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Verlockungen und Fallstricke des russischen Marktes

Der russische Markt boomt. Mehr als 6000 Unternehmer aus Deutschland sind bereits im Land tätig und die russische Regierung rührt die Werbetrommel für weitere Investitionen. Doch Korruption ist immer noch ein großes Problem und Rechtssicherheit in vielen Fällen nicht gegeben.

Von Thomas Franke | 18.04.2012
    Der Mechanismus ist perfide: Läuft ein Geschäft in Russland richtig gut, kommt irgendwann jemand, der es kaufen möchte. Wer darauf nicht eingeht, kann große Schwierigkeiten bekommen, oft mit den Steuerbehörden. Das kann soweit gehen, dass das Unternehmen am Ende nicht mehr zum Arbeiten kommt, an Wert verliert, schließt. Michael Harms, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer, sagt, dass viele deutsche Unternehmen in Konflikt mit den russischen Steuerbehörden geraten, sei es wegen der Rückzahlung der Mehrwertsteuer, sei es, weil zu wenig Steuern bezahlt wurden.

    "Die deutschen Unternehmen prozessieren sehr oft gegen russische Steuerbehörden und bekommen in ihrer Mehrzahl auch Recht."

    Man kann also auch in Russland Recht bekommen. Das hängt allerdings von einigen Faktoren ab: Zunächst einmal vom Gericht selbst. Vor einem Arbitrage-Gericht seien die Chance um einiges höher als vor einem normalen Amt- oder Bezirksgericht, erläutert Harms. Arbitrage-Gerichte sind für Wirtschaftsstreitigkeiten zuständig. Und es sei einfacher, gegen eine Behörde Recht zu bekommen, als gegen einen privaten Gegner, der Bestechungsgelder zahlt. Außerdem braucht man selbstverständlich gewiefte Anwälte.

    Manager deutscher Unternehmen, die seit Langem auf dem russischen Markt tätig sind, sind ernüchtert. Ins Mikrophon wollen sie nicht sprechen, es sei zu viel Negatives. Selbstverständlich könne auch einem Ausländer passieren, was russischen Unternehmern zustößt, ist die einhellige Meinung. Auch wenn der Respekt vor Ausländern noch größer sei als vor Einheimischen. Einige erfahrene Geschäftsleute raten deshalb davon ab, russische Partner ins Boot zu holen. Michael Harms von der Außenhandelskammer ist das zu strikt. Man müsse allerdings vorbereitet sein.

    "Wenn Sie das machen oder machen wollen, weil der russische Partner ein sehr gutes Vertriebsnetz hat oder eine gute Kundenbasis, dann muss man sich ne klare Exit-Strategie überlegen. Dann müssen die Verträge wirklich so wasserdicht gestrickt sein, dass es auch im Konfliktfall zu einer gütlichen Lösung kommen kann. Man kann in Russland durchaus das Geschäft selbst machen und unser Rat ist immer, es lieber selbst auch zu tun."

    Wer das allerdings tut, braucht einen sehr langen Atem. Der russische Markt ist verlockend. Das Land boomt, in den großen Städten wird gebaut, in Moskau gibt es fast keine Arbeitslosigkeit. Eines darf man allerdings nicht erwarten: Dankbarkeit der lokalen Behörden oder gar ein Entgegenkommen bei Investitionsprojekten, die ja schließlich Arbeitskräfte schaffen. Irgendjemand möchte immer mitverdienen, sagt ein deutscher Manager, deshalb würden Genehmigungen herausgezögert oder gar verweigert. Hilft also nur Bestechung? Davon raten alle Experten ab. Zum Beispiel Alexej Muchin. Seit 1994 berät er ausländische Investoren. Er erzählt von einem Klienten, der unbedingt 500.000 Dollar überreichen wollte. Muchin hat ihm davon abgeraten, ohne Erfolg:

    "Das ist immer eine Frage der Person. Ich sage denen immer, ich kann das für dich organisieren. Aber der offizielle Weg ist besser und billiger. Warum bittest du mich, das zu tun. Denn du beschwerst dich immer über Korruption in Russland, warum also trägst du dazu bei?"

    Auch in Russland ist Korruption strafbar. Michael Harms:

    "Das kann bis zur persönlichen Haftung zur persönlichen Verurteilung auch in Deutschland gehen. Und die deutschen Steuerbehörden gucken da auch mittlerweile sehr genau hin, was Bestechung im Ausland betrifft. Aber gefährden auch ihr eigenes Geschäft in Russland. Wenn Sie einmal auf diesem Weg sind, werden Sie von Ihren Partnern erpresst, und Sie können auch von den staatlichen Behörden jederzeit belangt werden. Also, so schwierig es auch sein mag und so schwierig das russische Geschäftsumfeld in der Praxis ist, sollte man auf diese Sachen auf keinen Fall eingehen."

    Stattdessen sollte man den Spieß umdrehen und denjenigen, die Bestechungsgelder wollen, mit Anzeigen drohen, rät Muchin.

    "Es ist komisch. Wenn du die Regeln kennst, erreichst du erfolgreich dein Ziel. Wenn du die Regeln nicht kennst und auf schlechte Berater hörst, hast du Ärger."