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Verräterische Spuren im Glas

Archäologie. - Archäologie ist heute eine Hightech-Disziplin, die Instrumente und Methoden dazu liefert die Archäometrie. Eine Tagung in Heidelberg dokumentierte jetzt die Fortschritte und Trends in diesem Fach.

Von Matthias Hennies |
    Metall ist nicht gleich Metall: Die ersten Schwerter wurden aus Bronze geschmiedet, Bierhumpen machte man gern aus Zinn und Armreifen aus Gold. Bei Glas jedoch, glaubte man lange, sei das anders: Glas sei einfach Glas. Nun kam heraus, dass es auch verschiedene Arten von Glas gibt: Glas-Vasen der Römer zum Beispiel unterscheiden sich chemisch deutlich von den Butzenscheiben des Mittelalters oder den gläsernen Schmucksteinen der Ägypter. Das haben Fachleute für die Materialien der Vergangenheit jetzt erkannt. Metalle unterscheiden sich allerdings schon als Rohstoff, als Metall-Erze. Bei Glas ist der Rohstoff immer ein fein gemahlener Quarz. Die größten Unterschiede ergeben sich beim Schmelzen: Weil der überaus harte Quarz erst bei 1700-1800 Grad Celsius schmilzt, gab man zum Rohstoff ein "Flussmittel" hinzu, dass den Schmelzpunkt herunter setzt. In dieser Mischung konnten Quarzsande schon in antiken Öfen bei etwa 800-900 Grad Celsius geschmolzen werden. Und dadurch kann man die Gläser heute auseinander halten, erläutert Thilo Rehren, Professor am Archäologischen Institut der Universität London, auf der Tagung "Fortschritte der Archäometrie" an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften:

    "Diese verschiedenen Glasarten unterscheiden sich vor allem in der Art des Flussmittels, das verwendet worden ist, um die Hauptmasse des Glases, nämlich den Quarz, die Kieselsäure, zu schmelzen. Das ist für das ägyptische Glas vor allem die Asche von bestimmten Salzpflanzen, das ist für das römische Glas Mineralnatron, das sind für indisches Glas verschiedene Salze, für das mitteleuropäische, mittelalterliche Glas gibt es verschiedene Baum-Aschen, das Waldglas, weil das aus der Asche der Wälder gemacht worden ist, und das zeigt sich dann in der unterschiedlichen chemischen Zusammensetzung der Gläser, wenn man sie analysiert."

    Und die Analysen zeigen noch mehr: Lange ging man davon aus, dass die Gläser vergangener Jahrhunderte nur aus zwei Komponenten bestünden, dem Quarz und dem Flussmittel. Doch jetzt konnten zehn bis zwölf Spurenelemente darin nachgewiesen werden. Daran kann man erstmals Glas aus dem Zweistromland und Glas aus Ägypten auseinander halten: Im Zweistromland wurde das Glas gegen 1600 vor Christus erfunden, rund hundert Jahre später gab es auch in Ägypten Glas. Dass die Pharaos das wertvolle Material nicht nur importierten, sondern auch selbst herstellen ließen, konnte Rehren zusammen mit dem Archäologen Edgar Pusch zeigen: Dem Ausgräber vom Roemer-Pelizaeus-Museum Hildesheim
    gelang es in jahrelanger Forschung, im feuchten Boden des Nildeltas ägyptische Glaswerkstätten zu identifizieren. Mit seinem Team hat er dort Unmengen einheitlicher runder Tontiegel ausgegraben, der Naturwissenschaftler Rehren hat sie analysiert:

    "Was wir zeigen können, ist, dass in den ägyptischen Gefäßen in den ägyptischen Werkstätten Rohstoffe verarbeitet wurden, die hohe Salzgehalte hatten und diese hohen Salzgehalte sind nur gegenwärtig in der primären Glasherstellung, sie verschwinden, sie sind die Schlacke der Glasherstellung und damit eindeutig an die Primärproduktion geknüpft und nicht an die Weiterverarbeitung von importiertem fertigem Glas."

    Neue chemische Analyseverfahren haben in den letzten Jahren zu großen Fortschritten in der Archäometrie, also in der Zusammenarbeit von Naturwissenschaftlern und Archäologen, geführt. Insbesondere in der Isotopenanalyse haben sich neue Perspektiven eröffnet. Isotopen sind Varianten eines Atoms, die sich nur in ihrem Gewicht unterscheiden, aber dieselben chemischen Eigenschaften haben. Blei zum Beispiel, das in vielen Metallen in Spuren vorhanden ist, hat vier verschiedene Isotope. Sie finden sich in einem bestimmten Mischungsverhältnis in den Metallerzvorkommen in den Gebirgen - und dieses Mischungsverhältnis ist noch in den fertigen Produkten messbar, die aus dem Metall geschmiedet wurden. Einen eindeutigen Zusammenhang kann man nicht herstellen, aber Forscher ziehen aus der Blei-Isotopen-Mischung seit langem Rückschlüsse auf die mögliche Herkunft von Metall-Funden. Inzwischen lassen sich auch die Isotopen-Mischungen anderer Elemente für Analysen nutzen. Man misst die Isotope eines geeigneten Elements zum Beispiel in den Zähnen oder Haaren von Menschen und Tieren, die vor Jahrhunderten gestorben sind. Professor Günther Wagner aus Heidelberg, graue Eminenz der Archäometrie, erklärt, was man so über Nahrungsmittel, Temperaturen und Lebensbedingungen in der Vergangenheit erfahren kann:

    "Für derartige Fragen, also gerade Umwelt, Klima oder auch Ernährungsverhalten sind es die so genannten leichten stabilen Isotopen, das ist Wasserstoff, Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Zum Beispiel bei der Nahrungsaufnahme oder bei der Verdunstung und der Kondensation von Wasser, da gibt es Isotopen-Verschiebungen und die hängen von der Temperatur ab, und so kommt man aus der Größe der Isotopen-Verschiebungen auf den Temperaturwert."

    Bei Glas aus früheren Zeiten beginnen weiter gehende Analysen jetzt erst. Erstmals kann man chemische Fingerabdrücke von ägyptischen oder griechischen Vasen erstellen - nun beginnt die Suche nach Produktionsstätten und Handelsrouten:

    "Was das ägyptische Glas angeht, oder das spät-bronzezeitliche Glas, ist eine ganz viel versprechende Richtung die weitere Auswertung der Spurenelement-Analysen, um dann auch sehen zu können, wo die ganzen griechischen Gläser zum Beispiel herkommen."