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Verluste erwirtschaftet, zu hohe Honorare bezahlt

Das Konzept Unternehmerische Hochschule wird in Wismar konsequent vorangetrieben. Das Centrum für Hochschulentwicklung Gütersloh bestärkt das Rektorat in seinen Bemühungen. Allerdings rügt der Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern wirtschaftliche Aktivitäten der Hochschule.

Von Olaf Baale |
    Der schwerwiegendste Vorwurf betrifft die hochschuleigene Service GmbH. In dem 60 Seiten starken Landesrechnungshofbericht heißt es, gravierende Fehler der Verantwortlichen beim Telekommunikationsprojekt Campus Mobile hätten zu Verlusten in Höhe von circa 200.000 Euro geführt. Dabei geht es um ein campuseigenes Mobilfunkangebot, das sich als Fehlgriff erwies und bei den Studierenden auf wenig Interesse stieß. Norbert Grünwald, Rektor der Hochschule Wismar:

    "Ich denke, dass wir dort Fehler gemacht haben, definitiv, dass wir auch einige Dinge nicht voraussehen konnten. Wir haben natürlich dann versucht, das so schnell wie möglich abzuwickeln und den Schaden zu begrenzen. Trotzdem ist natürlich ein immenser Schaden entstanden, völlig richtig."

    Schaden begrenzen bedeutet, Ausstieg aus Campus Mobile, die Verluste des privatwirtschaftlichen Tochterunternehmens trägt die Hochschule. Kritik gibt es zudem an der WINGS GmbH, ebenso wie die Service GmbH ein hochschuleigenes Tochterunternehmen. Die WINGS GmbH vermarktet und organisiert Fernstudiengänge, Online-Studiengänge und Weiterbildungen. Die Lehrtätigkeit übernehmen überwiegend Professoren der Hochschule, für deren Nebentätigkeit Honorare gezahlt worden seien, die weit über dem liegen, was Hochschulen üblicherweise bezahlen dürfen. Auch seien in Zusammenhang mit der Nebentätigkeit Pkw an Hochschulmitarbeiter verkauft oder Leasingverträge geschlossen worden. Prorektor Kai Neumann, zuständig für die WINGS GmbH:

    "Der Landesrechnungshof hat die gesamten Aktivitäten, die wir seit Jahren privatwirtschaftlich organisieren, unter einer öffentlich-rechtlichen Brille betrachtet. Das ist natürlich wie Feuer und Wasser, das passt nicht zusammen. Sie können nicht privatwirtschaftlich handeln und dann nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben geprüft werden."

    Konsequenzen müssen die Verantwortlichen kaum fürchten. Die WINGS GmbH gilt bundesweit als Erfolgmodell und wird vom Centrum für Hochschulentwicklung Gütersloh zur Nachahmung empfohlen. In nur wenigen Jahren hat sich die Hochschule Wismar zu einem der bundesweit führenden Anbieter für Fernstudiengänge entwickelt, 2800 Fernstudierende zählt die Hochschule mittlerweile. Unterrichtet wird in München, Frankfurt, Leipzig, Hannover und neuerdings auch im Ausland. Die Studiengebühren betragen 1000 bis 3000 Euro pro Semester, das Online-Studium – derzeit wird nur Wirtschaftsrecht angeboten – kostet 79 Euro im Monat.

    Seit 2006 läuft in Wismar das Modellprojekt Unternehmerische Hochschule. Ausgangspunkt waren die Prognosen für dramatische sinkende Studierendenzahlen in Ostdeutschland. Bis 2020 werden die öffentlichen Mittel aller Hochschulen in Mecklenburg-Vorpommern um 20 Prozent gekürzt. Proteste gegen die Kürzungen, kam man in Wismar überein, bringen die Hochschule nicht weiter. Stattdessen wollte man sich nach neuen Finanzierungsquellen umsehen. Noch einmal Hochschulrektor Norbert Grünwald:

    "Mittlerweile hat sich ja international ein ganz großer Bildungsmarkt etabliert. Bildung ist eine Ware geworden, man kann dazu stehen, wie man will. Wir wollen uns auf diesem Bildungsmarkt platzieren, und dann Finanzlücken, die dann entstehen durch zusätzliche Einnahmen, die wir auf diesem Bildungsmarkt generieren, auffüllen."

    Doch dieser Weg, die Verbindung von öffentlich-rechtlichem Präsenzstudium und privatwirtschaftlich organisiertem Fernstudium, stößt innerhalb der Hochschule auf Kritik. Mittlerweile stehen sich zwei Lager gegenüber: Die eine Seite meint, der Unternehmerischen Hochschule gehöre die Zukunft, die andere Seite hält dagegen, die privatwirtschaftlichen Aktivitäten gehen zulasten des Präsenzstudiums. Zu den Gegnern der Unternehmerischen Hochschule gehört Achim Trebeß, Kulturwissenschaftler an der Fakultät für Gestaltung.

    "Für das Präsenzstudium ist durch die Unternehmerische Hochschule bisher nichts herausgekommen. Dass etwas verloren geht, wenn die Hochschule kein Geld einspielt, ist bisher nicht zu sehen. Ich denke, man darf den Staat nicht aus seinem Bildungsauftrag entlassen."

    Der Landesrechnungshofbericht befeuert die seit Jahren schwelenden Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der Unternehmerischen Hochschule. Mittlerweile, sagt Achim Trebeß, gebe es der Hochschule Wismar ein sehr verbreitetes Unbehagen.

    "Wir erleben eine Zurückdrängung des Einflusses der demokratischen Selbstverwaltung an der Hochschule. Wir erleben eine Hochschule, die immer stärker auf ihre Leitung und auf ihren Rektor zugeschnitten ist, und das hat sich als sehr negativ erwiesen, das zeigt gerade der Bericht des Landesrechnungshofes, das zeigt aber auch die Stimmung an der Hochschule selbst."