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Verlierer der Hochschulreform

In Mainz sollte heute eigentlich eine große Demonstration rheinland-pfälzischer Fachhochschüler gegen die Finanznot stattfinden. Doch vor einer Woche beschloss der Ministerrat, alle Hochschulen bis 2009 pro Jahr mit 25 Millionen Euro zusätzlich auszustatten – die Demonstration wurde abgesagt. Trotz der Finanzspritze bleibt es aber dabei: die Fachhochschullandschaft im Land mit ihren vielen kleinen Standorten und kleinteilig zugeschnittenen Studienangeboten soll umstrukturiert werden. Ein vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten plädiert unter anderem für studiengangsübergreifenden Personaleinsatz und mehr Bachelor- und Master-Studiengänge. Noch bis Ende nächsten Monats bereist der Minister die Fachhochschul-Standorte im Land, um die Vorschläge der Experten zu diskutieren.

Von Anke Petermann |
    Sie haben es sich demonstrativ vor der Flügeltür der Aula bequem gemacht, und der Wissenschaftsminister muss zwischen ihnen hindurchsteigen, um zum Treffen mit dem FH-Präsidenten und den Gremienvertretern zu gelangen. Mit ihrem Sitzstreik zeigen Koblenzer Fachhochschüler, wie sauer sie darüber sind, dass der Mainzer SPD-Ressortchef sie nicht einbezieht in die Gespräche über die Reformpläne für die rheinland-pfälzischen Fachhochschullandschaft. Andreas Kuhn, Mitglied des Studierendenparlaments, bringt die nicht nur unter Hochschülern und nicht nur in Koblenz verbreiteten Bedenken auf den Punkt

    Das Gutachten sieht in Koblenz die Zusammenlegung von verschiedenen Fachbereichen vor, z.B. Elektrotechnik und Maschinenbau, auch Bauingenieurwesen und Architektur. Noch dazu soll der Keramik-Studiengang aus Höhr-Grenzhausen abgezogen werden und soll dann ebenfalls mit Maschinenbau und Elektrotechnik zusammen stattfinden. Dabei geht es in erster Linie darum, dass verschieden Vorlesungen zusammen abgehalten werden. Wir sehen einfach das Problem darin: je größer die Menge an Studenten ist, desto schlechter wird automatisch die Qualität der Lehre. Denn ich kann nicht mit 350 Leuten in einem Vorlesungssaal sitzen, dabei kommt nicht mehr viel rum.

    Mit Fachbereichsfusionen sollen Professuren verringert werden. Effizienzsteigerung ist das Schlagwort des Ministers. Peter Frings, FH-Präsident in Koblenz, gibt sich trotz der vorgeschlagenen Schrumpfung zuversichtlich ...

    ... weil man erstens nicht unbedingt Fachbereiche fusionieren muss, um zu einer Effizienzsteigerung zu kommen. Diese Möglichkeiten hat der Minister offen gelassen. In einem anderen Gespräch hat er zugesagt, dass diese Stellen nicht vollkommen aus Koblenz abgezogen werden, sondern der Hochschule für andere innovative Studiengänge erhalten bleiben.

    Nachdem das Gutachten vorgestellt worden war, hatte es in ganz Rheinland-Pfalz einen Aufschrei des Protests gegeben. In einer gemeinsamen Erklärung kritisierten die Fachhochschulen die Vorschläge der vom Minister eingesetzten Expertenkommission, Studiengänge und Studierendenzahlen zu verringern und prangerten finanzielle Kürzungen der Vergangenheit an. Doch aus den ersten Besuchen in Worms, Koblenz und Höhr-Grenzhausen nimmt SPD-Ressortchef Jürgen Zöllner den Eindruck mit:

    ... dass jeweils nachdem das Gespräch begonnen hatte, sich die Situation entkrampfte, die Fachhochschul-Professoren mich nicht enttäuscht haben, ganz im Gegenteil, dass sie sehr wohl sehen, dass sich etwas verändern muss. Und wenn man ihnen die Ängste nimmt, dass es um Kürzungen geht, sondern darum, Strukturen weiter zu entwickeln, weil ihr Bereich so wichtig ist, dann wird es plötzlich eine konstruktive Diskussion.

    Die schwersten Brocken stehen dem Minister aber noch bevor: In Trier und Mainz ist der Widerstand gegen die geplante Reform am größten. Für den Standort Trier haben die Experten vorgeschlagen, die Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen wegen des Überangebots auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Das verunsichere Bewerber und schade der gesamten Region, bemängeln Hochschulvertreter und Kommunalpolitiker. Der Mainzer FH-Präsident Michael Morath findet die Vorgehensweise des Wissenschaftsministeriums dirigistisch, eine Generallinie durch ein handverlesenes Expertengremium vorgeben zu lassen.

    Das muss anders gesteuert werden. Da kann nicht einfach von oben kommen: der schließt und die überleben, sondern es muss gefragt werden, wer ist gut unter euch und wer akquiriert die besten Studierenden, und der überlebt. Und wer das nicht kann, wird in seinem Bereich von sich aus aufgeben. Das nenne ich Profilierung.

    "Jeder Verbesserungsvorschlag wird gehört", betont der Minister landauf und landab, entschieden werde erst nach den Gesprächen und sorgfältiger Abwägung. Ende des Jahres schlägt die Stunde der Wahrheit für die Fachhochschulen in Rheinland-Pfalz.