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Verkaufsschlager Anti-Schädlingsreis

Wenn in China ein Sack Reis umfällt, dann kümmert das dem Sprichwort nach niemanden. Anders verhält es sich mit dem Sack Reis, auf dessen Etikett lediglich "Anti-Schädlingsreis" steht. Eigentlich sollte er nur auf Versuchsfeldern landen, zugelassen ist er als Saatgut auch noch nicht. Doch offenbar läuft in der Provinz Hubei in China ein schwunghafter kommerzieller Handel mit dem Anti-Schädlingsreis.

Von Grit Kienzlen | 29.04.2005
    Den Tip über den Anti-Schädlingsreis bekamen die Mitarbeiter von Greenpeace in China von unerwarteter Seite. Nicht einheimische Reisbauern steckten ihnen, dass in der Provinz Hubei nicht zugelassener Genreis über die Ladentheken gehe, sondern ein amerikanisches Nachrichtenmagazin, erzählt Sze Pang Cheung von Greenpeace in Peking:

    "Vor unsere Stipvisite fiel uns ein Artikel aus dem Magazin Newsweek in die Hände. Darin wurde ein chinesischer Forscher aus der Provinz Hubei zitiert: Eine lokale Saatgutfirma verkaufe die Xianyou Samen an Bauern, die sie aussäten. Wir dachten uns, wenn das stimmt, dann wird der Genreis in Hubei illegal verkauft und angebaut."

    GM Xianyou 63 ist eine in China entwickelte Reissorte, die durch ein zusätzliches Gen aus dem Bakterium Bacillus thurinigiensis widerstandsfähig ist gegen den Befall mit Schmetterlingsraupen. Diese Schädlinge vernichten in manchen Teilen Chinas große Teile der Ernte, wenn sie nicht durch Pestizide bekämpft werden, mit denen sich die Bauern regelmäßig selbst vergiften. In einem Feldversuch in Hubei, der heute im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde, schildert Jikun Huang vom Zentrum für Landwirtschaftsentwicklung der chinesischen Akademie der Wissenschaften die Vorteile des Anbaus der Genreis-Variante:

    "Wir stellten eine erhebliche Verminderung beim Pestizid-Einsatz fest, etwa 80 Prozent Verminderung. Zweitens erhöhte sich der Ertrag um 6 bis 9 Prozent und das dritte sehr wichtige Ergebnis: die Gesundheit der Bauern verbesserte sich. Von den Bauern, die ihren Reis konventionell anbauen, wurden viele krank von den Pestiziden."

    Kopfschmerzen, Übelkeit und Hautausschläge sind häufige Folgen von Pestiziden wie Organophosphaten, die in China viel zum Einsatz kommen. Gut vorstellbar, dass auch Bauern außerhalb des Feldversuchs gern auf den extremen Pestizideinsatz verzichten wollten. Greenpeace unternahm zwischen Februar und April dieses Jahres vier Ausflüge nach Hubei, erzählt Sze Pang Cheung. In 18 der 25 gesammelten Reisproben fand die Freiburger Firma Genescan später das für die Schädlingsresistenz verantwortliche BT-Protein.

    "Wir waren eigentlich schockiert darüber, wie einfach die Recherche verlief. Wir haben zuerst ein paar Saatgutfirmen in Hubei angerufen. Und einige sagten uns, sie hätten diese Reissorte und sogar, dass es sich um gentechnisch veränderten Reis handelt. Also reisten wir dort hin, und besuchten die Saatgutfirmen und Saatguthändler. Wir verfolgten zurück, wem sie es verkauft hatten, fanden die Bauern und fragten die, wem sie ihren Reis verkaufen. So fanden wir die Reismüller und verfolgten den Reis bis zum Reismarkt. "

    Den Bauern, sagt Sze Pang Cheung sei nicht klar gewesen, warum die Reissorte so gut von Schädlingen verschont blieb. Abgesehen von der Greenpeace Mitteilung und einer Reportage der New York Times gibt es bislang keine Berichte über den illegalen Reisverkauf in der Region. Das chinesische Landwirtschaftsministerium soll dem Studienleiter Jikun Huang zufolge eine Untersuchung eingeleitet haben. Unklar bleibt, wie weit der Genreis bereits verkauft wurde. Die Ernte aus solchem Saatgut auf ihren Feldern, werden die Bauern voraussichtlich nicht wieder aussähen, da es sich um so genannte Hybride handelt, die in der zweiten und dritten Generation schlechte Erträge liefern. Daher kaufen die Bauern ihr Saatgut immer neu.

    "Die Technologie, solchen Hybridreis herzustellen ist vielen Saatgutfirmen verfügbar. Wir sind daher besorgt, dass weitere Menschen die Reinzüchtungen der Hybride in die Hand bekommen. Damit könnten sie dieses Saatgut auch außerhalb von Hubei herstellen und verkaufen. "

    Zwar geht von dem gut getesteten GM Xianyou 63 – Reis sehr wahrscheinlich keine Gefahr für Mensch oder Umwelt aus. Doch der Fall zeigt, wie schwer die Verbreitung solcher Saaten in China kontrollierbar ist.