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Versöhnliches Symbol

Zwischen Schweden und Norwegen rollt seit heute der Verkehr über das Nadelöhr der wichtigen Europastraße 6 reibungsloser. Eine zusätzliche Brücke über die Grenzschlucht Svinesund öffnet genau 100 Jahre nach der Trennung der Norweger vom schwedischen Nachbarn. Marc-Christoph Wagner berichtet.

    Ein Einkaufszentrum im schwedischen Nordby nur wenige hundert Meter von der schwedisch-norwegischen Grenzen entfernt. Auf dem Parkplatz stehen fast ausschließlich Wagen mit norwegischen Kennzeichen. Im Supermarkt schieben Kunden aller Altersgruppen große Einkaufswagen vor sich her:

    "Ich kaufe für uns beide ein – gewöhnliche Dinge für den Haushalt: Hünchenfilets, Speck, gepökeltes Fleisch, ein bisschen Käse. Es ist günstiger. Wir machen hier einen Großeinkauf, füllen unsere Tiefkühltruhe auf. Und natürlich fahren wir auch noch in das Systembolaget nach Strömstad – um Wein zu kaufen und Cognac!"

    Doch nicht an allen Tagen ist der Verkehr so fließend wie heute – und das Einkaufen auf der anderen Seite der Grenze ein gemütlicher Ausflug. Seit langem nämlich ist die alte, zweispurige Brücke über den Svinesund völlig überlastet. Als diese in den vierziger Jahren gebaut wurde, passierten jährlich 6000 Autos die Grenze. Heute sind es 15.000 am Tag! Regelmäßig staut sich der Verkehr kilometerlang in das Landesinnere hinein, berichtet Cecilie Eide Ulseth, Projektleiterin des norwegischen Straßenbauamtes:
    "Es gibt Tage, an denen die Straße komplett von Lastern blockiert wird, die hier an der Grenze ihre Waren verzollen müssen. Und bei nur zwei Spuren haben dann auch die PKW-Fahrer keine Chance, aus dem Stau herauszukommen."

    Zwar ist Schweden Norwegens mit Abstand größter Handelspartner, und gerade in der Grenzregion fahren viele Bewohner zum Einkauf auf die schwedische Seite – allein rund um den Svinesund liegt der Wert des Grenzhandels bei 435 Millionen Euro im Jahr. Dieser alleine aber erklärt nicht die langen Staus:

    "Das ist die E6 – und das ist die wichtigste Straße aus und nach Norwegen. 35 Prozent aller Ein- und Ausfuhren werden über sie transportiert, und die Anzahl der Laster nimmt immer weiter zu. Die E6 ist Norwegens mit Abstand wichtigste Anbindung an Europa."

    Arne Øren, Vorsitzender der südostnorwegischen Grenzregion Østfold, freut sich über die Fertigstellung der Brücke. Handel und zwischenmenschliche Kontakte hätten an der schwedisch-norwegischen Grenze eine lange Tradition, sagt er. Auch heute sei dies nicht anders, obwohl Schweden Mitglied der Europäischen Union sei, Norwegen aber nicht. Beim Bau der Brücke allerdings, erzählt Øren, habe dieser kleine Unterschied zu manch kurioser Situation geführt:

    "Beispielsweise hat man Beton über die alte Brücke gefahren und dann feststellen müssen, dass dieser laut schwedischem Standard so und so viel Wasser enthalten darf, nach norwegischem Standard aber nur so viel – dieser also die norwegischen Vorschriften nicht erfüllte. Während die Zusammenarbeit vor Ort reibungslos funktionierte, sind wir immer wieder auf derlei Herausforderungen gestoßen, die mit den unterschiedlichen Regeln und Vorschriften beider Länder zu tun hatten."

    Eine Herausforderung war die neue Svinesund-Brücke auch für Bauleiter Armin Lutz von Bilfinger Berger. Das deutsche Unternehmen hatte den Zuschlag für den Brückenbau erhalten:

    "Es war sicherlich ein sehr schwieriges Projekt, mit mehreren großen Herausforderungen. Im besonderen der Stahlbetonbogen, der sehr schlank in einer ständig wechselnden Form sich nach oben hin verjüngt. Die geologischen Voraussetzungen waren sicherlich nicht einfach, zum Beispiel eine Stütze steht auf einem hohen Berg, der mehr oder weniger nicht zu erreichen ist durch Fahrzeuge oder so – da musste alles mit einem Kran hochgehoben werden. Und auch vom Wetter natürlich, wie man heute sieht: es ist doch oft windig und regnerisch und dann war es doch teilweise schon unangenehm."

    Doch jetzt steht die Brücke – und der Verkehr kann, nach der heutigen Eröffnung durch das norwegische und schwedische Königspaar, nun wieder rollen. Ein Jubiläumsgeschenk der besonderen Art. 100 Jahre nach der Auflösung der Union zwischen Norwegen und Schweden entstehen zwischen beiden Ländern neue Brücken.