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Verräterisches Grinsen

Physik. - Maschinen, die Gesichter automatisch erkennen - spätestens seit dem 11.September haben die Sicherheitsbehörden ein gesteigertes Interesse an ihnen. Doch die bisherigen Systeme arbeiten alles andere als perfekt: Allzu oft erkennen sie die Personen nicht, die sie erkennen sollen - oder sie verwechseln sie. Auf der Tagung der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft im kanadischen Montreal präsentieren US-Forscher nun ein neues Konzept. Es basiert nicht wie üblich auf dem Vergleich von Fotos, sondern setzt bei der Mimik an.

Von Frank Grotelüschen |
    Bei der konventionellen Gesichtserkennung wird zunächst ein Foto vom Gesicht gemacht. Dieses Foto vergleicht das System dann Pixel für Pixel mit dem Bild aus einer Datenbank. Zusätzlich analysiert es dann vielleicht noch bestimmte charakteristische Merkmale wie ein Muttermal. Allerdings wird dieser Vergleich dadurch erschwert, dass auf dem Foto zum Beispiel andere Lichtreflexe sind als auf dem Bild in der Datenbank, oder dass die Schatten anders fallen. Und ganz besonders störend sind Make-up und sonstige Kosmetik.

    Miriam Rafailovich von der State University of New York kennt die Grenzen der heutigen Gesichtserkennung. Wer es drauf anlegt, kann das System täuschen. So geschehen bei einem Test auf dem Flughafen von Boston. Dort steht seit November 2001 ein Erkennungsgerät. Bei einem Test sollten Angestellte versuchen, die Technik auszutricksen, etwa mit Sonnenbrillen oder durch Grimassenschneiden. Das Resultat: In fast 40 Prozent der Fälle versagte das System. Grund genug für Miriam Rafailovich und ihren Kollegen E Guan, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Guan:

    Bei unserer Methode machen wir nicht ein Foto, sondern zwei und zwar jeweils mit einem anderen Gesichtsausdruck. Zum Beispiel lächelt die Person auf einem Bild, auf dem anderen lächelt sie nicht. Unsere Technik erfasst im Detail, wie sich beim Lächeln die Gesichtspartien bewegen. Und das ist völlig unabhängig von irgendeinem Make-up. Denn dieses Make-up beeinflusst ja nicht die Bewegung der Gesichtsmuskeln.

    Die Methode verfolgt, wie sich - wenn man lächelt oder das Gesicht verzieht - die Hautporen und Falten bewegen. An zahllosen Stellen ist die Gesichtshaut unmittelbar mit der Muskulatur verbunden. Also können die Forscher mit ihrer Methode eine Art Fingerabdruck der Gesichtsmuskulator erstellen. Das Entscheidende: Dieses Muskel-Muster ist bei jedem Menschen anders, ist für jeden Menschen individuell. Soweit jedenfalls die Theorie. Ob sie auch für die Praxis taugt, sollte ein erster Test zeigen. Als Test-Kaninchen musste einer der Forscher herhalten, und zwar E Guan. Rafailovich:

    Wir zogen ihn an wie einen Terroristen, mitsamt Perücke, Lidschatten und Make-up. Und siehe da: Die konventionelle Gesichtserkennung hat ihn glatt verwechselt mit einer Frau, die ähnlich aufgemacht war - die auch geschminkt war und eine ähnliche Frisur hatte. Unsere Technik hingegen hat sehr schnell entlarvt, dass es tatsächlich E Guan war, der hinter der ganzen Maskerade steckte.

    Bislang haben die Forscher ihr System nur an sich selber erprobt und an Freunden und Bekannten. Um zu sehen, ob die mimische Gesichtserkennung wirklich zuverlässig funktioniert, wollen sie es nun an einem größeren Personenkreis ausprobieren. Und was wäre, wenn sich ein Terrorist mittels einer kosmetischen Operation tarnen wollte? Rafailovich:

    Auch das versuchen wir gerade zu erforschen. Die kosmetische Operation wird zwar einige Verbindungen zwischen der Muskulatur und der Haut kappen. Doch trotzdem dürfte unser System die Person immer noch erkennen. Aber das müssen wir noch überprüfen, indem wir Menschen vor und nach einer plastischen Operation untersuchen.