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Verkannte Schmerzen

Medizin. - In Frankfurt/Main findet an diesem Wochenende der Deutsche Schmerztag statt. Weit über 1000 Experten sind dazu erschienen. Ein Schwerpunktthema sind in diesem Jahr Schmerzen im Kindesalter.

    Noch bis Ende der 60er Jahre gingen selbst Fachleute davon aus, dass Kinder unempfindlicher gegen Schmerz seien als Erwachsene und daher weniger Schmerzmittel benötigten. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie keineswegs weniger empfinden, sondern sich nur nicht so gut ausdrücken können. "Das schmerzhemmende System im Körper entsteht eigentlich erst so um die 40 Schwangerschaftswoche, Frühgeborene werden aber viel früher geboren, bringen also bestimmte Voraussetzungen für die Schmerzempfindung mit, haben aber nur wenige Möglichkeiten, gegen die Schmerzen etwas zu unternehmen", erklärt der Boris Zernikow, Arzt an der Münsteraner Universitäts-Kinderklinik. Weil diese Schmerzen zwar existent sind aber viel schlechter als bei älteren Patienten erkannt werden können, hat es zahlreiche Fehlbehandlungen gegeben.

    Eine Untersuchung aus den USA hat ergeben, dass fehlende Schmerztherapie bei den Frühchen zu einer erhöhten Sterblichkeit geführt hat. Eine andere Untersuchung ergab lebenslange Folgen mangelnder Behandlung. Zernikow: "Wenn Kinder keine ausreichende Schmerztherapie erhalten zeigen sich schon sehr früh Chronifizierungsprozesse." Dabei spielt tatsächlich die Ursache der Schmerzen eine Rolle. Die Frühgeborenen waren gegenüber Schmerzen aufgrund einer ärztlichen Behandlung wesentlich empfindlicher als Kinder, die nicht auf der Intensivstation gelegen hatten. Dagegen hielten sie Schmerzen infolge von Unfällen oder Verletzungen besser aus.

    Dabei beeinflussen diese frühkindlichen Ereignisse offenbar das gesamte Leben. Wer bereits als Kind an bestimmten chronischen Schmerzen leidet, behält die Anfälligkeit dagegen mit großer Wahrscheinlichkeit sein Leben lang. "Kinder mit chronischen Kopfschmerzen behalten diese zu zwei Dritteln bis ins Erwachsenenalter, bei Bauchschmerzen und bei psychosomatischen Beschwerden sind es ein Drittel", erklärt Zernikow. Um so wichtiger sind nach Ansicht der Experten frühzeitige, vorbeugende Maßnahmen.

    [Quelle: Bernhard Winkler]