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Versiegelt, verseucht, versteppt

Der Umgang mit der Ressource Boden ist mitunter fatal, täglich werden Böden versiegelt und verseucht. Inzwischen sei die Existenz von fast 1,5 Milliarden Menschen gefährdet, warnen die Initiatoren der Global Soil Week. Auf der Konferenz stellen Experten Konzepte zum Bodenschutz vor.

Jule Reimer im Gespräch mit Britta Fecke | 28.10.2013
    Jule Reimer: Boden erfüllt gleich lebenswichtige Funktionen, sagt der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer und heutige Leiter des Instituts für Nachhaltigkeitsstudien IASS in Potsdam:

    "Böden sind wichtig als Grundlage für unsere Nahrungsmittel, Böden sind wichtig für die Speicherung von Wasser, Böden sind ganz wichtig als Grundlage für die Artenvielfalt, Böden sind sehr wichtig für die Aufnahme von Klimagasen, insbesondere für die Aufnahme von Kohlendioxid."

    Reimer: Und diese Funktionen kann Boden nur erfüllen, wenn er möglichst intakt ist.

    Fecke: Wer ist denn verantwortlich für die Zerstörung von Boden?

    Reimer: Die Politik, die zulässt, dass z. B. in Deutschland heute noch 70 Hektar pro Tag für Siedlungs- und Straßenbau versiegelt werden. Weltweit heißt das: Wenn die Urbanisierung so schnell weitergeht wie derzeit, dann wird bis zum Jahr 2030 zusätzlich die Fläche Südafrikas zugebaut. Außerdem werden Böden u. a. durch rücksichtslosen Bergbau verseucht oder als Abfallkippe missbraucht. Oder durch Erosion. Die tritt immer auf, wenn Boden ungeschützt - aufgerissen durch Tagebergbau oder durchgepflügt und unbepflanzt dem Wetter ausgesetzt sind. Als Landesumweltminister von Rheinlandpfalz habe er, so Töpfer, zugesehen, wie Hecken und Baumgruppen entfernt wurden:

    "Wir haben lange Zeit in der Flurbereinigung die Flächen maschinengerecht gemacht und nachher gemerkt, das hat negative Konsequenzen für die Stabilität von Böden."

    Reimer: Denn diese aufgerissenen Böden wird dann durch Starkregen oder durch Wind viel schneller weggespült bzw. weggeweht.

    Fecke: Lässt sich die Bodenfruchtbarkeit durch menschliche Eingriffe "reparieren" ohne 500 Jahre zu warten?

    Reimer: Jein. Dünger, auch chemischer Dünger kann nützlich sein, sagt z. B. Lindiwe Sibanda vom panafrikanischen Netzwerk für Agrarforschung und Politikberatung FANRPAN, aber:

    "Sie müssen genau wissen, welche Sorte und wie viel Sie davon wann auf welchem Boden einsetzen können. Wenn Sie nicht genügend Informationen darüber haben, können Sie Schaden anrichten: Falsch angewendet kann chemischer Dünger den Klimawandel verschärfen."

    Reimer: Daneben gibt es klassische Methoden wie Mulchen oder veränderte Fruchtfolgen und Leguminosen – also z. B. Bohnen anbauen, die die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Aber: Die Bodenfruchtbarkeit ist nicht in einer Generation wieder zurückzugewinnen.

    Fecke: Welche Rolle spielt Boden im Klimaschutz?

    Reimer: Boden spielt eine zentrale Rolle als CO2-Speicher, denn er nimmt mehr CO2 auf als Bäume und Atmosphäre es zusammen können, sagt Alexander Müller, bis vor Kurzem stellvertretender Chef der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und jetzt als Bodenexperte beim IASS in Potsdam:

    "Wir haben derzeit durch das Verbrennen von fossiler Energie, aber auch durch die Urbarmachung von Mooren und durch die nichtnachhaltige Landwirtschaft gewaltige Emissionen, die den Klimawandel befördern. Die Menschheit wird, wenn sich der Klimawandel nicht verlangsamen lässt, nicht ernährt werden können. Wir wissen, dass ein Anstieg der Temperaturen von vier Grad plus in Afrika südlich der Sahara eigentlich nicht mehr gemanagt werden kann."

    Reimer: Also wäre zu berücksichtigen: Eine Kuhweide kann deutlich mehr CO2 speichern als ein zum Acker umgebrochenes Stück Land. Da spielt dann auch die Forderung nach weniger Fleischkonsum eine Rolle.

    Fecke: Gabriel, Röttgen, Altmaier: egal ob SPD oder CDU: Die letzten Umweltminister haben sich vehement gegen eine europäische Bodenrahmenrichtlinie gewehrt, sodass die EU-Kommission diese jetzt zurückziehen will. Ist das Thema auf der Tagung?

    Reimer: Ja, und diese Entwicklung wird stark bedauert bis kritisiert und nicht verstanden. So sagte ein EU-Vertreter mir gestern, dass sich EU-Staaten ohne eine solche Rahmenrichtlinie durch einen nachlässigen Umgang mit Bodenverseuchung oder Erosion einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen verschaffen könnten. Deutschland gehörte bislang zu den Gegnern – mal abwarten, welche Position eine neue Bundesregierung einnimmt.

    Ziel der Global Soil Week ist jedenfalls, dass in Städte nicht nur begrünt, sondern dass dort gezielt Flächen entsiegelt werden und dass viel weniger Boden insgesamt durch menschliche Aktivitäten zerstört wird. Außerdem wollen die Initiatoren für die Folgen des Landgrabbing sensibilisieren und den Schutz des Bodens ebenso wie die Bekämpfung des Hungers und des Klimawandels zu einem politischen Ziel machen – und zwar als eines der künftigen Sustainable Development Goals (SDG), die auf Weltebene ab 2015 die Millennium-Entwicklungsziele (MDG) ergänzen sollen.