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Verschiedene Impfstoffe, gleiche Qualität?

Medizin.- Der H1N1-Impfstoff, den hochrangige Politiker bekommen sollen, enthält keinen Wirkungsverstärker - im Gegensatz zu dem, der dem Rest der Bevölkerung gespritzt werden könnte. Aber ist er deshalb gleich harmloser? Professor Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie der Universität Marburg, im Interview mit Gerd Pasch.

19.10.2009
    Gerd Pasch: Das Wort einer Zweiklassen-Impfung beherrscht augenblicklich die Schlagzeilen. Gemeint ist der Impfstoff gegen die Schweinegrippe, der in der kommenden Woche ausgeliefert werden soll. Die Pharmaindustrie hält zum Schutz der Bevölkerung im Wesentlichen zwei unterschiedliche Seren bereit. Welche Unterschiede bestehen, und wie Wirkung und Nebenwirkung wirklich sind, das wollte ich vor der Sendung von Professor Stephan Becker wissen. Er ist Direktor des Instituts für Virologie der Universität Marburg und hat mit an der Entwicklung des Impfstoffes nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation gearbeitet.

    Stephan Becker: Bei dem Schutz gegen Influenza-Infektionen spielen Antikörper gegen zwei Proteine eine besonders große Rolle, denn das sind die beiden Oberflächenproteine des Virus'. Das ist das Hämagglutinin und das sind die Neuraminidase. Und wenn man Antikörper gegen diese beiden Proteine herstellen kann, indem man eben diese Proteine, also nicht das gesamte Virus, sondern nur diese Proteine in den Impfling spritzt, dann kann man auch einen Schutz erzeugen gegen Folgen der Influenza-Virusinfektion. Das Problem bei der jetzigen Pandemie ist, dass das Virus an sich schlechter gewachsen ist, auf Zellkulturen auch in Eiern als der normale saisonale Grippe-Impfstoff. Und das hat dann dazu geführt, dass man befürchtet hat, dass möglicherweise nicht alle die, die diesen Impfstoff haben wollen, auch einen bekommen können. Inzwischen wächst das Virus etwas besser und man hat auch den Eindruck, dass nicht unbedingt alle 80 Millionen in Deutschland diesen Impfstoff sofort haben wollen. Das führt dann dazu, dass jetzt sicherlich genügend Impfstoff da ist, für die, die ihn wollen.

    Pasch: Das heißt, die Qualität ist bei beiden Impfstoffen gleich?

    Becker: Ja, es sind momentan zwei Impfstoffe im Gespräch. Das ist einmal der Impfstoff, der in millionenfachen Dosen gekauft worden ist. Und dieser Impfstoff enthält Wirkstoffverstärker, sogenannte Adjuvantien und die sollen bewirken, dass eben der Impfschutz, der durch diese Impfung aufgebaut wird, dass der eben verstärkt wird, zusätzlich. Dann gibt es einen anderen Impfstoff, den jetzt die Bundesregierung kaufen möchte, der auch bei der Bundeswehr benutzt wird. Das ist ein Impfstoff ohne Adjuvantien, ein sogenannter Ganzkeim-Impfstoff, wo also das gesamte Virus inaktiviert wird und dann mit diesem Virus diese Impfung durchgeführt wird. Der enthält aber keine Adjuvantien.

    Pasch: Ist da ein qualitativer Unterschied?

    Becker: Man kann sicher erwarten, dass beide Impfstoffe die Infektion durch dieses pandemische Influenzavirus verhindern. Möglicherweise ist der adjuvantierte Impfstoff etwas besser geeignet. Aber das lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit sagen. Vorversuche mit anderen Viren haben gezeigt, dass dieser adjuvantierte Impfstoff möglicherweise auch Schutz vermittelt, nicht nur gegen das Virus mit dem geimpft worden ist, sondern auch mit nahe verwandten Viren.

    Pasch: Sie vermuten es, aber es gibt keine direkten Hinweise auf Studien oder klinische Tests?

    Becker: Es gibt Studien mit diesem adjuvantierten Impfstoff, allerdings nicht gegen das H1N1-Virus, das wir momentan sehen. Sondern das ist getestet worden mit dem H5N1, also dieses Vogelgrippe-Virus, und da sah es so aus, als ob das Adjuvans tatsächlich auch eine Kreuzprotektion, also einen Schutz vor mehreren Viren verleihen kann.

    Pasch: Gibt es Unterschiede bei bestimmten Altersgruppen, schwangeren oder älteren Menschen?

    Becker: Es ist so, dass bei älteren Menschen diese Impfung sowieso leider nicht so gut wirkt wie bei jüngeren Menschen. Das liegt daran, dass ältere Menschen eben einen etwas schwächeres Immunsystem haben, das nicht mehr so ganz flexibel und dynamisch reagieren kann. Und da wird es wahrscheinlich sinnvoll sein, wenn man diesen pandemischen Impfstoff zweimal verimpft, sodass also der Antikörper-Spiegel, der in dem Geimpften aufgebaut wird, dass der auch ausreicht, um eine Impfung zu verhindern. Bei Schwangeren hat man in den letzten Wochen diskutiert, dass man da möglichst auf einen Impfstoff zurückgreift, der noch besser erprobt ist als jetzt dieser adjuvantierte Impfstoff, das heißt also ein Impfstoff ohne Adjuvantien. Und man erhofft sich da auch das letzte mögliche Risiko nochmals zu verhindern.

    Pasch: Ein Impfstoff ohne Adjuvantien hat eine höhere Konzentration der deaktivierten Grippeviren. Kann er deshalb verträglicher sein?

    Becker: Das ist eine schwierige Frage. Also die Studien, die mir bekannt sind, zeigen, dass der adjuvantierte Impfstoff die lokalen Nebenwirkungen verstärkt. Das heißt also, der Arm tut etwas mehr weh nach dem Stich, möglicherweise. Die Einstichstelle ist stärker gerötet und vielleicht ist ein bisschen mehr Schwellung aufgetreten. Prinzipiell sind diese Nebenwirkungen aber nach ein bis zwei Tagen wieder verschwunden. Und die treten prinzipiell auch bei dem nicht-adjuvantierten Impfstoff auf.

    Pasch: Das heißt, auch für Schwangere wäre dann kein Problem, den ohne Wirkverstärker zu geben?

    Becker: Ich glaube ... Aber man kann es nicht mit endgültiger Sicherheit sagen, dass für Schwangere auch der adjuvantierte Impfstoff nicht gefährlicher ist als der nicht-adjuvantierte Impfstoff.

    Pasch: Kennen Sie denn Untersuchungen dazu?

    Becker: Es gibt momentan keine klinischen Studien mit Schwangeren. Das hat man aus ethischen Gründen nicht gemacht. Das einzige was man weiß ist: wenn Frauen in klinische Studien eingeschlossen werden und werden während der Studie schwanger, von daher weiß man, dass auch bei diesen Personen und auch bei den neugeborenen Kindern keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgetreten sind mit dem adjuvantierten Impfstoff aber auch mit dem anderen nicht.

    Pasch: Soweit der Virologe und Impfstoff-Entwickler Stephan Becker zu den Impfstoffen gegen die Schweinegrippe, mit denen einer Pandemie vorgebeugt werden könnte.