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Verpackungen mit Beigeschmack

Gesundheit.- Kartonverpackungen von Lebensmitteln wie Reis oder Nudeln können Spuren von Mineralöl enthalten. Die Forschungsvereinigung Papiertechnik hat sich nun mit dieser Problematik beschäftigt.

Wissenschaftsjournalist Hellmuth Nordwig im Gespräch mit Uli Blumenthal | 13.12.2010
    Uli Blumenthal: "Mineralölübergänge aus Verpackungsmaterial auf Lebensmittel" ist eine Fragen-und-Antworten-Seite des Bundesinstituts für Risikobewertung im Internet überschrieben. Sie informiert darüber, dass Kartons aus recyceltem Altpapier, die unter anderem für die Verpackung von sogenannten trockenen Lebensmitteln wie Reis oder Nudeln verwendet werden, dass diese Kartons Spuren von Mineralöl enthalten können. Die Forschungsvereinigung Papiertechnik hat sich Ende vergangener Woche in München mit diesem Thema beschäftigt, allerdings zumindest für Journalisten hinter verschlossenen Türen. Hellmuth Nordwig im Studio beim BR in München, Sie haben das Thema für uns recherchiert - wie kommen Mineralöle überhaupt in Lebensmittelverpackungen?

    Hellmuth Nordwig: Diese Verpackungskartons werden aus Recyclingmaterial hergestellt und in diesem Material sind auch Zeitungen drin. Und diese Mineralöle aus Erdöl stammen eben aus den Druckfarben, die werden dort als Lösungsmittel verwendet. Dabei handelt es sich um Kohlenwasserstoffe, so ähnliche Stoffe wie im Diesel, allerdings deutlich höher molekular, wie der Chemiker sagt, also größere Moleküle und deutlich zäher. Und die können tatsächlich verdunsten und wieder kondensieren an diesen Lebensmitteln wie Cornflakes, Nudeln etc. Und die Folge: Wir alle tragen etwa ein Gramm von diesen Mineralölen bei uns im Körperfett - ob das nun von den Verpackungen kommt oder nicht, das ist noch nicht klar, aber jedenfalls mehr als akzeptabel. Einen Grenzwert gibt es bisher nicht.

    Blumenthal: Sie haben es ganz kurz schon einmal angerissen in diesem Zusammenhang - was heißt das eigentlich, Mineralölrückstände? Um welche Substanzen geht es im Detail? Weiß man das genau?

    Nordwig: Das weiß man nicht genau und das ist auch ein Schwachpunkt bei dieser Diskussion. Es handelt sich auf jeden Fall um ein Gemisch - und zwar aus langkettigen Kohlenwasserstoffen und auch aus sogenannten Aromaten. Wer das hört, bei dem klingeln manchmal schon die Alarmglocken, denn manche dieser aromatischen Kohlenwasserstoffe sind krebserregend, zum krebserregend, zum Beispiel eben die PAK, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Die sind aber nun nicht drin in den Ölen für Druckfarben. Es könnte aber natürlich trotzdem sein, dass die ein gesundheitsgefährdendes Potenzial haben. Welche aromatischen Stoffe drin sind, das weiß man nicht. Diese Analytik ist sehr schwierig, man trennt die auf durch, naja grob gesagt durch die Untersuchung der Löslichkeit in Flüssigkeiten und Gemischen und Gasgemischen. Das nennt man Chromatografie. Da gibt es überhaupt nur ein Labor in Europa, das dazu etwas veröffentlicht hat, aus der Schweiz. Hier ist also auch noch einiges nachzuholen.

    Blumenthal: Gibt es denn schon irgendwelche Risikoabschätzungen, gibt es zahlen, wie stark Lebensmittel belastet sind und wie groß das gesundheitliche Risiko möglicherweise ist?

    Nordwig: Ja, aus diesem Schweizer Labor gibt es dazu Zahlen, was die Belastung angeht. Die reicht bis zu 80 Milligramm pro Kilogramm Lebensmittel, geht also fast schon in den Promille-Bereich, das ist also 100 Mal mehr als der akzeptable Wert, den Toxikologen festgelegt haben, eben weil sie es nicht genau wissen. Toxikologische Untersuchungen gibt es nicht, weil man die Reinsubstanzen bisher gar nicht hat. Und deswegen greifen zum Beispiel die Druckfarbenhersteller auf ein Ersatzverfahren zurück. Die sagen, wir schauen, welche Menge diese Substanzen wir mit einem bestimmten Lösungsmittel aus dem Öl rausziehen können und dann vergleichen wir mit bekannten Werten und schließen daraus, wie krebserregend das sein könnte. Diese Methode stammt aus dem Jahr 1994, könnte also durchaus mal überarbeitet werden. Das Ergebnis jedenfalls, krebserregende Substanzen sind nicht drin, sagt die Druckfarbenindustrie. Das Bundesinstitut, das Sie schon erwähnt haben, sagt aber, solange wir die Gesundheitsgefahr nicht kennen, muss die Industrie dafür sorgen, dass möglichst gar keine Mineralölbestandteile auf Lebensmittel übergehen.

    Blumenthal: Welche Möglichkeiten gibt es denn, um diese Migration von Mineralölbestandteilen in Lebensmittel zu verhindern?

    Nordwig: Da werden mehrere favorisiert, kurzfristig vor allem sogenannte Barrieren. Das wären also zum Beispiel Innenbeutel in dieser Kartonverpackung oder auch eine Innenbeschichtung des Kartons. Die dürfen nur nicht nur aus Plastik sein, aus Polyethylen, wie es ja heutzutage schon teilweise der Fall ist. Da gehen die Ölbestandteile nämlich einfach durch. Man müsste also mit Aluminium beschichten. Das hat wiederum den Nachteil, dass Wasserdampf nicht durchkann, zum Beispiel Cornflakes würden dann verkleben. Also das ist alles noch nicht ganz so einfach, aber das könnte eine kurzfristige Lösung werden. Langfristig gibt es zwei Optionen, nämlich Zeitungen getrennt recyceln oder sie mit mineralölfreien Farben bedrucken. Wenn man nun das Trennen der Recyclingströme anschaut - das geht im Prinzip, ist allerdings aufwendig. Früher hat man Zeitungen ja auch getrennt gesammelt. Es wäre übrigens auch deshalb sinnvoll, weil Zeitungsdruckfarben auch andere Chemikalien enthalten, die nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommen sollten. Ganz optimal wären Kartons aus Frischfasern, da sperrt sich die Papierwirtschaft aber dagegen. Fünfmal soviel Abwasser würde entstehen und die Kartons wären auch noch um ein Drittel teurer.