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Verletzte Souveränität

Seit Beginn dieser Woche werden auf Betreiben Italiens dreizehn Agenten des US-Geheimdienstes CIA in ganz Europa per Haftbefehl gesucht. Ihnen wird vorgeworfen, Mitte Februar 2003 den mutmaßlichen Islamisten Abu Omar in Mailand auf offener Straße entführt und über Deutschland nach Ägypten verschleppt zu haben. Dort sei der frühere Imam einer Mailänder Moschee angeblich gefoltert worden. Eine parlamentarische Kontroll-Kommission soll jetzt prüfen, ob und in wie weit italienische Geheimdienste von der Entführung wussten. Ein Bericht von Karl Hoffmann.

    Minister Letta muss die Ehre der Geheimdienste und der Regierung verteidigen. Regierungserklärung zum Fall Abu Omar, jener Ägypter, der von Agenten des CIA in Mailand gekidnappt und nach Ägypten verfrachtet wurde. Soweit die Schlagzeile des Riformista.

    Abu Omar hatte zum ersten Mal vor zwei Jahren und drei Monaten für Schlagzeilen gesorgt. Er war plötzlich unauffindbar, wie sein Anwalt Antonio Nebuloni der Polizei erklärte. Die hatte das Verschwinden des Imam, Geistlicher in der Moschee im Herzen von Mailand ebenfalls bemerkt. Schließlich stand Omar ganz oben auf der Liste der muslimischen Geistlichen, die man geheimer Verbindung der Terrororganisation Al Quaeda verdächtigte.

    Zwei Mailänder Untersuchungsrichter hatten Omar beschatten lassen, und bereits einen Haftbefehl vorbereitet. Am 17. Februar 2003 verschwand der mutmaßliche Anwerber von Kamikaze-Attentätern zwischen 12.28 und 12.35 Uhr in der belebten Via Guerzoni in Mailand. Eine Augenzeugin hatte gesehen, wie drei angebliche Polizisten Omar in einen weißen Lieferwagen zerrten und Hilferufe auf Arabisch gehört.

    Als die Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera über ein Jahr nach dem Verschwinden von Omar diese Zeugin zitiert und vermutet, dass Omar von ausländischen Geheimdiensten geraubt worden sei, gibt es ein offizielles Dementi aus Rom: die CIA habe mitgeteilt, Omar sei vor den Ermittlungsrichtern in Mailand nach Bosnien geflohen. Schon soll der Fall Omar ad acta gelegt werden. Da hören die Ermittlungsrichter am 20. April letzten Jahres, einen Anruf ab, den Abu Omars Frau erhielt, und zwar von ihrem Mann. Er sei in Ägypten, von der CIA in Mailand geraubt und in den Gefängnissen von Kairo beinahe zu Tode gefoltert worden.

    Seither haben sich die Haftbefehle der Mailänder Ermittlungsrichter vervielfältigt. Sie wollen nicht nur Abu Omar aus Ägypten überstellt bekommen, sondern auch jener 23 Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes habhaft werden, die den Imam von Mailand praktisch vor den Augen der italienischen Justiz entführt hatten. 13 identifizierte Mitglieder des CIA-Kommandos werden nun wegen Menschenraubs von der italienischen Polizei offiziell gesucht. Und damit hat der Fall auch eine enorme politische Bedeutung bekommen, kommentiert Antonio Padellaro, Chefredakteur der linken Zeitung Unità das zunehmend gespannte Verhältnis zwischen Italien und den USA:

    "Man weiß nicht mehr genau, ob das noch respektvolle Beziehungen zwischen gleichberechtigten Verbündeten sind oder ob uns die Weltmacht USA vielmehr von oben herab und wie einen Untergebenen behandelt."

    In Italien schäumen Richter, Polizisten und Journalisten, aber auch Politiker der Opposition, angesichts der offensichtlichen Verletzung italienischer Hoheitsrechte. Omar galt in Italien als politischer Flüchtling, seine Verhaftung wegen terroristischer Aktivitäten stand bevor, aber eine Festnahme ohne Haftbefehl, so der zuständige Richter, dürfen nicht mal die italienischen Geheimdienste vornehmen.

    Die römische Regierung hat sich bis heute mit Kritik an den Rambo-Methoden auf ihrem Hoheitsgebiet im Bewusstsein der Ohnmacht gegenüber den Amerikanern zurückgehalten. Noch ist die Erinnerung an den Fall der in Bagdad entführten italienischen Journalistin Giuliana Sgrena frisch. Bei ihrer Freilassung erschossen amerikanische Soldaten den italienischen Unterhändler Nicola Calipari. Schuld der Italiener, wie ein amerikanischer Untersuchungsbericht lapidar feststellte. Meint Chefredakteur Padellaro bezüglich der Aussichten, dass die Entführer von Abu Omar bestraft werden könnten:

    "Ich fürchte, dass wegen der Arroganz unseres wichtigsten Bündnispartners nicht mal der Tod von Nicola Calipari gesühnt wird."