gar nicht klar, wo sie eigentlich herkommen. Eine dieser 180.000 ist Paimana, 22 Jahre alt.

    "Ich bin vor elf Jahren nach Deutschland eingereist, weil meine Eltern in Afghanistan politisch tätig waren. Meine Mutter ist Juristin gewesen im Außenministerium, mein Vater war Fernsehjournalist. Wir haben hier politisches Asyl gesucht, haben das nicht bekommen und befinden uns nach wie vor im Asylverfahren. Wir haben immer wieder geklagt, und es wurde immer wieder abgelehnt."

    Paimana war fünf Jahre alt, als sie Afghanistan verließ für eine Flucht mit vielen Zwischenstationen. Ohne festen Aufenthaltstitel lebt sie in Deutschland in ständiger Ungewissheit.

    "Man kann irgendwie nicht so seine Zukunft gestalten. Andere Menschen haben Träume, sie erzählen, ich würde gerne das machen, ich würde jenes machen in unserem Alter. Und wir müssen eigentlich jeden Tag damit rechnen, falls man abgeschoben wird, falls man zurückgehen muss, wohin geht man? Ich kann beispielsweise meine eigene Sprache weder lesen noch schreiben."

    Es sind wohl Menschen wie Paimana, die nach Jahren festgefahrener Positionen zwischen den politischen Lagern das Thema Bleiberecht wieder auf die Agenda gebracht haben, ganz konkret, weil sie zu einer Gruppe damals jugendlicher Betroffener gehört, die über Demonstrationen und Gespräche mit Landesinnenministern auf ihr Schicksal aufmerksam gemacht haben, und allgemein, weil es für die Kinder und Jugendlichen auf der Hand liegt, dass sie eine Perspektive im Land brauchen, weil auch sie wahrscheinlich ohnehin nicht abgeschoben werden können und weil sie hier sozialisiert sind, mit unseren Werten und Freiheiten, mit unserer Sprache und Kultur. So schätzte es zumindest der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz während der Verhandlungen Ende letzten Jahres ein:

    "Wenn man vom Schicksal von Kindern spricht, dann nicken alle, und dann kriegt man so eine vorweihnachtliche Stimmung bei den Verhandlungen. Ich glaube, das treibt uns alle um. Wenn wir nicht über Kinder reden würden, würden wir vielleicht gar nicht über ein Bleiberecht reden."

    Sehr viel weiter ging die Einigkeit allerdings anfangs nicht. Denn zum humanitären kommt der wirtschaftliche Aspekt. Bis vor kurzem durften Geduldete nicht arbeiten und in der Regel auch keine Ausbildung beginnen. Aus der Vorstellung heraus, dass sie sich nicht allzu sehr integrieren sollten, schließlich hieß das Ziel ja nach wie vor Abschiebung, und aus Angst um die Konkurrenz auf dem deutschen Arbeitsmarkt, was bei den Verhandlungen auch zu Frontenbildungen quer durch die Parteien führte. Vor allem Bundesarbeitsminister Franz Müntefering sorgte sich anfangs um Arbeitsplätze für deutsche Bürger.

    Im November spitzte sich der Streit zu: Einem Kompromiss auf Bundesebene widersprachen unionsgeführte Länder, vor allem Bayern. Mit zwei Argumenten: Wer die eigene Abschiebung hintertrieben habe, zum Beispiel indem er den Pass vernichtet hat, dürfe dafür nicht noch belohnt werden. Vor allem aber sollte eine Zuwanderung in die Sozialsysteme vermieden werden. Derzeit gilt eine Übergangslösung, beschlossen von den Landesinnenministern. Demnach bekommt nur einen festen Aufenthalt, wer acht oder mit Familie sechs Jahre hier gelebt hat und eine Arbeit nachweisen kann, durch die er den eigenen Lebensunterhalt bestreiten kann.

    Eine Regelung, die schon unter dem Eindruck beschlossen wurde, dass es ein Bundesgesetz geben würde, was kein Zufall ist, so der SPD-Innenpolitiker und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Fritz Rudolf Körper:

    "Das, was man im Umfeld und im Vorfeld zur Innenministerkonferenz, die Mitte November stattfand, gehört hat, ging das so in Richtung einmal rein aus dem Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Und da haben diese Gespräche zu diesem Ergebnis geführt, dass wir, und das war bereits schon im September, uns vereinbarten, eine bundesgesetzliche Regelung für ein Bleiberecht zu machen. Das war, sag ich einmal, eine Entscheidung, mit der wir zuerst nicht die Erwartung hegten, dass das gelingen könnte."

    Dass es schließlich doch gelang, dafür gilt in der Union Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble als die treibende Kraft.

    "Im Detail gab es ein bisschen Diskussionen mit einigen Kollegen in den Bundesländern, keineswegs mit der Mehrheit, es war immer eine klare Mehrheit in der Union dafür, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einstimmig. Und es hat ein paar Diskussionen gegeben, von denen ich auch nicht richtig verstanden habe, wem sie nützen sollen. Aber ich glaube, sie sind jetzt beendet. Wir haben ein gutes Ergebnis gefunden, was das verwirklicht, was ja alle Menschen eigentlich wollen: Wenn Menschen auf Dauer hier sind, nicht abgeschoben werden, oder nicht abgeschoben werden können, dann wollen wir dafür sorgen, dass sie arbeiten und nicht die Sozialversicherungssysteme belasten. Das wollen die Betroffenen auch."

    Es bleibt bei der Grenze von sechs und acht Jahren, die ein Geduldeter hier gelebt haben muss. Schäuble selbst rechnet damit, dass dadurch von den 180.000 nur 100.000 überhaupt für ein Bleiberecht in Frage kommen. Sie haben, wenn sie sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, bis 2009 Zeit Arbeit zu finden.

    Die Chancen dafür schätzen Fachleute sehr unterschiedlich ein. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening glaubt, viele ältere Geduldete seien an der langen Zeit erzwungenen Nichtstuns zerbrochen. Andererseits aber würden Unternehmen teilweise gezielt die Qualifikation junger Ausländer nachfragen. Denn auch die Kunden werden internationaler. Für Krankenhäuser etwa oder für die Bahn seien Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz wichtig. Gerade die jungen Geduldeten seien auch überdurchschnittlich motiviert und leistungsbereit.

    Gleichzeitig sieht Piening ganz neue Chancen, denn jetzt könnten für diese Menschen die Instrumente der Arbeitsförderung völlig anders genutzt werden.

    "Die gesamten Qualifizierungsmaßnahmen für Geduldete waren immer nur angelegt als Qualifizierung für Rückkehr. Das heißt: Hier ist auch ein ganz neuer Denkansatz nötig, eine Öffnung. Heute können wir sagen: Das bereitet diese auch darauf vor, in vier Jahren hier in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Das ist eine völlig neue Perspektive."

    Aus diesem Grund hält der Integrationsbeauftragte auch eine Regel aus dem Kompromiss für die wichtigste, die mit dem Bleiberecht selbst nur am Rand zu tun hat: Wird der Entwurf Gesetz, darf jeder hier nach vier Jahren arbeiten. Unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Eine Regel also, die jenseits des Aufenthaltstitels auf ganz anderer Ebene das Leben dieser Menschen hier verändern kann.

    Die Bewertung des Bleiberechtskompromisses fällt unterschiedlich aus. Der Leiter des Referats Migration und Integration der Caritas, Roberto Alborino, sagt:

    "Was negativ ist, was wir sehen ist, dass diese Regelungen nicht greifen werden für Alte, Kranke, Behinderte, Traumatisierte, Alleinerziehende, die kaum eine Chance auf eine Aufenthaltserlaubnis bekommen werden, weil das Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung notwendig ist."

    Auch dass Menschen aus bestimmten Herkunftsländern, etwa dem Irak, ausgeschlossen sind, hält er für nicht akzeptabel. Einig aber sind sich Koalitionspolitiker und Vertreter von Flüchtlingsorganisationen: Dass es überhaupt eine solche Regelung gibt, ist ein Erfolg.

    Trotz der öffentlichen Wahrnehmung: Das Bleiberecht ist an sich nur ein kleiner Teil des Paketes, um das es am Donnerstag gehen wird. Ein Teil im übrigen, von dem viele sagen, die SPD habe ihn mit zahlreichen Verschärfungen des Ausländerrechts an anderer Stelle teuer erkauft, was der Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper von sich weist: Beim Bleiberecht habe er sich teilweise mehr gewünscht, die Gespräche seien aber gut gewesen, die Koalition vertrete das Paket als Ganzes.

    Darunter auch den zweiten, ganz anderen - Komplex, der wohl als einziger noch nennenswerten Eingang in die öffentliche Debatte gefunden hat: der Familiennachzug. In der Praxis werden vor allem Frauen betroffen sein, die hier lebende Ausländer heiraten und deshalb einreisen und hier leben dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen, die jetzt in mehrfacher Hinsicht verschärft werden, was Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble so begründet:

    "Man muss einfach sehen: Kinder von Eltern insbesondere türkischer Abstammung, um das Beispiel zu nehmen, die hier geboren werden, aufwachsen, heiraten in einer Größenordnung von bis zu 50 Prozent Ehepartner die nicht hier aufgewachsen sind. Wenn in einer so bemerkenswerten Größenordnung nicht Ehepartner, die hier auch aufgewachsen sind, das können ja auch Ehepartner mit Migrationshintergrund sein, sondern aus dem Heimatland der Eltern oder Großeltern; dann spricht eine Vermutung dafür, dass diese Art der Ehegattenwahl und dieser Teil von Familiennachzug in Wahrheit ein Integrationshindernis ist."

    An anderer Stelle spricht Schäuble auch von der arrangierten Ehe. Die konkreten Vorschläge wurden zum Teil mit dem Schutz der Frauen vor Zwangsehen begründet, so die Vorstellung, eine Altersgrenze von 21 Jahren für den nachziehenden Ehegatten einzuführen, womit sich die Union nicht durchsetzen konnte. Mit den 18 Jahren dagegen, die jetzt gelten sollen, können auch Ausländervertreter leben.

    Weiterhin im Entwurf und weiterhin umstritten ist eine anderer Punkt: Voraussetzung für Nachzug der, meist, Ehefrau soll sein, dass sie über ein Minimum an Deutschkenntnissen verfügt, auch zu ihrem eigenen Schutz, wie Politiker der Koalition betonen. Was halten ausländische Frauen in Deutschland davon?

    "Liebe Frauen, jetzt reden wir mal mündlich. Wir waren vor den Osterferien in einem Museum. Wie heißt das Museum?"

    Zehn Frauen aus arabischsprachigen Ländern sitzen um zusammengerückte Tische im Begegnungsraum des Vereins Al Nadi, Der Club. Sie sind hier, weil sie Deutsch lernen wollen. Durch die Integrationskurse müssen sie das auch, schon jetzt. Ein Zwang, den alle von ihnen begrüßen, auch eine Frau aus dem Libanon, die mit 20 Jahren nach Deutschland gekommen ist.

    "Jetzt 41, und jetzt auf einmal in die Schule zu gehen ist auch schwer für mich, so einfach. Weil: Hier gibt es natürlich den arabischen Arzt, Kinderarzt, die Lebensmittel, alles, alles Arabisch. Brauch ich nicht. Aber wenn von Anfang an Pflicht, machen das alle Frauen gerne: Deutschkurs und Lesen und Schreiben."

    Auch eine junge Frau aus dem Irak beklagt, man habe sie zehn Jahre allein zu Hause sitzen lassen. Verpflichtende Kurse in Deutschland seien längst überfällig gewesen, auch als Argument dem eigenen Mann gegenüber, der früher ihre Ambitionen hinterfragt habe:

    "Musst Du Deutschkurs gehen? Warum? Sagen: Ich gehe Deutschkurs. Warum Du gehen Deutschkurs? Aber wenn Gesetz ist, dann muss sie. Ja, aber muss."

    Und eine Mitarbeiterin der Organisation fügt hinzu:

    "Wenn sie ein bisschen Ahnung über die deutsche Sprache haben, dann können sie anfangen, über ihre Rechte zu fragen, oder wenn sie irgendein Papier ausfüllen. Wir haben hier viele Fälle, wo die Frauen auf das Sorgerecht verzichten, und sie wissen nicht."

    So sehr diese Frauen für die Schulpflicht vom ersten Tag an in Deutschland eintreten, so skeptisch sehen sie die Pläne, Sprachkenntnisse schon bei der Einreise zu verlangen. Auf dem Land im Irak oder auch in Anatolien gebe es keine Schule. Die Goethe-Institute seien meist nur in Hauptstädten vertreten und richteten sich an andere Zielgruppen. Ein Problem, das der Innenminister für lösbar hält:

    "Das Mindestmaß an Sprachkenntnis kann man in jedem, wenn man denn wirklich einen Menschen, der in Deutschland lebt, heiraten will und nach Deutschland kommen will, kann man in jedem Teil der Welt relativ leicht lernen."

    Die junge Irakerin hält das nicht für realistisch.

    "Ach! Von Irak ist schwer. Die Familie, und so, und so. Die kaufen Buch und sitzen, lesen? Nein! Immer arbeiten, du weißt. Frau zu Hause, immer arbeiten."

    Und die Lehrerin fügt hinzu, dass viele Frauen in arabischen Ländern die Schule nicht besucht hätten. Mit Büchern oder audiovisuellen Medien könnten sie wenig anfangen.

    "Also, das ist unmöglich. Sie wissen nicht, was Heft ist oder Stift ist überhaupt. Ich muss dann mal erklären, also Geschichten erzählen."

    Der SPD-Fraktionsvize Körper verteidigt die Regelung. Zumindest die Möglichkeit, sie einzuführen, sei in den EU-Richtlinien angelegt. Wer hier eine Ehe eingehen wolle, solle sich mit dem Land auseinandergesetzt haben.

    "Ich finde jedenfalls, dass wir alles daran setzen sollten, keinem Zuzug das Wort zu reden, wo dann jemand in isolierten Verhältnissen weg von jeglichen Verbindungsmöglichkeiten in Deutschland lebt. Hier muss keiner eine Doktorarbeit schreiben können, sondern es geht um eine einfache Verständigung."

    Nicht jeder, der über den Ehegattennachzug kommt, muss übrigens die Sprachhürde fürchten. Sie gilt nicht für EU-Bürger und nicht für Bürger einiger anderer Länder, darunter Japan und die USA. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening hält es zwar nicht für sinnvoll, schon vor der Einreise Sprachkenntnisse zu verlangen. Er beklagt aber, dass sich die öffentliche Debatte auf Fragen wie diese verengt habe. Gerade beim Familiennachzug hält er eine andere Frage für wichtiger: Nicht nur für Ausländer, auch für Deutsche kann der Familiennachzug unter bestimmten Umständen an das Einkommen gebunden sein, also daran, dass der Deutsche sich und seine Frau unterhalten kann. In der Gesetzesbegründung heißt es, das sei dann der Fall, wenn eine Familienzusammenführung im Ausland zumutbar ist, was für Eingebürgerte oder Doppelstaatler eher der Fall sein wird als für Deutsche ohne anderen kulturellen Hintergrund. Der Integrationsbeauftragte fürchtet, dass so eine Zwei-Klassen-Staatsbürgerschaft entstehen könnte.

    So würden Versuche konterkariert, vor allem jungen Ausländern das Signal zu geben, dass sie als Staatsbürger erwünscht seien. Dabei weist er auf noch eine andere Regel hin, die die Einbürgerung der in Deutschland Lebenden selbst betrifft:

    "In Fragen der Einbürgerung ist Anfang der 90er eine Regelung in das Gesetz aufgenommen worden, dass Jugendliche unter 23 Jahren kein eigenständiges Einkommen nachweisen müssen, wenn sie eingebürgert werden wollen. Damit hat man damals dem Rechnung getragen, dass man gesagt hat: Wir wollen erstmal nicht Jugendliche für die Armut der Eltern bestrafen. Und zum anderen wollen wir Jugendlichen, die hier groß geworden sind, eine klare Perspektive Richtung Staatsbürgerschaft aufzeigen. Und diese Regelung wird zurückgenommen. Das ist integrationspolitisch verheerend, muss man sagen, weil damit wirklich eine Gruppe von Jugendlichen getroffen wird, denen wir was anbieten wollen als Identifikationspunkt."

    Umstritten in dem 400-Seiten-Paket ist noch vieles, darunter etwa Sanktionen für so genannte Integrationsverweigerer, für Ausländer also, die immer wieder unentschuldigt den Integrationskursen fernbleiben, was die einen als heilsamen Zwang, als Motivation ansehen, die anderen fürchten wiederum, hier würde Ausländern signalisiert, dass man sie mit Misstrauen betrachte. Die Gesamtbewertung des Paketes fällt entsprechend unterschiedlich aus.

    Carlos Alborino von der Caritas betont, insgesamt betreibe die Bundesregierung eine sehr anerkennenswerte Integrationspolitik. Mit dem Integrationsgipfel, mit Kursen, mit Fachgesprächen, in denen erst neuerdings auch Ausländervertreter gehört würden - auf gleicher Augenhöhe. Für das Gesetzespaket gelte das aber nur teilweise:

    "Ich finde. wir haben es geschafft, bestimmte Dinge schon einen Schritt vorwärts zu bringen. Aber es gibt noch viele Regelungen, die dieses Gefühl geben, im Grunde genommen: Ein Migrant kann nur etwas sein, vor dem wir uns schützen müssen. Und dieses müssen wir noch abbauen."

    Auch Piening sieht den Entwurf mit gemischten Gefühlen. Beim Bleiberecht gehe es um menschenrechtliche Verantwortung. Ganz anders aber sehe es mit der Frage aus, wie wir uns hier aufgewachsenen Jugendlichen gegenüber verhalten.

    "Meine Hoffnung ist, dass dieses Gesetz auch nur ein Zwischenschritt ist, und wir wirklich auch akzeptieren, dass die Kids türkischer Eltern, die Kids arabischer Eltern in Neukölln oder in Kreuzberg, dass das keine arabischen oder türkischen Kinder sind, sondern Kreuzberger Kinder und Neuköllner Kinder und dass wir sie dementsprechend auch behandeln und nicht permanent überlegen: Gibt es nicht doch vielleicht eine Möglichkeit, dass wir sie doch wieder zurückbringen? Diese Grundfigur, die manchmal in dem neuen Gesetz erscheint, das ist das Gefährliche, weil wir damit Gefühle auch verstärken von Einwanderern: Letztendlich können sie machen, was sie wollen, sie gehören doch nicht dazu."

    Der SPD-Fraktionsvize Körper verweist auf die hinter dem Konvolut stehende Motivation.

    "Dass wir einfach auch diese Zuwanderungsfragen, jetzt insgesamt bei dem gesamten Paket, davon betrachten müssen: Wie geht eigentlich ein klassisches Einwanderungsland mit diesen Fragen um? Lange Zeit ist das ja abgestritten worden, dass wir Einwanderung hätten, dass wir quasi auch Einwanderung organisieren müssen. Dass das doch im Grunde genommen jetzt auch eingestanden ist, das finde ich, ist ganz wichtig."

    Wolfgang Schäuble betont, das Paket könne nicht allen Erwartungen gerecht werden. Aber es sei ein Entwurf,

    "der aber vielen doch mehr rechtliche Klarheit und mehr tatsächliche Chancen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet, der die Sicherheitserfordernisse unseres Landes verbessert, der die Integrationsanforderungen an Migrantinnen und Migranten verbessert, aber auch das Integrationsangebot und der im Ergebnis damit dazu beiträgt, dass das Zusammenleben in diesem Land friedlich und tolerant sein wird."

    Über das Paket wird es am Donnerstag im Bundestag lebhafte Debatten geben. Verschiedene Gegenanträge der Opposition liegen auf dem Tisch. Politiker der Koalition rechnen aber nicht damit, dass sich der Kompromiss noch wesentlich verändern wird.