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Verhasste Bauten

Mehr oder weniger heruntergekommene Hochhausbauten sind auf den Fotografien Roman Bezjaks zu sehen. So stellte man sich in den 60er- und 70er-Jahren die Städte der Zukunft vor. Heute wirken diese Trabantenstädte der sozialistischen Metropolen trostlos.

Von Carsten Probst |
    Manche wie riesige, treppenförmige Kaskaden, andere wie Bauklötzchen gestapelt, wieder andere in extravaganten Sternen- oder Muschelformen. Man sieht riesige Plätze und breite Magistralen, die den Sieg der totalen Ordnung gegen das Chaos symbolisieren. Oft sind es aber auch nur ganz banale Massenwohnsiedlungen in der Bauweise von gestaffelten Scheibenhochhäusern, die irgendwo auf freiem Feld, in den berühmten Trabantenstädten der sozialistischen Metropolen aus dem Boden gestampft wurden und heute in den Städten Osteuropas so gern mit riesigen Werbeschildern von Billigsupermärkten "verschönert" werden. Sie sind es, die heute gerade von der neo-bürgerlichen Avantgarde des Westens als Inbegriff, ja Beweis für das Scheitern der Moderne gesehen werden; als ideologisch kontaminierte Symbole für die Arroganz totalitärer Regime gegenüber gewachsenen, historisch überkommenen Stadtstrukturen. Roman Bezjak hat sich diesen so verhassten Bauten in einem jahrelangen Fotoprojekt dennoch mit einer Ausschließlichkeit gewidmet, die auf all jene, die vehement für die Rekonstruktion historischer Stadtzentren kämpfen, wie eine Provokation wirken dürfte. Bezjak, der als Professor für Fotografie in Bielefeld lehrt, aber aus der Slowakei stammt, mag zum einen ein fachliches Interesse an diesen fotografisch oft schwer darstellbaren "Monsterbauten" verfolgt haben. Vor allem aber leugnet er nicht eine gewisse Sentimentalität als Motiv. Nicht selten sind Abrissszenarien auf seinen Bildern zu finden oder Situationen, in denen sich Plätze binnen weniger Jahre rasant gewandelt haben. Es galt, eine städtische Atmosphäre des Sozialismus einzufangen, ehe diese Orte, diese "Shrinking Cities" des Ostens, plötzlich ganz oder teilweise wieder verschwunden sind wie ein Traum. Bezjaks Bilder verklären nichts, sie zeigen die Realität verrottenden, oft tristen, massenhaft erratisch und brutal verplanten Betons mit einer immer leichten Distanz, aber ohne den zugespitzten ästhetischen Realismus der Becher-Schule. Die Ausschnitte auf Bezjaks Fotografien evozieren keine Totalität, keine Überwältigung und Ausweglosigkeit des Blicks, sondern sie zeigen, wenn man will, die Gebäude auf Augenhöhe des Betrachters. Dabei fallen durchaus markante Unterschiede auf, sozusagen ein Ringen zwischen guten, stadtplanerisch, ingenieurtechnisch anspruchsvoll gedachten Lösungen wie bei dem oft schon abgebildeten Bauministerium in der georgischen Hauptstadt Tiflis, das an einem Berghang gegen alle physikalische Logik wie übereinandergelegte monumentale Bauklötze erscheint, und eben jenen wahllos in die Landschaft geklotzten Megasiedlungen der Vorstädte. Diese "Sozialistische Moderne" also, es dürfte sie eigentlich gar nicht gegeben haben, aber nicht deshalb, weil man sie heute hasst, sondern deshalb, weil das, was als Moderne bekannt ist, bekanntermaßen in der Sowjetunion seit Stalin quasi unter Androhung der Todesstrafe oder sonstiger Existenzvernichtung verfolgt wurde.

    Die Moderne war bourgeoises Kosmopolitentum, im schlimmsten Fall auch noch jüdisch unterwandert. Auch in der DDR bekannte man sich bis Ende der 50er-Jahre zu einem Sozialismus, der ein nicht näher definiertes nationales Erbe fortführen sollte, das galt auch für die alten Stadtzentren, auch wenn sie im Krieg zerstört worden waren. Chruschtschow war es, der mit Stalins Zuckerbäckerstil Schluss machte und nun die neue Doktrin von der sowjetischen Kleinfamilie ausrief, die autogerechnete Stadt, die Trennung von Wohnen und Arbeit. Man verkaufte das als sozialistische Ideen, dabei waren es Abwandlungen von Ideen des russischen Konstruktivismus aus der vor- und frühsowjetischen Zeit. Am Anfang dieser Wende des Sozialismus zur Moderne standen sogar noch avantgardistische Ideen. Erst infolge von fortschreitendem Versorgungsmangel und unterdrücktem Gestaltungswillen entglitt die Entwicklung in monströse Fehlplanungen "mit nebeneinander aufgereihten Häuserblöcken, in die mit der Maschinenpistole ganze Fensterreihen hineingeknattert scheinen", wie Hermann Henselmann später schrieb. Wer aber heute den Abriss vieler qualitativ hochstehender Bauten dieser etwa in Leipzig oder Dresden erlebt und sieht, was noch Schlimmeres an deren Stelle gesetzt wird, weiß, das genau das es ist, was die Fotografien Roman Bezjaks schon heute zu einem Werk von historischer Dimension macht.