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Verräterische Transpiration
Tragbare Sensoren analysieren Schweißtropfen

In Science-Fiction-Filmen gibt es sie schon: Wearable Electronics. Kleine Messfühler, die in die Kleidung integriert sind und ständig komplexe Funktionen unseres Körpers überwachen. US-Forscher haben jetzt ein Konzept vorgestellt, mit dem aus der Vision Realität wird.

Von Lucian Haas | 28.01.2016
    In Science-Fiction-Filmen gibt es sie schon: Wearable Electronics. Kleine Messfühler, die in die Kleidung integriert sind und ständig komplexe Funktionen unseres Körpers überwachen. US-Forscher haben jetzt im aktuellen Fachmagazin Nature ein Konzept vorgestellt, mit dem aus der Vision Realität wird. Interessant ist das unter anderem für Sportler zur Leistungskontrolle im Training und Wettbewerb.
    Schweiß, so sagt Ali Javey, ist weitaus mehr als nur salziges Wasser.
    "Schweiß enthält eine Vielzahl von Molekülen und Chemikalien. Deren Konzentration hängt jeweils mit dem Gesundheitszustand eines Menschen zusammen. Wenn man den Schweiß einer Person untersucht, sollte es möglich sein, daraus Informationen über die aktuelle körperliche Verfassung abzuleiten."
    In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Studien in diese Richtung. Probanden mussten auf einem Ergometer oder Laufband strampeln, um ihren Kreislauf schweißtreibend zu belasten. Mit speziellen Sammelgefäßen auf der Haut wurden dabei die Schweißtropfen aufgefangen, um diese anschließend chemisch analysieren zu können. Solche Verfahren haben freilich einen Nachteil. Die Ergebnisse gibt es immer erst im Nachhinein. Das wollte Ali Javey, Spezialist für Sensortechnik an der University of California in Berkeley, ändern.
    Wenn man schauen will, was ein Sportler leistet – wenn er beispielsweise dehydriert, weil er nicht genug trinkt und dann sein Körper überhitzt. Dafür wären tragbare Sensoren, die einen ständig überwachen und ohne Zeitverzug ein Feedback liefern, sehr vorteilhaft.
    Ali Javey und Kollegen haben diese Idee jetzt realisiert. Sie entwickelten eine flexible Elektronik, die in handelsübliche textile Schweißbänder für Stirn oder Handgelenk integriert werden kann. Das erste Modell umfasst vier auf der Haut aufliegende Mini-Sensoren, die spezifische Moleküle und Salzbestandteile in Schweißtropfen erkennen: Glukose, Laktat, Natrium und Kalium. Daneben ist noch ein Temperaturfühler installiert. Die Messdaten werden an eine ebenfalls flexibel ausgeführte Auswertelektronik im Schweißband weitergeleitet. Sie analysiert die Daten und schickt die Ergebnisse per Bluetooth-Funkverbindung an eine Smartphone-App. Besonders wichtig für die Kalibrierung der Messungen ist die Erfassung der Temperatur an der Hautoberfläche.
    "Wenn sich die Temperatur ändert, beeinflusst das die Messsignale der Sensoren. Darum müssen wir die Hauttemperatur überwachen. Wenn man schwitzt, verändert sie sich stark. Erst kühlt sie ab, denn der Schweiß dient ja dazu, Hitze abzugeben. Wenn man sich aber weiter anstrengt, steigt die Temperatur wieder an. Wir müssen deshalb die Sensoren laufend rekalibrieren, um akkurate Messungen zu bekommen. Technisch haben wir das jetzt als Erste realisiert."
    In ersten Labortests mit Sportlern als Probanden haben die Sensoren wie erhofft funktioniert.
    Eine interessante Beobachtung betraf die Entwicklung der Natrium-Konzentration im Schweiß. Wir konnten an den Messdaten sehen, wie bei Probanden, die eine Weile schwitzten, die Natrium-Konzentration nach oben schoss. So konnten wir erkennen, wann sie anfingen dehydriert zu sein.
    Für Sportler können solche Angaben helfen, zum richtigen Zeitpunkt im Training oder Wettbewerb wieder etwas zu trinken, um leistungsfähig zu bleiben. Ansteigende Laktatwerke im Schweiß können ihnen Hinweise darauf liefern, dass ihre Muskeln anfangen zu übersäuern und sie die Trainingsintensität besser reduzieren sollten. In Zukunft sieht Ali Javey den Anwendungsbereich der Schweißsensoren aber nicht nur im Bereich Leistungssport.
    "Im Labor haben wir die Elektronik bereits mit Sensoren für zehn weitere Chemikalien aufgerüstet. Wie ich anfangs schon sagte, enthält Schweiß verschiedene Proteine und Salze, ja selbst Schwermetalle. Jeder Stoff liefert andere Informationen über unseren Körper. Wir überlegen jetzt, wie wir den Schweißsensor an Patienten einsetzen können, um ihnen medizinisch interessante Informationen über ihren Gesundheitszustand zu liefern."