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Verschlossene Bibliotheken bald an bayrischen Unis?

Der Frust der bayerischen Hochschul- und Uni-Präsidenten ist groß, seit die Sparpläne der Staatsregierung bekannt wurden. Auch einen offenen Brief an Ministerpräsident Seehofer haben sie geschrieben. In Hof tagen gerade die bayerischen FH-Präsidenten momentan.

Von Annerose Zuber | 19.10.2010
    Verschlossene Bibliotheken, weniger wissenschaftliche Literatur oder Gebühren für den Strom für die Laptops der Studenten: Mit diesen Plänen soll das aktuelle Sparprogramm an den bayerischen Hochschulen umgesetzt werden – denn kurzfristig hat die bayerische Landesregierung bis Jahresende 13 Millionen Euro gestrichen. Die Hochschul-Präsidenten befürchten, dass dies nur ein Warnschuss ist – und die Staatsregierung den Rotstift noch viel stärker ansetzt. Weil die Gespräche hinter den Kulissen offensichtlich keine Entwarnung brachten, bauen die Hochschulen nun Druck auf. Gunter Schweiger, Chef der FH in Ingolstadt und Sprecher aller bayerischen Fachhochschulen:

    "Einen offenen Brief an einen Ministerpräsident zu schreiben, ist für uns fast Ultima Ratio."

    Die Hochschulchefs legen die akademische Zurückhaltung ab. Wenn die angedachten Sparpläne tatsächlich durchgezogen werden, leiden darunter nicht nur Forschung und Lehre, betont Wolfgang Herrmann, Präsident der TU München, ganz deutlich:

    "Angesichts der vielen Beteuerungen, wie wichtig Bildung und Innovation sind, wäre im Fall von Kürzungsmaßnahmen die Glaubwürdigkeit der Staatsregierung komplett ruiniert."

    Bayern rutsche in Sachen Bildung auf hintere Plätze zurück, befürchtet der Hofer FH-Präsident Jürgen Lehmann:

    "Baden-Württemberg investiert für nächstes Jahr beispielsweise 100 Millionen Euro zusätzlich in den Hochschulbereich. Und wir würden umgekehrt ein Einsparpotenzial von schätzungsweise Minimum 240, 250 Millionen ins Auge fassen. Wir haben 2004 schon mal 70 Millionen unter massivsten Problemen einsparen müssen. Das heißt, es würde weitaus dramatischere Folgen für die gesamte Hochschullandschaft in Bayern haben. Das heißt auch im Klartext, Bayern würde sich als Wissenschaftsstandort weiter verschlechtern."

    Gleichzeitig sei aber die Wirtschaft auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Das Ziel von Ministerpräsident Seehofer, einen ausgeglichenen Staatshaushalt auf die Beine zu stellen, kommt für die Hochschulen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt – denn wegen der Schulzeit-Verkürzung im Gymnasium machen nächstes Frühjahr gleich zwei Jahrgänge gleichzeitig ihr Abitur. Der Münchner TU-Präsident Herrmann:

    "Wenn jetzt gespart, reduziert wird, dann wird man im kommenden Jahr die Staatsregierung verantwortlich machen, wenn das Allergeringste mit dem doppelten Abitur-Jahrgang nicht klappt. Das heißt, es ist auch ein Gebot der politischen Klugheit, jetzt die Hochschulen dadurch zu 100 Prozent in die Pflicht zu nehmen, dass man ihnen das Budget lässt, dann aber auch erwartet, dass im kommenden Jahr der doppelte Abiturjahrgang und der reguläre Studienbetrieb klappt."

    Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch von der FDP versucht zu beschwichtigen – auch wenn die bayerische Landesregierung erst Anfang November den Haushaltsplan endgültig festzurrt, gibt er doch heute schon eine Studienplatz-Garantie für den doppelten Abitur-Jahrgang:

    "Für das kommenden Jahr, das Jahr des doppelten Abiturjahrgangs, rechnen wir mit 76.000 Studienanfängerinnen und Studienanfängern. Und 2012 mit 72.000. Diese Bewerberinnen und Bewerber werden an den bayerischen Hochschulen einen Studienplatz vorfinden, denn im Rahmen unseres Ausbauprogramms schaffen wir für sie ausreichende personelle und räumliche Kapazitäten. Wir werden – und diese Zahl ist schon oft kommuniziert worden - 38.000 zusätzliche Studienplätze schaffen mit 3.000 zusätzlichen Personalstellen."

    Doch da sehen die Hochschulen noch viel Gesprächsbedarf. Fehlt ihnen doch jetzt schon das Geld für den regulären Betrieb. Präsident Jürgen Lehmann von der FH Hof nennt nur ein Beispiel:

    "Dann sind die Heizkosten massiv gestiegen. Im letzten Jahr hatten wir 20.000 Euro minus nur im Heizkostenbereich. Das müssen wir dann aus den Titelgruppen wie Lehre nehmen. Das heißt, es fehlt einfach für die Ausbildung. Das versucht man teilweise zu kompensieren durch die Studienbeiträge."

    Studiengebühren für die Heizung – noch schweigen die Studierenden in Bayern zu dieser Zweckentfremdung und zu den aktuellen Sparplänen. Doch die Hochschulchefs wie Jürgen Lehmann wissen, dass sie mit ihren Protesten nicht lange allein bleiben:

    "Das Bildungsproblem ist ein höchst sensibles Thema. Das wird bei Eltern, Schülern nicht vergessen werden. Das wird längerfristig anhalten, auch wenn aktuell keine Wahlen bei uns sind. Aber auch in anderen Bundesländern spielt dies eine immens große Rolle und das könnte unsere politische Landschaft in Deutschland gewaltig durcheinanderwirbeln."