Musikalische Moderne mit hartnäckig viel motivisch-thematischer Arbeit vom ziemlich guten alten Schlag zieht da aus dem Orchestergraben herauf. Aber mit frischen Fermenten: mit Anspielungen auf die Funktionsmusik in der allgegenwärtigen Warenwelt und mit diskreten Bezugnahmen auf musikalische Altmeisterlichkeit. Das ist insgesamt eine plausible Basis für die Ausgestaltung der "Besessenen", für die musikalische Charakterisierung jener Jagd nach dem Glück, die Witold Gombrowicz an sieben Personen durchdeklinierte; für eine mit eigentlicher Handlung sparsam umgehende "Handlung", bei der sich Beobachtungen in Warschau vor gut 70 Jahren mit einem internationalisierten Kunstpolen von heute verschränken.
Ursprünglich sollten es eine heruntergekommene Pension, ein alter Wald und ein Schloss sein. Aber der dänische Regisseur Kasper Holten und dessen Bühnenbildner Steffen Aarfing zeigen, schon bevor Johannes Kalitzke den Taktstock hebt, einen in altes Gemäuer eingezogenen feinen Supermarkt mit einigen typisch osteuropäischen Kennzeichen: weiträumig und sauber gewienert; weniger stark von Werbung überformt als weiter westlich; ordentlich, aber nicht überbordend bestückt.
Während die Musik aus der aufgerauhten Oktave sich auffächert, lädt ein Flachbildschirm im Vordergrund zu virtuellem Tennismatch ein. Die Filialleiterin Ocholowka, deren Herz hörbar am Geld hängt und zu noch mehr Geld drängt, hat offensichtlich ihre lebenshungrige blonde Tochter und Kassiererin Maja an einen ihrer Angestellten vermittelt, der die mutmaßlich wertvolle Gemäldesammlung des alten Fürsten an sich bringen soll, die soeben von einem Kunsthistoriker geschätzt wird.
Der betagte Aristokrat, den Jochen Kowalski kräht, will und kann nicht sterben, bevor sein unehelicher Sohn, den er verstieß, ihm nicht verzeiht. Das aber ist offensichtlich nicht mehr möglich, denn Franio ist aus der Versuchsanordnung verschwunden, seit er sich ein graues Handtuch allzu eng um den Kopf wickelte. Und so nimmt das Beziehungsgeflecht des Solistenseptetts in diesem Kammerspiel seinen Fortgang, bis auch der erotisch-sexuelle Impetus von Maja gegenüber dem erfolgreichen Tennisstar zum Erliegen kommt.
Johannes Kalitzkes Sound erinnert mit seinen Härten gelegentlich an jene Zeiten, in denen Kunst noch als Waffe begriffen wurde, für die aber nach den Regularien einer zunehmend domestizierten Avantgarde bereits Waffenscheine ausgestellt wurden. Mit den im Graben kunstvoll erzeugten Schärfen gibt der Tonsatz den Protagonisten auf der Bühne Steilvorlagen ebenso wie mit seiner Geschmeidigkeit eine tragfähige Basis für ihre Indolenz. Die Jungen töten aus Langeweile erst ein Eichhörnchen, dann in Abwehr seines sexuellen Begehrens einen neureichen Malinak, den Mutter Ocholowska für Maja ins Spiel bringt. Flink kommt da ein roter Strick aus einer Regalwand und transformiert eine Obsession in die nächste.
Am Ende verkriechen sich vier der Überlebenden in die Regalfächer. Sie erstarren förmlich zu Ware und zeigen, was den ganzen Abend schon zu ahnen war, allzu deutlich: Sie sind nicht als Subjekte in diese Welt gekommen. Nur Maja, die so ganz neupolnisch wirkende Hendrickje van Kerckhove, sie geht einfach und einer ungewissen Zukunft entgegen.
Mit der Verflachung, die Kaspar Holtens Regie dem Projekt verordnete, kommt etwas zum Vorschein, wofür der Komponist selbst verantwortlich sein dürfte: Waren die früheren musikdramatischen Arbeiten von Johannes Kalitzke – von "Jack Tiergarten" über "Bulgakow/Moliere" bis zum "Inferno" nach Peter Weiss - immer auch Künstler-Opern und so ganz und gar ein ureigenstes Anliegen, so erscheinen nun "Die Besessenen" als Kunsthistoriker-Oper.1 Dennoch: Die neuerliche Gombrowicz-Adaption ergab ein ansprechendes Konversationsstück und wurde gestern Abend im Theater an der Wien freundlich goutiert.
Ursprünglich sollten es eine heruntergekommene Pension, ein alter Wald und ein Schloss sein. Aber der dänische Regisseur Kasper Holten und dessen Bühnenbildner Steffen Aarfing zeigen, schon bevor Johannes Kalitzke den Taktstock hebt, einen in altes Gemäuer eingezogenen feinen Supermarkt mit einigen typisch osteuropäischen Kennzeichen: weiträumig und sauber gewienert; weniger stark von Werbung überformt als weiter westlich; ordentlich, aber nicht überbordend bestückt.
Während die Musik aus der aufgerauhten Oktave sich auffächert, lädt ein Flachbildschirm im Vordergrund zu virtuellem Tennismatch ein. Die Filialleiterin Ocholowka, deren Herz hörbar am Geld hängt und zu noch mehr Geld drängt, hat offensichtlich ihre lebenshungrige blonde Tochter und Kassiererin Maja an einen ihrer Angestellten vermittelt, der die mutmaßlich wertvolle Gemäldesammlung des alten Fürsten an sich bringen soll, die soeben von einem Kunsthistoriker geschätzt wird.
Der betagte Aristokrat, den Jochen Kowalski kräht, will und kann nicht sterben, bevor sein unehelicher Sohn, den er verstieß, ihm nicht verzeiht. Das aber ist offensichtlich nicht mehr möglich, denn Franio ist aus der Versuchsanordnung verschwunden, seit er sich ein graues Handtuch allzu eng um den Kopf wickelte. Und so nimmt das Beziehungsgeflecht des Solistenseptetts in diesem Kammerspiel seinen Fortgang, bis auch der erotisch-sexuelle Impetus von Maja gegenüber dem erfolgreichen Tennisstar zum Erliegen kommt.
Johannes Kalitzkes Sound erinnert mit seinen Härten gelegentlich an jene Zeiten, in denen Kunst noch als Waffe begriffen wurde, für die aber nach den Regularien einer zunehmend domestizierten Avantgarde bereits Waffenscheine ausgestellt wurden. Mit den im Graben kunstvoll erzeugten Schärfen gibt der Tonsatz den Protagonisten auf der Bühne Steilvorlagen ebenso wie mit seiner Geschmeidigkeit eine tragfähige Basis für ihre Indolenz. Die Jungen töten aus Langeweile erst ein Eichhörnchen, dann in Abwehr seines sexuellen Begehrens einen neureichen Malinak, den Mutter Ocholowska für Maja ins Spiel bringt. Flink kommt da ein roter Strick aus einer Regalwand und transformiert eine Obsession in die nächste.
Am Ende verkriechen sich vier der Überlebenden in die Regalfächer. Sie erstarren förmlich zu Ware und zeigen, was den ganzen Abend schon zu ahnen war, allzu deutlich: Sie sind nicht als Subjekte in diese Welt gekommen. Nur Maja, die so ganz neupolnisch wirkende Hendrickje van Kerckhove, sie geht einfach und einer ungewissen Zukunft entgegen.
Mit der Verflachung, die Kaspar Holtens Regie dem Projekt verordnete, kommt etwas zum Vorschein, wofür der Komponist selbst verantwortlich sein dürfte: Waren die früheren musikdramatischen Arbeiten von Johannes Kalitzke – von "Jack Tiergarten" über "Bulgakow/Moliere" bis zum "Inferno" nach Peter Weiss - immer auch Künstler-Opern und so ganz und gar ein ureigenstes Anliegen, so erscheinen nun "Die Besessenen" als Kunsthistoriker-Oper.1 Dennoch: Die neuerliche Gombrowicz-Adaption ergab ein ansprechendes Konversationsstück und wurde gestern Abend im Theater an der Wien freundlich goutiert.