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Versicherungen fürchten die Klimaveränderung

Meteorologie.- Der Winter steht bevor und damit möglicherweise auch Wetterextreme wie Starkschnee und Stürme. Vor allem die Versicherungswirtschaft macht sich Sorgen.

Von Volker Mrasek |
    Schon einmal von einem Kumulschaden gehört? Mit zwei U? Nein? Nun ja, der Begriff ist auch eigentlich nur in Versicherungskreisen geläufig.

    "Kumulschäden, das heißt ein Ereignis trifft ganz viele Policen."

    Gregor Leckebusch ist Meteorologe an der Freien Universität Berlin. Er forscht über Extremwetterereignisse, die auch für Versicherungsunternehmen äußerst wichtig sind.

    Das Kumul steht übrigens für kumuliert, also für gehäuft.

    "Diese Kumulschäden sind deswegen relevant für Versicherer, weil die die Gefahr bergen, dass Versicherer pleite gehen können. Weil ganz viele Policen betroffen sind und sie auf einmal viel Geld ausschütten müssen."

    Winterstürme verursachen immer wieder solche gehäuften Schäden in Deutschland. Das war zum Beispiel so, als Kyrill im Januar 2007 über das Land fegte und Millionen Forstbäume wie Streichhölzer umknickte. Zwei bis vier dieser Orkane treten derzeit pro Jahrzehnt auf. Doch wie wird das in Zukunft sein, wenn sich das Klima weiter erwärmt?

    Das versuchen die Meteorologen der FU Berlin abzuschätzen, mithilfe von Klimamodellen und in Kooperation mit anderen Forschergruppen in Europa.

    "Also wie sich die Zyklonensysteme, die zu den Stürmen führen, entwickeln. Die Tiefdruckgebiete. Wie sie sich also von ihrer Häufigkeit und in ihrer Intensität zukünftig entwickeln."

    Markus Donat, auch er Meteorologe an der FU.

    Fast alle der Klimasimulationen, die die Forscher durchrechneten, stimmen darin überein: Wenn die Treibhausgas-Emissionen weiter zunehmen, gibt es auch mehr Wintersturm-Tage über dem Nordatlantik und der angrenzenden Nordsee. Ihre Zahl könnte im Laufe dieses Jahrhunderts um ein Drittel steigen. Gregor Leckebusch:

    "Es geht dahin, dass wir in einem Bereich von Irland über England, Nordfrankreich, Benelux, Norddeutschland, Nordpolen, Südskandinavien eine Häufung von starken Tiefdruckgebieten aus den Modellen heraus analysieren können, die wiederum dazu führen, dass in diesen Regionen höhere Windgeschwindigkeiten auftreten. Leicht erhöhte Windgeschwindigkeiten. Diese führen aber dazu, dass in diesen Regionen das Potenzial für höhere Sturmschäden größer ist als in anderen Regionen."

    Das ist zunächst einmal das grobe Bild für ganz Nordwesteuropa. Dass sich Orkane vom Atlantik häufen, erklären die Forscher mit Veränderungen im sensiblen Höhenbereich von fünf bis sieben Kilometern. Dort wächst nach den Modellen der Gegensatz zwischen kalter Luft aus Norden und warmer Luft aus Süden, was stärkere Tiefs begünstige.

    Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wollte es indes genauer wissen. In seinem Auftrag entwickelten die Berliner Meteorologen ein neues Schadenmodell speziell für Deutschland. Es wird mit den Sturmtrends aus den Klimasimulationen gefüttert und übersetzt sie quasi in Schadenspotenziale, differenziert nach verschiedenen Regionen. Das Modell berücksichtigt dabei nicht nur deren Bevölkerungs- und Gebäudedichte, sondern auch, wie sturmfest sie sind.

    "Die Hypothese ist: Schäden entstehen ab einem bestimmten Schwellenwert, der lokal unterschiedlich sein kann, sprich: Ein höherer Wind in Sylt führt nicht zu Schäden, wie er in Düsseldorf führen würde. Die Häuser werden stabiler gebaut, Dächer sind anders konstruiert. Diese Unterschiedlichkeit der Schadensschwellenwerte im Wind, die berücksichtigen wir. Und darüber kann man dann praktisch regional unterschiedich feststellen, wie intensiv ein System dort auftreten kann."

    Nach ersten Modellergebnissen werden Winterorkane gegen Ende des Jahrhunderts zwar nicht unbedingt häufiger, aber stärker sein als heute. Bemerkbar macht sich das vor allem im Norden und Westen Deutschlands. Dort könnten sich Sturmschäden im Vergleich zu heute verdoppeln, während sich im Süden und Osten so gut wie nichts ändert – dieses Bild entwirft jedenfalls das neue Modell der Berliner Meteorologen.

    Gregor Leckebusch betont aber ausdrücklich:

    "Das ist keinesfalls eine Vorhersage. Sondern es ist höchstens eine Abschätzung unter Was-wäre-wenn-Bedingungen."

    Wenn nämlich nicht viel beim Klimaschutz passiert und der Treibhausgas-Ausstoß noch länger hoch bleibt.

    "Wir sind gerade dabei, in diesem Projekt, was ja auch mit den Versicherern zusammen läuft, abzuschätzen, wie diese Ergebnisse zu bewerten sind. Und welche Handlungsoptionen daraus sich ableiten."

    Denkbar wäre im Prinzip, dass es in Zukunft regionale Risikoaufschläge für Versicherungen gegen Sturmschäden gibt. Oder dass die Bauvorschriften gebietsweise verschärft werden, damit Häuser besser vor stärkeren Orkanen geschützt sind. Doch das bleibt erst einmal abzuwarten.