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Vernetzt ist man schneller

Informationstechnologie. - Zwei Worte sind in der Wissenschaftswelt zur Zeit angesagt: E-Science, wobei E für enhanced steht, also angereichert, und Grids - Gitter. Grids sind intelligent zusammengeschaltete Rechenzentren. In der letzten Woche trafen sich Grid- und E-Science Experten in Bonn, um die Lage international abzuklopfen. Gestern nun trafen sich vor allem deutsche, an diesen neuen Ansätzen der Forschung interessierte Spitzenwissenschaftler in Heidelberg zum "German Grid Day".

Maximilian Schönherr |
    Deutschland ist eine Hochburg des Supercomputings und der Rechenzentren. Zwischen ihnen hat der Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes Glasfaserverbindungen gelegt, die international ihres Gleichen suchen. Wir sind also bestens vorbereitet für Grids und E-Science - diese Methode kollektiven Forschens der Zukunft, wo jeder Wissenschaftler das Gefühl hat, das geballte Netz in Form eines virtuellen Supercomputers vor sich zu haben, wenn er seinen kleinen PC einschaltet.

    Die EU fördert die Entwicklung von Grids seit etwa zwei Jahren dezent, aber nachhaltig; die britische Regierung pumpt massiv Geld hinein und demonstriert schon jetzt, wie es wieder herauskommt, wie sich Grid-Computing rechnet. Und wie es Synergien schafft zwischen Wissenschaftlern verschiedenster Disziplinen, die normalerweise nicht miteinander reden.

    Der German Grid Day in Heidelbergs Kirchhoff-Institut fuhr alles, was in der deutschen E-Science-Landschaft Rang und Namen hat, auf; von Biologen über Chemiker zu Mathematikern, Teilchenphysikern, Klimaforschern. Und alle waren sich einig, dass es höchste Zeit sei, die Kräfte zu bündeln und Deutschland in Sachen Grid-Computing von ganz hinten nach vorn zu bringen. Enttäuschend für viele, dass der Vertreter des Bundesforschungsministeriums wieder keine Zusagen machte, eScience und Grid-Computing in Deutschland mit Nachdruck zur Chefsache zu machen. Frank Schlie-Roosen, Leiter des Internetreferats im Bundesministerium für Bildung und Forschung räumte einmal mehr ein ...

    ... dass es in anderen Ländern Initiativen auf dem Gebiet gibt, die etwas früher angetreten sind.

    ... zog sich aber darüber hinaus auf die Position zurück, es gehe jetzt darum, zu verstehen ...

    ... dass dieses Thema für die Wissenschaft zu einem ganz zentralen Thema werden wird, also zu einem Thema, das die leitenden Personen in den Forschungseinrichtungen und Förderorganisationen betrifft und nicht etwas ist, was man auch künftig im Bereich der Rechenzentren und der IT-Leute alleine behandeln sollte.

    Sehen wir uns die Praxis an. Beispiel Meteorologie. Wolfgang Hiller, Leiter des Rechenzentrums vom Alfred Wegener Instituts, Bremerhaven und Sprecher des Lenkungsausschusses der deutschen Grid-Initiative arbeitet an der Entwicklung von so genannten Erdsystemen zur noch besseren Vorhersage:

    Das Grid sehen wir, die Leute aus der Erdsystemforschung, als etwas, wo wir sehr bequem Daten vergleichen können. Das Alfred Wegener Institut hat relativ starke Höchstleistungsrechner und ist bestrebt, seine Modelle zu vergleichen zum Beispiel mit denen von den Kollegen am Max Planck Institut für Meteorologie Hamburg. Wir haben gerade einige Modellvergleichsprojekte gemeinsam gemacht, wo wir Ozeanmodelle verglichen haben. Da ist es immer so: Man startet ähnliche Modellläufe, vergleicht die Daten auch mit Messdaten. Und dieses ganze Handhaben von Datensätzen hinterher, um die Modelle zu verbinden, ist sehr aufwändig, wenn Sie das an mehreren Standorten machen müssen. Da wäre so ein Data-Grid-Ansatz eine wirkliche Arbeitserleichterung.

    Noch ein anderes Beispiel: Reinhard Schneider, Bioinformatiker und Berater eines großen Pharmakonzerns in Sachen Grid-Computing:

    In der Biologie haben wir sowohl Anwendungen, die sehr rechenintensiv sind, das heißt, wo ich einfach sehr viel CPU-Leistung brauche und relativ wenig Daten. Wir haben aber auch mit Anwendungen zu tun, die sehr datenlastig sind. Das Brot- und Buttergeschäft sind Sequenzvergleiche für Bioinformatiker; da geht es darum, Gen- und Proteinsequenzen möglichst schnell und möglichst genau mit den Datenbeständen, die schon da sind, zu vergleichen. Das heißt, da kommt ein Data-Grid in Frage, wo ich die Daten möglichst nicht bewege, sondern den Computer im Prinzip dahin bringe, wo die Daten sind.

    Die freie Forschung kann bereits heute mit den bestehenden Grid-Technologien leben und experimentieren. Aber wie verträgt sich das "World Wide Grid" - der große Begriff der Zukunft - mit der Industrie und ihren Geheimhaltungs- und Patentschutzproblemen? Reinhard Schneider:

    Das verträgt sich im Moment zumindestens sehr schlecht, vor allem, wenn es um chemische Strukturen geht, ist das so der heilige Gral der Pharmaindustrie - da kommt keiner ran. Deswegen ist es im Moment bisschen utopisch, dass man denkt, die Pharmaindustrie benutze ein global Grid, also eins übers Internet. Da sind einfach noch zu viele Sicherheitsbedenken da. Was aber sicherlich kommen wird und schon angefangen hat, sind die Department-Grids, also Grids die sozusagen innerhalb der Firmenfirewall bleiben. Da können teilweise sehr große Grids entstehen, weil ich es mit teilweise sehr großen, multinationalen Firmen zu tun habe, die über alle Kontinente verstreut sind. Das heißt, man könnte sich ein globales, firmeninternes Grid vorstellen.

    Grid Computing und E-Science also in allen Disziplinen. Gibt es vom Forschungsministerium nun einen konkreten Termin, um die "Deutsche E-Science Initiative", wie es sie selbst nennt, auszurufen? Frank Schlie-Roosen:

    Da gibt es noch keinen Termin, das werden Sie verstehen. Das wird Mitte nächsten Jahres sein.