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Verkehr
Radwegpflicht war gestern

Die generelle Pflicht zur Radwegbenutzung hat das Bundesverwaltungsgericht bereits Ende 2010 aufgehoben. Seitdem dürfen Kommunen Radwege innerorts nur noch bei besonderen Gefahrenlagen mit dem blauen Radwegekennzeichen ausweisen. Das bringt Vorteile, birgt aber auch Gefahren.

Von Kai Rüsberg | 18.08.2014
    Die Bundesstraße 51 ist eine der Hauptachsen in Bochum. Der Verkehr von zwei Autobahnen läuft über die eng mit Wohnhäusern bebaute Straße in die Innenstadt - Jahrzehnte lang vierspurig.
    Doch jetzt sind es nur noch zwei Fahrspuren plus eine Mittelspur. An den Seiten wurde Platz geschaffen für zwei Radwege auf der Fahrbahn. Solche gut sichtbaren Radwege werden von Jürgen Eichel, Sprecher des Länderrates im Verkehrsclub Deutschland, als vorbildlich gelobt.
    "Jetzt ist das in unserem Sinne gut gelöst, gut markiert und gut sichtbar. Und in der Mitte können weiterhin auch die Autos fahren."
    In Bochum hat man inzwischen die meisten Radwege auf den Bürgersteigen entweder auf die Straße verlegt oder gänzlich abgeschafft.
    In Herford in Westfalen ist die Stadt noch konsequenter. Der Verkehrsausschuss hat generell angeordnet, die Benutzungspflicht für die Radwege aufzuheben, die neben der Fahrbahn laufen. Nur noch zwei Ausnahmen gibt es, so Ordnungsamtsleiter Jürgen Sobek:
    "Wir haben nach dem Beschluss beauftragt die Schilder abzumontieren. Das heißt, die Nutzer müssen nicht auf die Straße. Das wird ein Gewöhnungsprozess sein. Sie haben die Möglichkeit beides zu nutzen, sowohl Radweg, als auch die Straße."
    Sinkende Unfallzahlen
    Die generelle Radwegebenutzungspflicht war bereits Ende 2010 vom Bundesverwaltungsgericht durch ein Urteil aufgehoben worden. Seitdem dürfen die Kommunen Radwege innerorts nur noch bei besonderen Gefahrenlagen mit dem blauen Radwegekennzeichen ausweisen.
    In Herford läuft diese Umstellung seit vier Jahren. Die Radwege werden auf die Straße verlegt. Zunächst hatten die Radfahrer Sorgen, sie wären dadurch einer größeren Unfallgefahr auf der Straße ausgesetzt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Seitdem sinken die Unfallzahlen kontinuierlich.
    "Allerdings zeigen unsere Unfallstatistiken, dass es sich sehr positiv ausgewirkt hat. Dann hatten wir im Jahr 2008 115 Unfälle mit 101 verletzten Radfahrern im Stadtgebiet. Im Jahr 2013 als Vergleichsjahr hatten wir noch 50 Prozent der Unfälle, 64 mit 59 Verletzten. Eine sehr gute Entwicklung. / Das hat auch die letzten Zweifler überzeugt."
    Herford hat die Umstellung abgeschlossen. Das Urteil wird in den Kommunen jedoch sehr unterschiedlich umgesetzt. In München hat sich der Leiter der Abteilung Straßenverkehr für eine Überprüfung jedes einzelnen Radwegs entschlossen.
    "Wir haben eine Prüfung für etwa 400 Straßen eingeleitet und haben bisher etwa 25 Prozent aller Straßen freigegeben."
    München bezeichnet sich selbst als Radelhauptstadt. Dort werden bereits fast 20 Prozent aller innerstädtischen Fahrten mit dem Fahrrad unternommen. Dabei ist es kein Widerspruch, die Radwegeschilder abzumontieren, so Bieling.
    "Die größte Zahl der Unfälle mit Radfahrern entsteht an Knotenpunkten. Dabei ist es von Vorteil, wenn sich die Verkehrsteilnehmer untereinander sehen. Und wenn Radfahrer auf der Straße oder auf Radfahrstreifen fahren, können sich die Verkehrsteilnehmer auch untereinander sehen, als wenn sie untereinander versetzt fahren und in den Hintergrund geraten."
    Gefahrenzone Gehweg
    Doch durch das Aufheben der Benutzungspflicht entstehen neue Konflikte. Zum einen sind die Radwege nicht mehr ausgeschildert, obwohl sie weiter benutzt werden dürfen. Sowohl für Radfahrer als auch Fußgänger ist die Situation oft unklar. Zum anderen sind Autofahrer häufig uneinsichtig, warum sie sich nun mit dem Fahrrad eine Fahrbahn teilen sollen. In München behilft man sich, indem die Stadt selbst entworfene Hinweisschilder aufstellt.
    "Immer, wenn wir die Benutzungspflicht aufgehoben haben, haben wir das Hinweisschild aufgestellt, als Information an die Autofahrer, dass dort Radfahrer auf der Straße fahren dürfen."
    Die Radfahrverbände und der Verkehrsclub begrüßen die Neuregelungen der Radwege in den Kommunen. Jürgen Eichel vom VCD weist auf die großen Geschwindigkeitsunterschiede auf Rad und Fußwegen hin: durch die neuen, mit Elektromotor angetriebenen Pedelec-Fahrräder.
    "Mit dem Aufkommen der Pedelecs verschärft sich der Druck auf Kommunen, dass man da jetzt handelt. Je stärker die Geschwindigkeitsunterschiede werden, um so untragbarer wird es, wenn man sich mit Fußgängern den Gehweg teilt."