Soldaten im Kampf Mann gegen Mann, Flugzeugstaffeln, aus denen es Bomben gen Erde regnet, dazwischen der Oberkommandierende Stalin, die Hand zackig ausgestreckt zum Gruß den Marschierenden der Roten Armee auf dem Roten Platz: Über die breite Leinwand im großen Festsaal des Moskauer Puppentheaters flimmert in hektischem Schwarz-Weiß das Grauen des Zweiten Weltkrieges. Die renommierte russische Menschenrechtsorganisation Memorial hat heute Nachmittag hierher geladen. "Der Mensch und die Geschichte, Russland im 20. Jahrhundert", so heißt der Schülerwettbewerb, an dem 3000 Jugendliche aus allen Landesteilen teilgenommen haben.
Die 40 Besten von ihnen werden hier heute ausgezeichnet. Aufgeregte, rotbackige oder extrem bleiche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren mit Blüschen und Kostüm oder Anzug oder mit Stöckelschuhen, bauchfrei und im Minirock, kommen nacheinander auf die Bühne und nehmen die weißen Umschläge mit ihren Zeugnissen entgegen. Monatelang saßen sie in den Archiven in ihren Heimatstädten und Dörfern, ob in Sibirien, der Republik Komi oder in Moskau, und recherchierten die Schicksale ihrer im Zweiten Weltkrieg umgekommenen Vorfahren oder die von anderen Opfern ihrer Heimatorte. Jewgenija Malschewa, 17, aus Tscheljabinsk:
"Die Geschichte ist bei uns sehr oft umgeschrieben worden, und es ist jetzt sehr schwierig aus den Lehrbüchern zu erfahren, was ist eigentlich tatsächlich passiert, was ist die Wahrheit? Und deshalb hatte ich den Wunsch, hier zu graben, Antworten auf meine Fragen zu finden. Es ist die Neugier, die Geschichte, so wie sie war, zu erforschen."
In neueren Geschichtsbüchern erfahren die Schüler heute, dass Stalin zwar eine komplizierte Persönlichkeit, aber eben doch ein großer Feldherr war. Der millionenfache Tod von unschuldigen Zivilisten als Folge von Kollektivierung und Krieg wird zur Nebensache. Die 16-jährige Anastasija Kruschalina aus Irkutsk:
"Man darf sich das nicht alles so düster vorstellen. Das ist unser Land und unsere Heimat. Es gab positive Züge in Stalins Regierungszeit. Er war kein totaler Tyrann. Er wollte unser Land und unsere Gesellschaft weiter entwickeln und in eine hellere Zukunft führen. Er hat es eben nur mit seinen Methoden gemacht. Und auf internationaler Ebene hat er die Sowjetunion wirtschaftlich konkurrenzfähig gemacht."
So reden selbst Jugendliche, die gerade den Tod ihrer Vorfahren als Folge der Repressionen Stalins untersucht haben. Paradox und traurig findet das die russische Historikerin Irina Scherbakowa:
"Wenn sie bei den Arbeiten und bei den Geschichten, die sie auch von ihren Angehörigen beschreiben, diese Rolle auch noch positiv sehen, das konnte man sich erstens vor einiger Zeit noch kaum vorstellen. Und zweitens ist es natürlich eine Niederlage, die wir erlitten haben, alle demokratisch denkenden Menschen hier in Russland. Stalin tritt wieder als Träger dieses starken Russlands hervor. Ich hoffe sehr, dass solche Aktionen wie dieser Schülerwettbewerb dazu führen, dass die Kerne die dabei gesät werden, irgendwann doch wachsen werden."
Professor Bernd Bonwetsch, Osteuropa-Historiker und Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Moskau, ist zwar auch schon wieder auf Stalin-Porträts in Klassenzimmern gestoßen, will aber noch nicht von einer gezielten Rehabilitierung des Diktators sprechen. Doch je weniger Vertrauen ein Volk in Gegenwart und Zukunft habe, desto intensiver suche es nach Quellen des Selbstbewusstseins in der Vergangenheit. Eine Tendenz die im Russland der 90er Jahren begonnen und zu den 60-Jahr-Feierlichkeiten vor einem Jahr ihren Höhepunkt erreicht habe. Bernd Bonwetsch:
"Was passiert, das ist ein Zulassen eines Geistes, indem auch jeder, der möchte, Stalins positiv gedenken kann. Das ist ein Mangel an kritischer Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit und der Blick allein auf die Größe, die unter Stalin für das Imperium Sowjetunion erreicht wurde. Dem trauert man nach."
Russland begeht heute den 61. Jahrestag des Weltkriegsendes - eine krumme Zahl, doch ein großer Gedenktag. 20 Jahre nach Glasnost und den Debatten über den Stalinismus will Putins Russland wieder anknüpfen an den alten Ruhm - und damit an die Zeit der schwarzen Flecken im Gedächtnis und in den Zeitungen.
Die 40 Besten von ihnen werden hier heute ausgezeichnet. Aufgeregte, rotbackige oder extrem bleiche Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren mit Blüschen und Kostüm oder Anzug oder mit Stöckelschuhen, bauchfrei und im Minirock, kommen nacheinander auf die Bühne und nehmen die weißen Umschläge mit ihren Zeugnissen entgegen. Monatelang saßen sie in den Archiven in ihren Heimatstädten und Dörfern, ob in Sibirien, der Republik Komi oder in Moskau, und recherchierten die Schicksale ihrer im Zweiten Weltkrieg umgekommenen Vorfahren oder die von anderen Opfern ihrer Heimatorte. Jewgenija Malschewa, 17, aus Tscheljabinsk:
"Die Geschichte ist bei uns sehr oft umgeschrieben worden, und es ist jetzt sehr schwierig aus den Lehrbüchern zu erfahren, was ist eigentlich tatsächlich passiert, was ist die Wahrheit? Und deshalb hatte ich den Wunsch, hier zu graben, Antworten auf meine Fragen zu finden. Es ist die Neugier, die Geschichte, so wie sie war, zu erforschen."
In neueren Geschichtsbüchern erfahren die Schüler heute, dass Stalin zwar eine komplizierte Persönlichkeit, aber eben doch ein großer Feldherr war. Der millionenfache Tod von unschuldigen Zivilisten als Folge von Kollektivierung und Krieg wird zur Nebensache. Die 16-jährige Anastasija Kruschalina aus Irkutsk:
"Man darf sich das nicht alles so düster vorstellen. Das ist unser Land und unsere Heimat. Es gab positive Züge in Stalins Regierungszeit. Er war kein totaler Tyrann. Er wollte unser Land und unsere Gesellschaft weiter entwickeln und in eine hellere Zukunft führen. Er hat es eben nur mit seinen Methoden gemacht. Und auf internationaler Ebene hat er die Sowjetunion wirtschaftlich konkurrenzfähig gemacht."
So reden selbst Jugendliche, die gerade den Tod ihrer Vorfahren als Folge der Repressionen Stalins untersucht haben. Paradox und traurig findet das die russische Historikerin Irina Scherbakowa:
"Wenn sie bei den Arbeiten und bei den Geschichten, die sie auch von ihren Angehörigen beschreiben, diese Rolle auch noch positiv sehen, das konnte man sich erstens vor einiger Zeit noch kaum vorstellen. Und zweitens ist es natürlich eine Niederlage, die wir erlitten haben, alle demokratisch denkenden Menschen hier in Russland. Stalin tritt wieder als Träger dieses starken Russlands hervor. Ich hoffe sehr, dass solche Aktionen wie dieser Schülerwettbewerb dazu führen, dass die Kerne die dabei gesät werden, irgendwann doch wachsen werden."
Professor Bernd Bonwetsch, Osteuropa-Historiker und Direktor des Deutschen Historischen Instituts in Moskau, ist zwar auch schon wieder auf Stalin-Porträts in Klassenzimmern gestoßen, will aber noch nicht von einer gezielten Rehabilitierung des Diktators sprechen. Doch je weniger Vertrauen ein Volk in Gegenwart und Zukunft habe, desto intensiver suche es nach Quellen des Selbstbewusstseins in der Vergangenheit. Eine Tendenz die im Russland der 90er Jahren begonnen und zu den 60-Jahr-Feierlichkeiten vor einem Jahr ihren Höhepunkt erreicht habe. Bernd Bonwetsch:
"Was passiert, das ist ein Zulassen eines Geistes, indem auch jeder, der möchte, Stalins positiv gedenken kann. Das ist ein Mangel an kritischer Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit und der Blick allein auf die Größe, die unter Stalin für das Imperium Sowjetunion erreicht wurde. Dem trauert man nach."
Russland begeht heute den 61. Jahrestag des Weltkriegsendes - eine krumme Zahl, doch ein großer Gedenktag. 20 Jahre nach Glasnost und den Debatten über den Stalinismus will Putins Russland wieder anknüpfen an den alten Ruhm - und damit an die Zeit der schwarzen Flecken im Gedächtnis und in den Zeitungen.