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Versöhnung über Gräbern ungewiss

Der Bau des Toleranzmuseums in Jerusalem auf dem Mamilla Friedhof ist umstritten. Palästinenser kritisieren die Zerstörung des Friedhofs, der bis in das vergangene Jahrhundert die größte muslimische Grabstätte in Jerusalem war.

Von Fredy Gareis |
    Die Pumpe läuft heute schon seit ein paar Stunden und saugt das Gelände für das geplante Toleranzmuseum in Jerusalem nach und nach trocken. Doch wenn es nach Said Khalidi ginge, dann würde er die Bauarbeiten sofort unterbinden.

    Der junge Mann, der trotz 36 Grad ein schwarzes Sakko trägt, läuft nachdenklich über den Mamilla Friedhof im Jerusalemer Stadtzentrum. Said ist einer der Unterzeichner einer Petition gegen das Toleranzmuseum, zumindest gegen den Bau an dieser Stelle.

    "Meine Angehörigen wurden hier seit tausend Jahren begraben. Natürlich bedeutet mir der Ort etwas. Aber er ist mir nicht nur persönlich wichtig, ich denke, es ist ein Gesamterbe, dass erhalten werden sollte. Schließlich liegen hier Menschen aus der ganzen Welt."

    Noch bevor das Museum überhaupt gebaut ist, hat sich daran schon ein ernster Streit entzündet. Im Jahr 2004 war bereits die Grundsteinlegung des Museums, dessen Bauherr das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles ist, benannt nach dem berühmten Nazi-Jäger. Gebaut werden sollte nach einem 250 Millionen Dollar teuren Entwurf des Star-Architekten Frank Gehry. Doch dann kam alles etwas anders.

    Denn bis in die 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war der Mamilla Friedhof die größte muslimische Grabstätte in Jerusalem - heute gehört das Areal zum jüdischen Westteil der Stadt und der Bau des Toleranzmuseums veranlasste eine Gruppe von Palästinensern, vor den Obersten Gerichtshof zu ziehen.

    Der Rechtsstreit dauerte drei Jahre, dann entschied der Gerichtshof zu Gunsten des Bauherren, mit der Begründung, dass die Palästinenser bereits 1946 ebenfalls einen säkularen Bau auf dem Gelände planten. Außerdem habe niemand in den letzten Jahren gegen den Parkplatz protestiert, der schließlich einen Teil des Friedhofs einnahm.

    Und dann, mitten hinein in die Planung des Star-Architekten, explodierte 2009 die Finanzkrise. Plötzlich war der Entwurf nicht mehr tragbar. Bracha Chyutin, eine Israelin, ist die neue Architektin. Sie sagt, dass der Entwurf ihres Büros die Kosten halbiere.

    "Die Umgebung des Baus spiegelt die Bandbreite der Jerusalemer Architektur vom 19. bis zum 21. Jahrhundert wieder, und jede Periode trägt mit ihrem Stil zum Gesamtbild bei. Was wir versuchen, ist einen bescheidenen Bau zu gestalten, der aber auch ein urbaner Ort ist, der in das wiederbelebte Stadtzentrum passt."

    Die Kontroverse um den Bauort, interessiert sie allerdings nicht. Um die Meinung des Simon-Wiesenthals-Zentrums zu erfahren, muss man im fernen Los Angeles anrufen. Rabbi Marvin Hier ist der Gründer und Leiter des Zentrums in den USA und erklärt die Idee hinter dem Museum.

    "Die Toleranzmuseen in den USA sind ein großartiger Erfolg und dieses Konzept wollen wir nun auch nach Jerusalem bringen. Es wird ein Museum über das Gestern und Heute, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angeht, dass soziale Verantwortung und gegenseitigen Respekt vermitteln soll."

    Während Rabbi Hier gerne das Konzept des Museums erklärt, wird er schnell ungeduldig, wenn die Sprache auf die Gegner kommt. Der Rechtsweg ist nun zwar ausgeschöpft, doch die Palästinenser haben eine Petition an die UN gerichtet.

    "Die Frage ist doch, warum gehen die zur UN? Gibt es in Israel keine Gerichte und Richter? Die Antwort ist, dass sie ihre Möglichkeiten erschöpft haben. Das ist doch alles nur ein Versuch, Land von uns abzugreifen, und zwar durch die Ideologen der islamischen Bewegung."

    In letzter Zeit nehmen der Streit und die einhergehenden Vorwürfe immer groteskere Züge an. Die Palästinenser beschuldigen die Israelis, 500 Gräber einfach entfernt zu haben. Die Israelis beschuldigen die Palästinenser, diese Gräber erfunden zu haben, um ihre Forderungen durchzusetzen.

    Es ist in jedem Fall ein schwieriger Start für das Toleranzmuseum. In fünf Jahren soll es fertig sein, doch bis dahin ist noch genügend Zeit für neue Auseinandersetzungen.

    Said Khalidi muss für den Moment machtlos zuschauen, wie die Bagger immer weiter fortschreiten.

    "Ich bin traurig und auch ein wenig verstört. Die Toleranzmuseen in LA oder New York sind sicherlich nicht auf einem Friedhof gebaut. Gerade in Jerusalem sollte man doch nicht einen Friedhof wählen, um Toleranz zu propagieren. Rabbi Hier ist doch ein religiöser Mann; er sollte wissen, dass Respekt für die Toten wichtig für jeden Glauben ist, sei es für die Christen, Juden oder die Moslems."