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Verklumpungen im Kosmos

Wie enstehen Planeten? Dieser Frage sind deutsche Forscher auf den Grund gegangen. Mithilfe einer Höhenrakete haben sie die Bedingungen der Frühzeit unseres Sonnensystems simuliert. Ergebnis: Kleine Körper verbinden sich nur zu größeren, wenn die Relation zwischen ihrer Masse und ihrer Bewegungsgeschwindigkeit stimmt.

Von Guido Meyer | 25.06.2013
    19. März 2012, Europas Weltraumbahnhof für Höhenraketen ESRANGE im schwedischen Kiruna. Zum zwölften Mal wird eine Rakete vom Typ REXUS startklar gemacht. REXUS steht für Raketen-Experiment von Universitäts-Studenten.

    "Die REXUS-Rakete ist eine relativ kleine Rakete, die bis in eine Höhe von etwa 150 km fliegen kann. In der antriebslosen Phase der Rakete, am höchsten Punkt, herrscht in dieser Rakete Schwerelosigkeit. Wir können also in dieser Rakete für etwa drei Minuten Schwerelosigkeitsexperimente durchführen."

    Und diese Zeit reicht aus für SPACE - dem Suborbital Particle Aggregation and Collision Experiment, ein Versuch also, der auf einem suborbitalen Parabelflug das Verhalten von Staubteilchen in der Schwerelosigkeit untersuchen soll. Solche Experimente fallen in den Verantwortungsbereich von Otfried Joop, dem Projektleiter Forschung unter Weltraumbedingungen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.

    "Die müssen dann in solche Röhren reinpassen, die einen Durchmesser von 35 cm haben, und vielleicht eine durchschnittliche Höhe von 20, 30 Zentimeter haben. Da werden dann vier oder fünf von diesen Experimenten übereinandergesteckt."

    Und fertig ist die insgesamt nur rund fünf Meter lange Höhenrakete. Lift Off in Nord-Schweden.

    "Wir schütteln am Anfang, nach so einem Raketenstart, erst mal kräftig auf - weil so ein Raketenstart wird das alles auf dem Boden pappen, sozusagen -, damit die Teilchen im freien Teil von der Zelle bleiben und sich da treffen und wachsen können."

    "Die Teilchen", das sind in diesem Fall nur Mikrometer große Staubpartikel, die mit der Rakete in die Höhe geschossen werden. Am Scheitelpunkt der parabelförmigen Flugbahn fallen Rakete und Experiment zurück auf die Erde. Dann herrschen sowohl Schwerelosigkeit als auch Vakuum in der Versuchsanordnung. Und jetzt erst beginnt das eigentliche Experiment, erklärt Julie Brisset vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik der Technischen Universität Braunschweig:

    "Der Grundgedanke ist: Wie entstehen die Planeten, von kleineren Teilen in größere Teile? Das sind Staub- und Gasscheiben um Sterne, die neu geboren sind. Das ist ein Zeichen sozusagen, dass sehr wahrscheinlich Planeten gebildet werden von kleinen Teilchen, also von einer Scheibe, die von Anfang an schon da ist."

    Das ist die Theorie: Ungeklärt sind jedoch die Feinheiten: Wie groß genau waren die ersten Teilchen, wie schnell haben sie sich bewegt und wie haben sie zueinandergefunden? Weil es um diese Ur-Fragen der Planetenentstehung geht, reicht ein kleines Experiment wie SPACE aus, um die ersten Verklumpungsvorgänge nachzustellen. Das Ergebnis dieser Simulation:

    "Bei ganz kleinen Teilchen von wirklich Mikrometergröße hat man immer, wenn zwei Teilchen sich treffen, immer eine Haftung. Wenn man dann immer größere Teilchen macht und die dann aufeinanderstoßen, kommt dann irgendwann der Bereich, wo die abprallen. Die haften nicht mehr. Das stockt dann dieses Wachstum, das zu Planeten führen sollte."

    Das Verhalten der Staubteilchen während ihres dreiminütigen freien Falls zurück auf die Erde hat gezeigt, dass sich kleine Körper nur zu größeren zusammentun, wenn die Relation zwischen ihrer Masse und ihrer Bewegungsgeschwindigkeit genau stimmt. Schwere Teilchen von bis zu hundert Gramm finden nur zusammen, wenn sie sich mit höchstens zehn Zentimeter pro Sekunde bewegen. Stoßen sie mit höherem Tempo zusammen, pappen nur noch kleinere, leichtere Staubkörner aneinander. Ab einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Sekunde zerlegen sich zwei kollidierende Teilchen komplett und es kommt nicht zur Bildung größerer Objekte. Die Ergebnisse des REXUS-Experiments überraschen; zeigen sie doch, welch langwieriger Prozess die Bildung eines Himmelskörpers von Planetengröße gewesen sein muss. Andererseits hat unser Sonnensystem dafür Milliarden von Jahren zur Verfügung gehabt.