Samstag, 20. April 2024

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Verkehrswegeplan
"Das Fahrrad hat eine fantastische Zukunft vor sich"

Der Verkehrswegeplan von Bundesminister Alexander Dobrindt sei nicht der Plan für die Verkehrswende, den man gebraucht hätte, sagte der Geschäftsführer des ADFC, Burkhard Stork, im DLF. "Aber in einem Detail hat er sich massivst weiterentwickelt, und das ist genau die Frage des Baus von Radschnellwegen."

Burkhard Stork im Gespräch mit Stefan Römermann | 04.08.2016
    Radfahrer in der Altstadt von Münster. Im Hintergrund die Lambertikirche.
    Radfahrer in der Altstadt von Münster. Im Hintergrund die Lambertikirche. (picture alliance / dpa / Friso Gentsch)
    Stefan Römermann: Von Umweltverbänden kam viel Kritik: Der neue Bundesverkehrswegeplan sei konzeptlos, hieß es, und klimapolitisch fahrlässig, er setze zu viel auf überflüssige Autobahnprojekte und fragwürdige Ortsumfahrungen, und überhaupt sehr viel zu viel aufs Auto. Eine der wenigen positiven Stimmen kam vom Fahrrad-Club ADFC. Am Telefon bin ich jetzt verbunden mit dem ADFC-Geschäftsführer Burkhard Stork. Herr Stork, das allermeiste Geld fließt doch in den Bau und den Erhalt von Straßen und Schienenwegen. Was haben Sie denn als Radfahrer davon?
    Burkhard Stork: Ja, selbstverständlich ist das so. Es ist auch die Kritik der Umweltverbände natürlich nicht falsch. Der Bundesverkehrswegeplan ist nicht der Plan für die Verkehrswende, den wir gebraucht hätten. Aber in einem Detail hat er sich massivst weiterentwickelt, und das ist genau die Frage des Baus von Radschnellwegen.
    Römermann: Was ist ein Radschnellweg?
    Stork: Ein Radschnellweg ist ein Weg, auf dem ich als Radfahrer kreuzungsfrei und auf einem guten Untergrund unterwegs sein kann.
    Römermann: Das heißt? Wie funktioniert das?
    Stork: Manchmal gibt es das böse Wort "Radautobahn". Das hören wir natürlich nicht so gern, weil Auto, damit wollen wir nicht in Verbindung gebracht werden, aber es ist im Endeffekt so was Ähnliches wie eine wirklich hochwertige, in Anführungsstrichen, Autobahn für Fahrräder. Ich habe natürlich Auffahrten, ich habe natürlich ab und zu auch mal so was wie eine Kreuzung, wenn es unumgehbar ist. Ich habe vor allen Dingen aber ein schönes, breites Asphaltband, vier bis sechs Meter, auf dem ich vernünftig, ohne dauernd anhalten zu müssen, fahren kann.
    "Fachleute messen Unterbrechungssekunden pro Kilometer"
    Römermann: Ja, das stört mich ja hier durchaus bei den Fahrten in Köln auch immer, dass ich dann an jeder zweiten Kreuzung halten muss, bei jeder Ampel eigentlich als Fahrradfahrer, während die Autofahrer eine grüne Welle haben. Das lässt sich also lösen?
    Stork: Ja, das lässt sich lösen. Fachleute messen genau das, was Sie gerade beschrieben haben. Fachleute messen Unterbrechungssekunden pro Kilometer, um so was wie Komfort von Radwegen zu beschreiben. Und die sind natürlich bei Radschnellwegen sehr wenig, Unterbrechungssekunden, weil ich da schön fahren kann. Also nicht maximale Geschwindigkeit, sondern vernünftig mit einer vernünftigen Geschwindigkeit gut fahren können.
    Römermann: Für den Weg zum Bäcker oder um die Ecke zum Supermarkt bringt mir das herzlich wenig. Für wen ist denn das interessant, diese Radschnellwege?
    Stork: Das stimmt, für den Weg zum Bäcker oder zum Supermarkt muss auch noch was passieren, und auch da müsste der Bund sich künftig mehr engagieren, aber jetzt bei den Radschnellwegen ist es sicher so, dass die vor allen Dingen für den Pendlerverkehr oder für den Verkehr zwischen Städten oder von der Peripherie von Städten in die Stadt rein was bringen.
    Römermann: Sie schreiben da, 25 Prozent Radpendler seien möglich, also jeder vierte könnte doch eigentlich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Ist das nicht doch vielleicht ein bisschen hoch gegriffen?
    Stork: Der deutsche Pendelweg, zumindest nach den jüngsten Zahlen, die wir haben, liegt bei zwölf Kilometern. Das ist für viele heute nicht vorstellbar, zwölf Kilometer mit dem Fahrrad zu fahren, weil man, wie Sie es gerade für Köln beschrieben haben, dauernd anhalten muss, weil man sich häufig nicht vernünftig fortbewegen kann und auf Geschwindigkeiten als Radfahrer kommt, die nicht attraktiv sind. Sind sie beim Auto auch nicht, aber beim Rad sind sie auch noch nicht richtig attraktiv. Mit einem guten Radschnellweg und einem guten Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur sind zwölf Kilometer durchaus etwas, was man fahren kann. In den Niederlanden, wo es diese Infrastruktur ja schon länger gibt und wo viel mehr passiert ist in den letzten Jahren, sehen wir, dass zehn, zwölf Kilometer durchaus eine realistische Pendelstrecke für viele Menschen ist.
    Römermann: Wie wichtig sind in dem Zusammenhang auch die neuen E-Bikes - also so neu sind sie inzwischen ja auch gar nicht mehr -, die E-Bikes, mit denen man ja doch tatsächlich etwas leichter längere Strecken auch zurücklegen kann?
    Stork: E-Bikes sind super. Ich fahre in der Regel im Anzug ins Büro, und deswegen freue ich mich immer, wenn ich mein Dienst-E-Bike nehmen kann, weil das ist auch anzugtauglich. Ich habe 15 Kilometer, und 15 Kilometer plus Anzug plus ein Tag im Büro ohne Miefen, das ist mit einem E-Bike deutlich einfacher, muss man klar sagen.
    "E-Bikes spielen eine große Rolle, um größere Distanzen leichter zu machen"
    Römermann: Nur, wenn es regnet, ist es problematisch.
    Stork: Ja – es regnet in Deutschland ja nicht so richtig viel, 80 Tage, glaube ich, regnet es in Berlin. Da sind dann noch ein paar Samstage und Sonntage dabei. Also an vielen, vielen Tagen kann man das total gut machen. Und dann gibt es sicher auch noch tolle Regenkleidung von tollen Herstellern, da bin ich ganz sicher. Also, E-Bikes spielen eine große Rolle, um größere Distanzen leichter zu machen. E-Bikes spielen natürlich in topografisch bewegten Zonen eine große Rolle, ich denke an Städte wie Mainz oder Wuppertal oder sonst was, die deutliche Erhebungen im Stadtbild haben. Da sind E-Bikes auch noch mal deutlich attraktiver.
    Römermann: Ansonsten denken Sie, braucht es an anderen Stellen auch noch unbedingt etwas Neues für die Radfahrer?
    Stork: Das Fahrrad wird im nächsten Jahr 200 Jahre alt und hat eine fantastische Vergangenheit hinter sich und hat aber auch eine fantastische Zukunft vor sich. Was es braucht, ist natürlich in allererster Linie gute Infrastruktur, Platz auf der Straße. Wenn ich hier in Berlin aus meinem Büro gucke, sehe ich rechts und links der Asphaltfahrbahn erst mal auf beiden Seiten ganz viel Parkstreifen und ganz viel Platz für parkende Autos, und die Fahrräder müssen sich irgendwie mit dem fließenden Kfz-Verkehr da irgendwie den engen Mittelstreifen teilen. Also, ganz viel Platz, eine gute Infrastruktur, auf der man sich gern bewegt, auf der Menschen gern unterwegs sind, die sich heute noch überhaupt nicht vorstellen können, Fahrrad zu fahren, und nicht nur Menschen, die jetzt mutig heute schon durch den Verkehr schlängeln. Das ist natürlich das Allererste, was wir brauchen. Und dann brauchen wir auch weiterhin den Bund an der Spitze.
    Römermann: Ich muss Sie da jetzt leider abwürgen, weil ansonsten es dann doch etwas knapp wird. Burkhard Stork, Geschäftsführer beim Fahrrad-Club ADFC. Vielen Dank für das Gespräch!
    Stork: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.