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Verrottende Musikaliensammlung

Die Klage aus Rom über die viel zu vielen Kunstschätze, die die Stadt zu beherbergen, schützen und zu restaurieren hat, ist alt. Über ein besonders trauriges Beispiel aber ist nun zu berichten. Das Nationalmuseum für Musikinstrumente in Rom macht seinem Namen jedenfalls keine Ehre. Seine wertvollen Bestände werden unter beklagenswerten Bedingungen ausgestellt, der Rest verrottet im Keller.

Von Thomas Migge |
    Onorio Zaralli spielt auf einer Flöte. Auf einer weltweit einmaligen Flöte. 1841 wurde sie in Paris von Claude Laurent hergestellt. Nicht aus Holz oder Metall, sondern sie wurde geblasen. Es handelt sich um die einzige Kristallglasquerflöte überhaupt. Sie ist einer der vielen Schätze, die Antonio Latanza als Direktor des italienischen Nationalmuseums für Musikinstrumente verwaltet:

    "Wir haben hier das erste Cembalo, das jemals gebaut wurde, 1536. Es stammt aus Deutschland, aus Leipzig. Wir sind das einzige Museum weltweit, dass Reste von Originalmusikinstrumenten der römischen Antike besitzt. Einige Objekte stammen wahrscheinlich sogar aus der Zeit der Etrusker."

    Instrumente, mit denen vielleicht solche Musik gespielt wurde. Instrumente wie die Tuba und die Bucina, beides Blasinstrumente, und wie das Tympanum, eine Art Handtrommel, und die Tibiae, Flöten.

    "Dieses Museum hat eine eigentümliche Geschichte. Die meisten der Instrumente stammen aus der immensen Privatkollektion des italienischen Tenors Evan Gorga. Der sammelte Anfang des letzten Jahrhunderts alle Instrumente, die ihm in die Hände kamen. Dafür gab er all sein Geld aus und musste schließlich die Sammlung verkaufen. 6.000 Objekte."

    Der italienische Staat griff zu und wollte ein Musikinstrumentenmuseum einrichten, berichtet Antonio Latanza. Das war 1974. Auch wenn das heruntergekommene Gründerzeitgebäude in Rom bei der Basilika Santa Croce in Gerusalemme heute den verheißungsvollen Namen ³Museo Nazionale degli Strumenti musicali² trägt, Nationalmuseum für Musikinstrumente, ist es in Wirklichkeit kein Museum - sondern eher ein Depot, ein Magazin.

    Seit über 30 Jahren verwaltet Antonio Latanza eine museumsähnliche Struktur, deren Ausstellungsstücke - unglaublich aber wahr - nur notdürftig und zum großen Teil vollkommen unsachgemäß aufbewahrt und dem Publikum gezeigt werden. Hunderte von Musikinstrumenten müssten dringend restauriert und in Klimaboxen untergebracht werden. Aber dafür fehlen die nötigen Finanzmittel. Tausende von Instrumenten sind in hölzernen Kisten untergebracht, die in den Kellern stehen. Die dort vor sich hingammeln. Der Fußboden ist feucht, eine Heizung oder eine Klimaanlage gibt es nicht, erklärt Claudio Pinchi, Italiens prominentester Orgelbauer, Schandfleck für die italienische Kulturpolitik:

    "Unsere Fabrik für Orgelpfeifen würde sogar kostenlos die historischen Orgeln des Museums restaurieren. Das wäre uns eine Ehre. Latanza wäre das auch sehr recht, doch das Kulturministerium hat bis jetzt auf unser Angebot nicht reagiert. Wir Orgelspezialisten haben auch nicht die Möglichkeit, die alten Instrumente zu studieren. Die gammeln da nur vor sich hin! Ein Skandal ist das. So etwas gibt es weder in den USA noch im restlichen Europa."

    Auch die amerikanische und in Italien lebende Musikwissenschaftlerin Kitty Chiti fordert seit langem, dass sich das Kulturministerium um die musikalischen Schätzen kümmert, Geld zur Reinigung und Restaurierung bereitstellt:

    "Hier ist eine Generalrestaurierung dringend nötig. Dann hätte man ein Museum, das dank seiner reichen Bestände, vor allem aus der Antike, sicherlich einmalig in der Welt ist. Warum greift der Minister nicht auf die Angebote von Sponsoren zurück? Ich habe den Eindruck, dass diese Sammlungen vom Kulturministerium vergessen worden sind. Man interessiert sich nicht für sie."

    Antonio Latanza verweist auf die lächerlich geringe Summe Geld, die ihm jährlich aus dem Kulturministerium überwiesen wird - nur einige zehntausend Euro. Angesichts der riesigen Bestände des Museums ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Für die Restaurierung einer der wichtigsten Instrumentensammlungen der Welt müßten, so Museumsdirektor Latanza, jährlich mindestens 2 Millionen Euro bereitgestellt werden. Riccardo Muti, Claudio Abbado und andere prominente Musiker haben die Hoffnung auf ein Einlenken des Kulturministers bereits aufgegeben. Sie richteten einen Appell an die UNESCO in Paris sich des römischen Instrumentenmuseums anzunehmen und es zum Weltkulturgut zu erklären.