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Verkehrsplanung
Besser zu Fuß durch die Stadt

Abgase, rasende Autos, lange Ampelphasen - Fußgänger werden in Städten oft nicht bevorzugt behandelt. Das Deutschen Institut für Urbanistik arbeitet derzeit an einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie und plädiert dafür, mehr zu Fuß zu gehen.

Von Philip Banse | 25.01.2018
    Zwei Passanten mit farbigen Regenschirmen gehen in Stuttgart über einen Zebrastreifen.
    "Der Homo Sapiens ist ja Fußgänger per se", sagt Tilman Bracher vom Institut für Urbanistik (dpa / picture alliance / Sebastian Kahnert)
    Berlin, Schönhauser Allee, zwei, teilweise drei Auto-Spuren in eine Richtung, 20 bis 30 Fußgänger warten an der Ampel, minutenlang, Radfahrer rasen vorbei, Autoabgase steigen auf, während auf der anderen Straßenseite eine Straßenbahn nach der anderen abfährt.
    "Der Homo Sapiens ist ja Fußgänger per se. Er musste allmählich den Fahrzeugen weichen und seit einigen Jahrzehnten gibt es deshalb das Thema Fußgänger, Fußverkehr auch in der Verkehrsplanung, aber es beginnt erst, Teil der Verkehrsplanung zu werden", sagt Tilman Bracher, Volkswirt beim Deutschen Institut für Urbanistik, das aktuell im Auftrag des Umweltbundesamtes an einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie arbeitet und gestern einige Stunden darüber diskutierte, wie Städte begehbarer werden können:
    "Fußverkehr macht Städte attraktiv, belebt sie. Das wissen sie als Tourist, dass Städte, wo man gut zu Fuß ist, dass die sehr gerne besucht werden, Barcelona, italienische Städte. Der Einzelhandel profitiert, die Gastronomie profitiert, es ist weniger Lärm auf den Straßen, Fußverkehr verursacht keine Schadstoffe. Also es gibt 1.000 gute Gründe", sagt Uta Bauer Deutschen Institut für Urbanistik, die die Idee zur Tagung gestern hatte.
    Maßnahmen, um Fußgänger zu ihrem Recht zu verhelfen
    Mehr als ein Drittel der Wege in Berlin würden zu Fuß zurückgelegt. Und es gebe eine Reihe einfacher Maßnahmen, mit denen Planer Autos zurückdrängen und Fußgängern zu ihrem Recht verhelfen könnten:
    "Die Werkzeuge sind eben den Radverkehr auf die Straße zu führen; die Ampelschaltung so zu organisieren, dass Fußgänger nicht fünf Minuten brauchen, um die Kreuzung zu überqueren. An die Barrierefreiheit muss man denken. Wir werden immer älter und es gibt immer mehr Menschen, die langsamer und mit entsprechenden Hilfsmitteln unterwegs sind."
    Und in der Tat scheinen die Belange von Fußgängern mehr Gehör zu finden bei Politikern. Das Umweltbundesamt lässt wie gesagt eine bundesweite Fußverkehrsstrategie schreiben; das Land Berlin hat ein Mobilitätsgesetz, in das die Landesregierung dieses Jahr noch den Fußverkehr einarbeiten will, sagt Dirk Bartel vom Berliner Verkehrssenat und zuständig für die Berliner Fußverkehrsstrategie. Ziel sei es Flächengerechtigkeit herzustellen:
    "Wenn ich parkenden Verkehr aus solchen Verkehrsräumen hinausnehme, wenn ich die Fahrbahnbreite verringere, wenn ich Seitenräume verbreitere, wenn ich Radwege von den Gehwegen herunterhole - das meine ich mit Herstellen von Flächengerechtigkeit zu Gunsten anderer Verkehrsträger als das Kfz."
    Pilotprojekte in Berlin
    Die Berliner Fußverkehrsstrategie gibt es seit sieben Jahren, so furchtbar viel ist bisher nicht passiert, vor allem wegen Personalmangels. Im Zentrum stehen drei Pilotprojekte: Begegnungsräume genannt, für die in drei Straßen Bordsteine abgesenkt, Parkplätze gestrichen, Radwege verlegt, Bürgersteige verbreitert und Bänke aufgestellt wurden. Das erste Pilotprojekt in der Maasenstraße, gesteht Bartel, wurde von Anwohnern massiv kritisiert:
    "Weil es nicht gemütlich ist. Man setzt sich da ungern hin. Die Bänke sind im Winter zu kalt, im Sommer zu heiß, sie sind wirr aufgestellt, was mit planerischen Zwängen zu tun hatte."
    Die Verwaltung habe darauf reagiert und etwa eine Anwohnerbeteiligung durchgeführt, deren Ergebnisse auch ernst genommen wurden:
    "Ich möchte nicht sagen, das ist ein Paradigmenwechsel, aber es ist das erste Mal gewesen, dass das Haus entschieden hat, wir setzen nicht das durch in diesem Projekt, was wir uns so vorgestellt haben mit kleinen Änderungen."
    Parklets werden getestet
    Nun werden neue Fußgänger-Maßnahmen erstmal getestet. Etwa die Parklets. Das sind letztlich Podeste mit gemütlichen Holzbänken, die genau in Parklücken lassen.
    "Das ist ein relativ großes Gerät. Wir sagen so scherzhaft intern immer, das ist so ein Behördenpanzer, der muss wahrscheinlich auch noch ein Kennzeichen kriegen."
    Mit diesen Sitzinseln soll nun die teilweise dreispurige Schönhause Allee fußgängerfreundlicher werden. Vor allem sollen Sitzmöglichkeiten entstehen, wo Fußgänger nicht trinken oder essen müssen. Mit den Parklets soll die Straße zudem verengt werden, erst auf zwei, dann vielleicht auf eine Spur.
    "Da wird so ein bisschen das Zeitalter des autogerechten Stadtausbaus, das Ende wird so ein stückweit eingeläutet in so einem Leuchtturmprojekt."