Archiv


Verschmolzene Gene

Genetik. - Die Verschmelzung von Genen hat man bislang nur bei Bakterien nachgewiesen. Genetiker der Universität Leipzig haben durch Zufall auch bei der Fruchtfliege zwei verschmolzene Gene entdeckt. Ein Vergleich verschiedener Insektenordnungen ergab, dass alle puppenbildenden Insekten ein solches fusioniertes Gen besitzen. Allerdings gibt es wohl keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Entwicklung dieser Insekten und der Genfusion.

    Reiner Zufall hat den Biologen Veiko Krauß auf die Spur des fusionierten Gens bei der Fruchtfliege Drosophila melanogaster geführt. Er hatte ein mutiertes Gen entdeckt und wollte es für weitere Untersuchungen klonieren. Nach der Vermehrung erkannte er allerdings, dass sein Zielgen in eine andere Erbinformation eingepasst worden war, so dass es nur mit dieser zusammen abgelesen werden konnte. Derartig verschmolzene Gene haben die Biologen bisher nur bei Bakterien gefunden. Weitere Untersuchungen ergaben, dass die beiden Gene obendrein sehr unterschiedlich waren - die Genfusion bei den Bakterien hatte dagegen immer funktionell eng verwandte Erbinformationen betroffen. Krauß: "Unser Zielgen fungiert dagegen im Kern der Zelle, das andere Gen ausschließlich im Zytoplasma." Das Zielgen produziert ein Protein, das die Verpackung der DNA undurchlässiger macht und so zum Abschalten von Genen führt, das andere Gen dagegen hat eine Funktion ganz am Anfang der Proteinproduktion.

    Eine genauere Untersuchung von verwandten Insektenfamilien ergab, dass auch sie über ein fusioniertes Gen verfügen, soweit sie in ihrem individuellen Entwicklungszyklus eine Puppe bilden. Das machen etwa Fliegen, Schmetterlinge oder Ameisen. Die Gruppe der puppenbildenden Insekten entstand vor etwa 300 Millionen Jahren, ungefähr so alt wird auch die Genfusion sein. Einen Zusammenhang zwischen Puppenbildung und fusioniertem Gen konnten die Forscher allerdings nicht erkennen. "Das Gen hat nichts mit der vollständigen Ausprägung des Entwicklungszyklus der Insekten zu tun, es ist nur zufällig zeitlich damit verbunden", erklärt Krauß. Mehr noch: die fusionierten Gene gibt es auch bei anderen Tieren, etwa dem Menschen, und dort erfüllen ihre Produkte dieselben Funktionen wie bei den puppenbildenden Insekten. Einen Vorteil scheinen die puppenbildenden Insekten von der Genfusion daher nicht gehabt zu haben, zumindest haben ihn die Forscher bislang noch nicht gefunden.

    [Quelle: Hartmut Schade]