"Dies ist die Geschichte meines Vaters, eines Kriegsverbrechers, meiner Mutter, meiner Geschwister, Nichten und Neffen. Eine typisch deutsche Geschichte."
Eine Geschichte, die den Zuschauer mit dem alltäglichen Wahnsinn der Nachkommen eines deutschen Täters konfrontiert, mit ihren Lebenslügen, ihren mitunter ekelhaften Verdrehungen und verzweifelten Verdrängungen. In "Zwei oder drei Dinge, die ich von ihm weiß" hat Malte Ludin die nationalsozialistische Karriere seines Vaters nahezu lückenlos dokumentiert. Der Film erzählt die Biografie eines leidenschaftlichen Nazis der ersten Stunde, der seine SA-Truppen auf Führer und "Deutschland, Deutschland über alles" einschwor, der den Vasallenstaat Slowakei auf Linie hielt und für die Ermordung der slowakischen Juden Verantwortung trug. Beim Sichten der umfangreichen Akten, sagt der Filmemacher, habe er gehofft, auf irgendeinen Hinweis zu stoßen, der den Vater entlasten könnte, auf einen Widerspruch, einen Einspruch oder doch zumindest auf ein Zögern. Nichts dergleichen hat er gefunden.
Dennoch steht er mit seiner Beurteilung des Vaters im Kreise seiner Geschwister alleine da. Der ältere Bruder und Erika, die Erstgeborene, sind bei Beginn der Dreharbeiten bereits tot, die drei noch lebenden Schwestern verteidigen den Vater ohne Vorbehalt. Ein Idealist sei er gewesen, ein romantischer Patriot. Den Enkeln haben sie gar zu suggerieren versucht, der Opa sei ein Widerstandskämpfer gewesen. Die Grundlagen für diese Realitätsverweigerung hat Ludins Witwe Erla geschaffen. Nur ihrer ältesten Tochter Erika erzählte sie 1947 von der Exekution des Vaters, den jüngeren teilte sie mit, er sei gefallen. Jedem Versuch einer kritischen Auseinandersetzung schob sie einen Riegel vor.
"Unsere Mutter war das Zentrum. Solange sie lebte, hätte ich mich an diesen Film nicht gewagt."
Als die Mutter 1997 starb, machten sich die Töchter zu Hüterinnen der Familienlegende. Sie scheinen wirklich zu glauben, dass es so etwas wie einen "guten Nazi" hat geben können und dass ihr Vater diesen Typus repräsentierte. Er habe zwar die Deportationsbefehle für die in der Slowakei ermordeten Juden unterschrieben, aber, da sind sich die drei Schwestern einig, und so hat es die Mutter gepredigt, er habe nicht einmal ahnen können, welches Schicksal auf die Deportierten wartete:
"Aber jemand, der auch schreibt an unsere Mutter, 1945, die Kinder können stolz sein auf ihren Vater. Das sagt doch nicht jemand, der wusste, die Juden werden umgebracht, der bewusst Menschen in den Tod schickt. Das kann nicht sein, so schizophren kann nicht mal der übelste Verbrecher sein. Das kann ich einfach nicht glauben."
Bei den Ludins beruft man sich auf bildungsbürgerliche Traditionen, gibt sich liberal, engagiert sich für die Umwelt und gegen die Armut. Wenn es allerdings um den Vater geht, wird der Verstand ausgeschaltet, dann zerbricht die nicht sehr stabile Fassade.
Barbel: "Es waren übrigens auch viele Juden bei den Partisanen und es gab eigene jüdische Partisanengruppen, weil die Polen gerne unter sich waren und es gab dann eigene jüdische Partisanengruppen."
Malte Ludin: "Das hatte mit den Partisanen gar nichts zu tun, sondern sie haben gesagt - klipp und klar - in so genannten Arbeitslagern werden die Juden nicht für Arbeit verwendet, sondern sie werden umgebracht."
Barbel: "Nein, das musst du mir erst zeigen."
Malte Ludin: "Sie wurden massenhaft getötet."
Barbel: "Massenhaft getötet, das stimmt ja auch. Bei Partisanenerschießungen wurden die Juden gleich mit eingesammelt."
Malte Ludin: "Du meinst, sie sind zu Recht erschossen worden?"
Barbel: "Nein, das nicht, aber das ist eben Krieg, Maltechen, da wird eben geschossen. Du spielst dich hier auf als Rächer der Entrechteten."
"[Mein Großvater] war ein Schreibtischtäter und trug in der Slowakei die politisch-diplomatische Verantwortung für den Tod von nahezu 70.000 Juden. [...] Diese Schuld ist in meiner Familie nie ohne Wenn und Aber anerkannt worden, vielmehr hat man sie bestritten und bestreitet sie noch heute. Mein Großvater hat indirekt auch meine Mutter auf dem Gewissen, denn sie hat seine Schuld unbewusst übernommen, ja fast internalisiert und damit nicht leben können. [...] Fehler hat ebenfalls meine Großmutter gemacht, denn sie hat nicht nur Zeit ihres Lebens ihrem Mann in allem, was er tat, unterstützt und bestärkt, sondern sogar ihre älteste Tochter einem Mythos geopfert, dem Mythos des schuldfreien, wahrhaftigen und stets anständigen Ehemanns."
Diese klaren Worte findet Alexandra Senfft, die Tochter von Ludins Erstgeborener Erika, in ihrem Buch "Schweigen tut weh." Die Autorin war 14, als der lange Alkoholexzess ihrer Mutter begann, der 23 Jahre später tödlich endete. Im April 1998 stolperte die 64-jährige Erika Ludin in ihre mit heißem Wasser gefüllte Badewanne und starb qualvoll an den Verbrennungen. Alexandra Senfft erzählt die Lebensgeschichte ihres Großvaters ausführlicher als der Film das kann. Vor allem aber rekonstruiert sie die Leidensgeschichte ihrer Mutter, deren Ausgangspunkt das in der Bundesrepublik übliche Verschweigen und Verdrängen war. Sie will den verlogenen Familienlegenden die zerstörerische Kraft nehmen. Dazu gehört auch, dass sie wie ihr Onkel, der in seinem Film auch die Opfer des Vaters befragt, darauf hinweist, dass das Leid der Täterkinder keineswegs mit dem der Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachfahren vergleichbar ist.
Auch Erika Ludin war erst 14, als sie von der Exekution des heiß geliebten Vaters erfuhr. Mit dem Verlust habe sie alleine fertig werden müssen, die Mutter sei zu keiner emotionalen Zuwendung fähig gewesen, die Mitschüler im Internat hätten hinter ihrem Rücken getuschelt, die Lehrer geschwiegen. Fortan habe sie unter psychosomatischen Störungen gelitten, die von den Ärzten und in der Familie als Hormonstörungen abgetan worden seien. So im Stich gelassen, schreibt die Autorin, galt dem toten Vater all ihre Sehnsucht. Als man in Salem ihr Stipendium strich, musste sie das Internat verlassen und wurde zwecks Berufsausbildung von einem auch in der neuen Republik erfolgreichen SA-Kameraden des Vaters zum nächsten "Volksgenossen" gereicht. Auch wenn man Einiges über die Restauration in der frühen Bundesrepublik weiß, ist man erstaunt, wie gut und reibungslos die braunen Seilschaften funktionierten. Weniger überraschend ist, dass Erika in diesem Milieu nur Gutes über den Vater hörte.
Wie der Vater habe auch sie eine stattliche Reihe turbulenter Affären mit wechselnden Partnern gehabt, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Die einen hatten noch in der Wehrmacht gekämpft und standen für das Weltbild des Vaters, die anderen für Aufbruch und für radikalen Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. 1960 heiratete Erika Ludin den angehenden Juristen Heinrich Senfft, der als Anwalt der großen Hamburger Wochenzeitschriften bekannt werden sollte. Während ihre Schwestern, das dokumentiert Malte Ludin in seinem Film, Ehemänner fanden, die die Legende vom "guten Nazi" bereitwillig internalisierten und bis heute stützen, also sich in einem geschlossenen Wahnsystem bewegen können, habe Erika Senfft nun in Szenen verkehrt, die nicht mit der zugerichteten Wirklichkeit ihrer Herkunftsfamilie kompatibel gewesen seien. Sie habe die Auseinandersetzung mit der Mutter gesucht und ihr vorgeworfen, sie verstecke sich "feige vor der Wirklichkeit". Aber auch Erika selbst, so die Autorin, sei zum Bruch mit dem toten Nazivater nicht fähig gewesen und habe sich dafür mit einem wachsenden Hang zur Selbstzerstörung bestraft. Niemand half ihr da heraus, nicht die Mutter, die am Heldenbild des Vaters keinen Kratzer zuließ, nicht der Ehemann, der keine Antenne für die Nöte seiner Frau hatte, nicht die vielen Freunde, die lieber über den Nationalsozialismus im Allgemeinen diskutierten.
Auch wenn man Alexandra Senfft nicht bei der von ihr unterstellten Geradlinigkeit, Monokausalität und Zwangsläufigkeit dieser Tragödie folgt, ist ihr Bericht jenseits der völlig legitimen Selbsttherapie ein gewichtiger Beitrag zur Erforschung der Psychologie von Täterkindern. Man sollte sich den Film von Malte Ludin ansehen und das Buch von Alexandra Senfft lesen. Die beiden Dokumentationen ergänzen einander und gewähren bisher so nicht ermöglichte Einblicke in Familienhöllen, die während des Nationalsozialismus entstanden sind und bis heute ihre zerstörerische Kraft entfalten. Zu befürchten ist, dass mit den Ludins kein exotischer Einzelfall thematisiert wird, dass vielmehr die nachfaschistische Beschweigsamkeit in vielen Familien zum Entstehen kranker Legenden beigetragen hat, die bis heute ihre Opfer fordern.
Alexandra Senfft: Schweigen tut weh - Eine deutsche Familiengeschichte
Claassen Verlag, 2007
320 Seiten, 19,95 Euro und
Malte Ludin: 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß
DVD, absolut medien 2007, 85', 16,99 Euro
Eine Geschichte, die den Zuschauer mit dem alltäglichen Wahnsinn der Nachkommen eines deutschen Täters konfrontiert, mit ihren Lebenslügen, ihren mitunter ekelhaften Verdrehungen und verzweifelten Verdrängungen. In "Zwei oder drei Dinge, die ich von ihm weiß" hat Malte Ludin die nationalsozialistische Karriere seines Vaters nahezu lückenlos dokumentiert. Der Film erzählt die Biografie eines leidenschaftlichen Nazis der ersten Stunde, der seine SA-Truppen auf Führer und "Deutschland, Deutschland über alles" einschwor, der den Vasallenstaat Slowakei auf Linie hielt und für die Ermordung der slowakischen Juden Verantwortung trug. Beim Sichten der umfangreichen Akten, sagt der Filmemacher, habe er gehofft, auf irgendeinen Hinweis zu stoßen, der den Vater entlasten könnte, auf einen Widerspruch, einen Einspruch oder doch zumindest auf ein Zögern. Nichts dergleichen hat er gefunden.
Dennoch steht er mit seiner Beurteilung des Vaters im Kreise seiner Geschwister alleine da. Der ältere Bruder und Erika, die Erstgeborene, sind bei Beginn der Dreharbeiten bereits tot, die drei noch lebenden Schwestern verteidigen den Vater ohne Vorbehalt. Ein Idealist sei er gewesen, ein romantischer Patriot. Den Enkeln haben sie gar zu suggerieren versucht, der Opa sei ein Widerstandskämpfer gewesen. Die Grundlagen für diese Realitätsverweigerung hat Ludins Witwe Erla geschaffen. Nur ihrer ältesten Tochter Erika erzählte sie 1947 von der Exekution des Vaters, den jüngeren teilte sie mit, er sei gefallen. Jedem Versuch einer kritischen Auseinandersetzung schob sie einen Riegel vor.
"Unsere Mutter war das Zentrum. Solange sie lebte, hätte ich mich an diesen Film nicht gewagt."
Als die Mutter 1997 starb, machten sich die Töchter zu Hüterinnen der Familienlegende. Sie scheinen wirklich zu glauben, dass es so etwas wie einen "guten Nazi" hat geben können und dass ihr Vater diesen Typus repräsentierte. Er habe zwar die Deportationsbefehle für die in der Slowakei ermordeten Juden unterschrieben, aber, da sind sich die drei Schwestern einig, und so hat es die Mutter gepredigt, er habe nicht einmal ahnen können, welches Schicksal auf die Deportierten wartete:
"Aber jemand, der auch schreibt an unsere Mutter, 1945, die Kinder können stolz sein auf ihren Vater. Das sagt doch nicht jemand, der wusste, die Juden werden umgebracht, der bewusst Menschen in den Tod schickt. Das kann nicht sein, so schizophren kann nicht mal der übelste Verbrecher sein. Das kann ich einfach nicht glauben."
Bei den Ludins beruft man sich auf bildungsbürgerliche Traditionen, gibt sich liberal, engagiert sich für die Umwelt und gegen die Armut. Wenn es allerdings um den Vater geht, wird der Verstand ausgeschaltet, dann zerbricht die nicht sehr stabile Fassade.
Barbel: "Es waren übrigens auch viele Juden bei den Partisanen und es gab eigene jüdische Partisanengruppen, weil die Polen gerne unter sich waren und es gab dann eigene jüdische Partisanengruppen."
Malte Ludin: "Das hatte mit den Partisanen gar nichts zu tun, sondern sie haben gesagt - klipp und klar - in so genannten Arbeitslagern werden die Juden nicht für Arbeit verwendet, sondern sie werden umgebracht."
Barbel: "Nein, das musst du mir erst zeigen."
Malte Ludin: "Sie wurden massenhaft getötet."
Barbel: "Massenhaft getötet, das stimmt ja auch. Bei Partisanenerschießungen wurden die Juden gleich mit eingesammelt."
Malte Ludin: "Du meinst, sie sind zu Recht erschossen worden?"
Barbel: "Nein, das nicht, aber das ist eben Krieg, Maltechen, da wird eben geschossen. Du spielst dich hier auf als Rächer der Entrechteten."
"[Mein Großvater] war ein Schreibtischtäter und trug in der Slowakei die politisch-diplomatische Verantwortung für den Tod von nahezu 70.000 Juden. [...] Diese Schuld ist in meiner Familie nie ohne Wenn und Aber anerkannt worden, vielmehr hat man sie bestritten und bestreitet sie noch heute. Mein Großvater hat indirekt auch meine Mutter auf dem Gewissen, denn sie hat seine Schuld unbewusst übernommen, ja fast internalisiert und damit nicht leben können. [...] Fehler hat ebenfalls meine Großmutter gemacht, denn sie hat nicht nur Zeit ihres Lebens ihrem Mann in allem, was er tat, unterstützt und bestärkt, sondern sogar ihre älteste Tochter einem Mythos geopfert, dem Mythos des schuldfreien, wahrhaftigen und stets anständigen Ehemanns."
Diese klaren Worte findet Alexandra Senfft, die Tochter von Ludins Erstgeborener Erika, in ihrem Buch "Schweigen tut weh." Die Autorin war 14, als der lange Alkoholexzess ihrer Mutter begann, der 23 Jahre später tödlich endete. Im April 1998 stolperte die 64-jährige Erika Ludin in ihre mit heißem Wasser gefüllte Badewanne und starb qualvoll an den Verbrennungen. Alexandra Senfft erzählt die Lebensgeschichte ihres Großvaters ausführlicher als der Film das kann. Vor allem aber rekonstruiert sie die Leidensgeschichte ihrer Mutter, deren Ausgangspunkt das in der Bundesrepublik übliche Verschweigen und Verdrängen war. Sie will den verlogenen Familienlegenden die zerstörerische Kraft nehmen. Dazu gehört auch, dass sie wie ihr Onkel, der in seinem Film auch die Opfer des Vaters befragt, darauf hinweist, dass das Leid der Täterkinder keineswegs mit dem der Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachfahren vergleichbar ist.
Auch Erika Ludin war erst 14, als sie von der Exekution des heiß geliebten Vaters erfuhr. Mit dem Verlust habe sie alleine fertig werden müssen, die Mutter sei zu keiner emotionalen Zuwendung fähig gewesen, die Mitschüler im Internat hätten hinter ihrem Rücken getuschelt, die Lehrer geschwiegen. Fortan habe sie unter psychosomatischen Störungen gelitten, die von den Ärzten und in der Familie als Hormonstörungen abgetan worden seien. So im Stich gelassen, schreibt die Autorin, galt dem toten Vater all ihre Sehnsucht. Als man in Salem ihr Stipendium strich, musste sie das Internat verlassen und wurde zwecks Berufsausbildung von einem auch in der neuen Republik erfolgreichen SA-Kameraden des Vaters zum nächsten "Volksgenossen" gereicht. Auch wenn man Einiges über die Restauration in der frühen Bundesrepublik weiß, ist man erstaunt, wie gut und reibungslos die braunen Seilschaften funktionierten. Weniger überraschend ist, dass Erika in diesem Milieu nur Gutes über den Vater hörte.
Wie der Vater habe auch sie eine stattliche Reihe turbulenter Affären mit wechselnden Partnern gehabt, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Die einen hatten noch in der Wehrmacht gekämpft und standen für das Weltbild des Vaters, die anderen für Aufbruch und für radikalen Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. 1960 heiratete Erika Ludin den angehenden Juristen Heinrich Senfft, der als Anwalt der großen Hamburger Wochenzeitschriften bekannt werden sollte. Während ihre Schwestern, das dokumentiert Malte Ludin in seinem Film, Ehemänner fanden, die die Legende vom "guten Nazi" bereitwillig internalisierten und bis heute stützen, also sich in einem geschlossenen Wahnsystem bewegen können, habe Erika Senfft nun in Szenen verkehrt, die nicht mit der zugerichteten Wirklichkeit ihrer Herkunftsfamilie kompatibel gewesen seien. Sie habe die Auseinandersetzung mit der Mutter gesucht und ihr vorgeworfen, sie verstecke sich "feige vor der Wirklichkeit". Aber auch Erika selbst, so die Autorin, sei zum Bruch mit dem toten Nazivater nicht fähig gewesen und habe sich dafür mit einem wachsenden Hang zur Selbstzerstörung bestraft. Niemand half ihr da heraus, nicht die Mutter, die am Heldenbild des Vaters keinen Kratzer zuließ, nicht der Ehemann, der keine Antenne für die Nöte seiner Frau hatte, nicht die vielen Freunde, die lieber über den Nationalsozialismus im Allgemeinen diskutierten.
Auch wenn man Alexandra Senfft nicht bei der von ihr unterstellten Geradlinigkeit, Monokausalität und Zwangsläufigkeit dieser Tragödie folgt, ist ihr Bericht jenseits der völlig legitimen Selbsttherapie ein gewichtiger Beitrag zur Erforschung der Psychologie von Täterkindern. Man sollte sich den Film von Malte Ludin ansehen und das Buch von Alexandra Senfft lesen. Die beiden Dokumentationen ergänzen einander und gewähren bisher so nicht ermöglichte Einblicke in Familienhöllen, die während des Nationalsozialismus entstanden sind und bis heute ihre zerstörerische Kraft entfalten. Zu befürchten ist, dass mit den Ludins kein exotischer Einzelfall thematisiert wird, dass vielmehr die nachfaschistische Beschweigsamkeit in vielen Familien zum Entstehen kranker Legenden beigetragen hat, die bis heute ihre Opfer fordern.
Alexandra Senfft: Schweigen tut weh - Eine deutsche Familiengeschichte
Claassen Verlag, 2007
320 Seiten, 19,95 Euro und
Malte Ludin: 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß
DVD, absolut medien 2007, 85', 16,99 Euro