Freitag, 19. April 2024

Archiv


Verschüttete Erinnerung

Ein Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind weder die Ursache noch die Schuldfrage geklärt - Stadt, Verkehrsbetriebe und Bauunternehmen schieben sich die Verantwortung seit zwölf Monaten gegenseitig zu.

Von Stefan Koldehoff und Katja Lückert | 02.03.2010
    Es war ein schöner Dienstag, ein sonniger kühler Vorfrühlingstag. Köln hatte sich gerade vom Karneval erholt. Acht Tage zuvor, am Rosenmontag, war noch der Zug durch die Severinstraße in der Südstadt gezogen. Auch vorbei am Historischen Archiv der Stadt, das 1971 gebaut wurde und damals eines der modernsten Gebäude seiner Art war. Die Leiterin, Bettina Schmidt-Czaia, saß am frühen Nachmittag des 3. März mit einem Gast in ihrem Büro.

    "Plötzlich hörte ich wie Unruhe aufkam auf dem Flur, und es drang in mein Arbeitszimmer der Haustechniker ein. Und der Mann, der war sehr aufgebracht, sehr in Rage, ein ganz rotes Gesicht, und raste wirklich förmlich über die Flure und verließ uns auch sofort wieder und rannte zum nächsten Zimmer. Und ich bin noch mal ein Stück zurückgelaufen, in den Lesesaal, hab' die Tür des Lesesaals aufgerissen, hab' noch mal 'raus, raus, raus' geschrien. Dann hab' ich mich auf dem Absatz umgedreht und bin rausgelaufen."
    Es war 13 Uhr 58. Fünf Minuten zuvor hatten Bauarbeiter in der U-Bahn-Grube am Waidmarkt in einer Tiefe von 28 Metern Erdbewegungen an der Betonstützwand bemerkt. Sie stoppten die Busse auf der Straße, stürmten ins Stadtarchiv und in die angrenzenden Häuser und versuchten, die Menschen zu warnen. Anja Spörk betrieb in unmittelbarer Nähe eine Kneipe und saß gerade auf der Terrasse, als plötzlich das riesige Archivgebäude und zwei Wohnhäuser in sich zusammenfielen:

    "Es ging also von dieser Seite aus los, von dem Eckhaus Severinstraße, da war unten eine Spielhalle drin. Und an der linken Seite der Spielhallentür ging dann ein Riss die Wand hoch, und dann flitschte der erste Putz von den Wänden, dann sind die ersten Fenster geborsten, die dann raus sprangen. Und dann ging alles relativ schnell. Dann sackte ein Haus nach dem anderen runter in die Grube. Und dann anschließend sah man, wie sich dann das Stadtarchiv nach vorne neigte und dann mit dem Nachvorneneigen auch nach unten ging. Und dann kam schon diese enorme Schuttwolke, die sich dann irgendwie ganz langsam auf das Haus zugeschoben hat, und dann habe ich mir gedacht. Ok, jetzt ist vielleicht besser, wenn Du läufst."
    Auch die 21 Mitarbeiter und Besucher des Stadtarchivs liefen – und konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen. Sie standen auf dem Sportplatz eines angrenzenden Gymnasiums und sahen in wenigen Sekunden das Archiv einstürzen. Es war das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen. Zwei junge Männer überlebten das Unglück nicht. Sie wurden von den Trümmern erschlagen.
    Im Kölner Archiv lagerten insgesamt 30 Regalkilometer historische Akten aus über eintausend Jahren Kultur, Politik und Geschichte – das Gedächtnis einer Stadt, einer Region, eines Landes. Mit 65.000 Urkunden, 104.000 Karten und einer halben Million Fotos, erklärt Bettina Schmidt-Czaia:

    "In dem Moment stürzt ja kein Haus ein, sondern der Gegenstand, mit dem man sich viele Jahre beschäftigt hat: Manche haben hier dreißig Jahre schon gearbeitet, und das ist ihr Lebenswerk. Das liegt dann da im Dreck. Wir begreifen das inzwischen auch als Chance, denn wir können jetzt ein Archiv wieder aufbauen, das es in der Form noch nicht gibt in Deutschland, ein sehr modernes, technisch ausgerichtetes Archiv. Aber tatsächlich ist die persönliche Erfahrung für jeden Einzelnen von uns ganz furchtbar."
    Ein Jahr danach sind 85 Prozent des Archivguts geborgen – zum Teil in katastrophalem Zustand, zum Teil erstaunlich gut erhalten. Zehn Prozent liegen noch verschüttet unterhalb des Grundwasserspiegels, und fünf Prozent müssen vermutlich als unwiederbringlich verloren gelten. Nach dem Bau eines sogenannten Sicherungsbauwerks will man im April versuchen, die noch fehlenden Dokumente zu bergen. Ein Spezialbagger wird dann noch einmal zehn Meter tiefer graben.
    Oberstaatsanwalt Günther Feld möchte gar nichts mehr sagen. Und selbst, dass er gar nichts mehr sagen möchte, will der Jurist zurzeit in kein Mikrofon sprechen. Würde er jede Interviewanfrage beantworten, käme er nicht mehr zu seinen Ermittlungen. Außerdem ändert sich das, was Juristen die "Sachlage" nennen, in Köln zurzeit täglich. Auch ein Jahr nach der Katastrophe sind weder die Ursache noch die Schuldfrage geklärt. Dafür gibt es jeden Tag neue Enthüllungen über Schlamperei am Bau.
    Dass ganz offensichtlich nicht sauber gearbeitet wurde, hatte sich schon lange vor dem Einsturz gezeigt. Ein Kirchturm in unmittelbarer Nähe drohte umzufallen und musste gestützt werden. Mitarbeiter des Historischen Archivs wiesen nach Beginn der U-Bahn-Arbeiten auf Setzrisse im Keller hin, die die Löschanlage beschädigten.

    Wenig später senkte sich das Gebäude insgesamt um mehrere Millimeter ab. Trotzdem gaben die Gutachter schnell Entwarnung: So etwas sei normal, kein Grund zur Besorgnis. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau in Nordrhein-Westfalen, kritisiert deshalb, dass die eigentlich zuständige Bezirksregierung die Bauaufsicht delegierte – über die Stadt an den Bauherrn, die Kölner Verkehrs-Betriebe, selbst.

    "Also der Bauherr ist da ja gar nicht frei genug, um sich selber wirksam kontrollieren zu können. Er kann vielleicht die Kontrolle noch durchführen, aber er muss ja Maßnahmen auslösen. Maßnahmen kosten immer auch Geld, und er wird das sicher durch eine andere Brille sehen als jemand, der unabhängig ist, der im Grund dann nur für die Sicherheit zuständig ist und sagt: Koste es, was es wolle: Sicherheit gibt's nur einmal, die muss hier jetzt Vorrang haben."
    Noch am 3. März 2009 begann nicht nur die Suche nach Verschütteten, sondern auch die kriminalistische Ursachenforschung. In Büros der Stadt, von Verkehrsbetrieben und beteiligten Baufirmen wurden Unterlagen beschlagnahmt. Schnell konzentrierten sich die Ermittlungen auf jene Schlitzwände am Kölner Waidmarkt, die tief in den Untergrund gerammt wurden, um die eigentliche Baustellenfläche frei zu halten. Von massiven Problemen mit dem Grundwasser, das an dieser Stelle sehr hoch steht, und von einem möglichen Grundbruch war die Rede: Weil zu viel Wasser in die Baugrube drang, wurden zur Ableitung weit mehr Brunnen gebaut, als die Wasserbehörde genehmigt hatte. Dadurch könnte zu viel Erdreich mit ausgespült worden sein, sodass der Boden unter der Schlitzwand ins Rutschen geriet. Widerlegt ist diese Theorie bis heute nicht, sagt Ingenieurkammer-Präsident Heinrich Bökamp.

    "Plausibel könnte sie immer noch sein, nur man ist da eben noch nicht weiter gekommen. Also die Ursachenforschung läuft zurzeit noch. Die Diskussion hat sich jetzt eigentlich eher ausgeweitet, indem man eben andere mögliche Varianten aufgetan hat, die zum Unfall damals hätten führen können. Da sind vor allen Dingen Unregelmäßigkeiten beim Einbau der Bewehrung, Unregelmäßigkeiten jetzt in letzter Zeit bei Vermessungsprotokollen. Man hat in der Zeit, die jetzt in den vergangenen Monaten vergangen ist, einfach gesehen, dass die Baustelle an der einen oder anderen Stelle zu sparsam überwacht worden ist, dass sich dort ein Klima gebildet hatte, wo man eben Überwachung nicht befürchtet hat, und dann eben Dinge passieren, die zumindest theoretisch die Standsicherheit von Bauwerken beeinträchtigen."
    Nach einer Bruchstelle zu suchen, war aber lange Zeit kaum möglich. Erst mussten die Toten geborgen, dann so viele Archivalien wie möglich aus dem Geröll gezogen und konserviert werden. Bereits einen Tag nach dem Einsturz begannen die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk, die Bestände aus dem Einsturzkrater zu bergen. Rund 4000 Freiwillige aus aller Welt leisteten in einer großen Halle Erste Hilfe für das zum Teil stark verschmutzte, durchnässte und zerfetzte Material, das sie bald sarkastisch "Kölner Flocken" nannten: Das chaotische Puzzle mit über sieben Millionen Teilen überforderte die meisten Laienhelfer. Angeleitet von Archivaren, sollten sie vorerst nur entscheiden, was zu nass ist, um in den großen Bautrocknern vor Ort getrocknet zu werden, und was in die Gefriertrocknung geschickt werden muss, um Schimmelbildung zu vermeiden. Unter den Ersthelfern war auch die Archivarin Gisela Fleckenstein:

    "Aus der Sammlung Jacques Offenbach ist was aufgetaucht, Jens Hagen Schriftsteller, also es tauchen immer wieder verschiedene Splitter auf. Nur man kann nicht sagen, dass also ganze Strecken geborgen werden oder ein ganzer Bestand. Es liegt sehr viel durcheinander, weil das Haus nicht systematisch zusammengestürzt ist, sondern wir haben hinten einen Trichter und aus mehreren Stockwerken sind da alle Archivalien gemischt, sodass da auch Schreinsbücher und Verlagspublikationen herauskommen."
    Eine äußerst wertvolle Mischung: Mittelalterliche Urkunden und päpstliche Edikte wurden verschüttet, der Nachlass von Heinrich Böll und Partituren von Jacques Offenbach, das Archiv der Hanse, Handschriften von Albertus Magnus und Paul Celan, die berühmten Kölner Schreinsurkunden, eine wertvolle Ausgabe von "Tristan und Isolde", Reichstagsschriften des 16. und 17. Jahrhunderts – aber auch die Akten der Kölner Stadtverwaltung unter Adenauer und das Archiv der Messe "Photokina". Der Schriftsteller Hans Werner Kettenbach hatte dem Archiv schon zu Lebzeiten viele seiner Manuskripte überlassen – als Vorlass:

    "Ich merke es jetzt zum Teil bitter, weil ich einen Sammelband zusammenstelle mit kürzeren Geschichten, die ich so im Laufe der Zeit geschrieben habe, und weil ich mich da an manches erinnere, was ich nicht mehr habe. Das war also nur im Manuskript vorhanden, bevor es Computer gab. Und das habe ich dann mit weggegeben. Da komm ich nicht mehr dran. Ich habe mich mal erkundigt, es sei ein großer Teil geborgen, aber was genau, wisse man nicht. In Köln gibt es ja ein wunderbares Wort im kölschen Grundgesetz: Wat fott es, es fott."
    Nicht alle Leihgeber reagieren mit solcher Larmoyanz. Dorothea von Wittgenstein hatte dem Archiv ihre große Familienchronik zur Verfügung gestellt. Der Regisseur Franz-Josef Heumannskämper verkaufte der Stadt den Nachlass seines Lebensgefährten, des Baritons William Pearson. Sie und mehrere andere Leihgeber haben inzwischen die Stadt Köln wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht verklagt – und verlangen die Rückgabe der überlassenen Archivalien, falls sie wiedergefunden werden. Mitte dieses Monats soll darüber gerichtlich entschieden werden, sagt Rechtsanwalt Louis Peters:

    "Wir wissen nicht, was weg ist. Wir haben gefragt, was ist gerettet, da ist uns nur gesagt worden, wir wissen es nicht, denn wir haben keinen Überblick. Es mag noch Jahre dauern, bis wir das finden, aber wir sind nicht bereit, Jahre abzuwarten. Da müssen Sie wissen, dass die ganzen Leihgeber alle 70, 80, 90 Jahre alt sind, die möchten das vor ihrem Tod alles noch erledigt haben."
    Mit Infrarotkameras und Radartechnologie versuchten die Gutachter der Staatsanwaltschaft, der Einsturzursache auf die Spur zu kommen. Mühsam tasteten sie sich an jene Stelle heran, an der die Kameras Unregelmäßigkeiten aufgezeichnet hatten. Unmittelbar unterhalb des ehemaligen Archivhauses, hieß es, könnte eine Schlitzwand gebrochen sein.
    Die Wende kam erst im Februar 2010. Mehrere Mitarbeiter einer beteiligten Baufirma sagten gegenüber der Staatsanwaltschaft über einen gigantischen Materialdiebstahl aus. Tonnenweise seien Metallbügel abtransportiert worden, die eigentlich den Beton stabilisieren sollten. Bauarbeiter hatten sie an Altmetallhändler verkauft. Aufgeschlagene Wände bestätigten ihre Aussagen: Zum Teil waren nur 17 Prozent der vorgeschriebenen Stahlmenge verbaut worden. Damit gab es plötzlich eine zweite denkbare Einsturzursache.

    Bökamp: "Wenn Sie jetzt durch die Ausführung der Wand dafür sorgen, dass die Wand deutlich geringer tragfähig ist, dann haben Sie ein Standsicherheitsproblem und dann ist im schlimmsten Fall auch eben ein Zusammenbrechen dieses Wand-Elementes denkbar."
    Seither überstürzen sich die Ereignisse. Fast 30 gefälschte Betonprotokolle sind aufgetaucht. An weiteren Baugruben wurde vorgesehenes Material nicht verbaut, sondern gestohlen. Ob dies nur an den Schlitzwänden geschah, oder auch an den unterirdischen Bahnhöfen selbst, ist noch nicht geklärt. Für das Stadtarchiv gibt es nun aber mindestens eine zweite potenzielle Einsturzursache.

    Neben eindringendem Wasser könnten auch instabile, brüchige Betonwände die Katastrophe ausgelöst haben. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass auch unterhalb eines Gymnasiums, gegenüber dem ehemaligen Stadtarchiv, im Laufe der Bauarbeiten ein großes Loch in einer Schlitzwand entdeckt worden war. Es konnte aber offenbar rechtzeitig wieder geschlossen werden. Wahrscheinlich erst Ende des Jahres wird es möglich sein, die entscheidende Betonwand unterhalb der Unglücksstelle freizulegen und zu untersuchen. Grundbruch, Wassereinbruch oder fehlende Metallarmierungen – diese Frage wird erst in Monaten beantwortet werden können.
    Für die Frage nach der politischen Verantwortung gilt das nicht. Stadt, Verkehrsbetriebe und Bauunternehmen schieben sie sich seit zwölf Monaten gegenseitig zu. Der Sachschaden liegt jenseits der Milliardengrenze – und niemand will zahlen, sagt die Fraktionsvorsitzende der "Grünen" im Rat der Stadt Köln, Barbara Moritz.

    "Also, man hätte nicht genügend Informationen, man würde das noch überprüfen – immerhin haben wir ja jetzt den Jahrestag, also ein Jahr ist Zeit gewesen. Man hätte noch keine Erkenntnis in der Tiefenschärfe, wie man sie gebrauchen könnte. Also das hört sich sehr nach Ausflüchten an."
    Während Politik und Staatsanwaltschaft deshalb vor allem an einer Aufklärung der Vergangenheit interessiert sind, versuchen die Archivmitarbeiter, eine Perspektive in Richtung Zukunft zu entwickeln. Sie wissen, dass ihre Bestände erst in Jahren oder Jahrzehnten – genau kann das zur Zeit noch niemand sagen – wieder nutzbar sein werden.
    Das Kölner Stadtarchiv hatte erst in den letzten zwei Jahren vor dem Einsturz damit begonnen, seine Bestände zu digitalisieren, der überwiegende Teil lag aber noch in der traditionellen Form, in Aktendeckeln und Kartons, vor. Waren sie sicher genug verpackt und ausreichend gekennzeichnet, um sie nach einem solchen Unglück, überhaupt noch identifizieren zu können? Das ist deshalb eine zentrale Frage.

    "Dass wir viel geborgen haben, zeugt eigentlich davon, dass es ganz gut aufgewahrt war. Man kann in allen Archiven Verbesserungen anstellen, und wir haben gemerkt, im Katastrophenfall sind ganz andere Dinge wichtig, als man bis jetzt gedacht hat. Katastrophen hat man immer sehr lokal begrenzt gesehen, also Wassereinbruch in einem begrenzten Bereich oder Feuer in einem begrenzten Bereich. Dass ein Archiv komplett einstürzt und der Gesamtbestand bedroht ist, das hat es in der Form noch nicht gegeben seit 1945."
    Mittlerweile lagert der überwiegende Teil der geborgenen Dokumente in 19 sogenannten "Asylarchiven" – zum Teil gefriergetrocknet, bunt durcheinander und quer über die Republik verteilt. Für die Mitarbeiter in Köln, deren Zahl nach dem Einsturz verdoppelt wurde, habe die Stadt inzwischen eine Art Reisebüro eröffnet; man sei fast nur noch unterwegs, so Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia:

    "Viele Kollegen, immer etwa 15 bis 20, befinden sich unter der Woche in Asylarchiven und geben in die Bergungserfassung ein, was sie dort sehen. Im Moment an den drei Standorten Düsseldorf, St. Augustin und Detmold, Landesarchiv. Wir haben mit dieser Methode bereits seit Anfang Oktober 80.000 Einheiten erfasst und etwa die Hälfte davon auch identifiziert. Das ist unglaublich schnell, also wir kommen sehr schnell vorwärts. Trotzdem rechnen wir damit, dass wir für die gesamte Erfassung des in den Asylarchiven lagernden Archivgutes inklusive Schadensklassifikation drei bis fünf Jahre benötigen werden."

    Bei der Überbrückung dieser Zeit will das Projekt "Das digitale Archiv" helfen. Sein Initiator, der Kunsthistoriker Holger Simon, hat alle ehemaligen Nutzer aufgefordert, Kopien oder Transskripte aus dem Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen, um sie im Internet wenigstens virtuell wieder zugänglich zu machen.

    "Man muss sehen: Es ist ja nicht nur so, dass da die einzelnen Seiten drin sind, sondern da sagt auch jemand, ich habe einen ganzen Mikrofilm bei mir liegen von der Handschrift sowieso. Und dann steht die da drin. Das heißt ein Forscher, der jetzt sieht, ach' ich habe meine ganzen Sachen verloren, sieht jetzt ach' es gibt es doch noch. Und der sitzt in München und wir verbinden die und sagen, hier frag' doch mal nach, ob Du da reingucken kann, somit überbrückt man zurzeit ein bisschen das, dass Vielen ihre Hauptquellen verschwunden und kaputt sind."
    Das betrifft besonders die Wissenschaftler, die über die Zeit nach 1815 geforscht haben. Ein Großteil der Bestände bis zu diesem Jahr liegt nämlich auf Mikrofilm vor – sicher eingelagert im Barbarastollen in der Nähe von Freiburg. Was aber nach 1815 kam, wurde bislang weder verfilmt noch digitalisiert.

    In fünf Jahren soll es ein neues Historisches Archiv der Stadt Köln geben – rund zwei Kilometer Luftlinie vom alten Standort entfernt, in einem gemeinsamen Neubau mit dem Rheinischen Museumsarchiv. Der Standort in der Nähe der Uni, am Eifelwall, gilt als sicher. Der Rhein ist weit entfernt, und Straßenbahnschienen liegen bereits vor der Haustür. Bis dahin heißt es allerdings: Immer wieder umziehen, denn das Düsseldorfer Archiv und andere Asylhäuser müssen die Kölner Bestände schon bald wieder zurückgeben – aus Platzmangel.
    Es waren nicht Menschen, die in Köln versagt haben, sondern ein System, in dem der Bau einer ganzen U-Bahn-Strecke jahrelang ohne die vorgeschriebenen unabhängigen Kontrollen stattfinden konnten – weil Geld und Zeit zu kostbar waren. Dafür zahlt die Stadt Köln nun einen viel höheren Preis: Zwei Menschen sind tot, unermessliche Kulturschätze zerstört und das Vertrauen der Bürger in ihre Stadt nachhaltig beschädigt. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, fordert deshalb ein grundsätzliches Umdenken – nicht nur für Köln:

    "Also man darf sicher die Liberalisierung in der Baugesetzgebung nicht weiter vorantreiben. Dort hat man ja vor einiger Zeit damit angefangen, dass man die Eigenverantwortung an den Bauherrn übergibt. Das funktioniert aber nur an den Stellen, wo der Bauherr auch auf Augenhöhe mit den Ausführenden ist. Ansonsten muss eine unabhängige Bauaufsicht wieder mehr gestärkt werden, sie ist ja gerade auch in den Kommunen an vielen Stellen kräftig reduziert worden. Da ist ganz wenig Personal nur noch vorhanden, was gleichzeitig mit weniger Know-how auch noch verknüpft ist. Man muss dafür sorgen, dass man eigentlich das Bauen unabhängig begleitet."