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Verspätete Effizienz?

Der schwarzgelbe Beschluss, die Öffentlichkeit künftig von den Sitzungen des Sportausschusses auszusperren, sorgt weiter für Debatten, auch im Bundestag. Die Koalition störte sich an Medienberichten über unaufmerksame und uninformierte Abgeordnete und will nun angeblich effizienter arbeiten.

Von Grit Hartmann | 05.11.2011
    Bisweilen geht es kuschlig zu im Sportausschuss. So sollte es auch bei der nächsten Sitzung am Mittwoch sein, der 40. dieser Legislaturperiode. Nach der internen Planung, die dem Deutschlandfunk vorliegt, steht zum Auftakt Gemeinschaftsstiftendes an. Die Verleihung der Sportabzeichen an Abgeordnete und Mitarbeiter. Martin Gerster, sportpolitischer Sprecher der SPD:

    "Ich glaub´, allein schon dieses Beispiel zeigt eigentlich, wie lächerlich die ganze Sache ist, denn wir haben in der Obleute-Runde ja erst vor ein paar Monaten gesagt: Mensch, das wär doch toll, wenn man diejenigen in aller Öffentlichkeit auszeichnen würde, die das Sportabzeichen tatsächlich erhalten. Und jetzt findet das im abgeschlossenen Raum statt."

    Anschließend lässt man sich unterrichten, wie so oft, denn die parlamentarischen Sportfreunde haben eher wenig zu entscheiden. Es geht um die im Juli gescheiterte Münchner Olympiabewerbung oder um das Arbeitsprogramm des Deutschen Olympischen Sportbundes bis 2014, das auch schon seit April vorliegt. Allerdings beehrt ein seltener Gast den Ausschuss: Thomas Bach. Der DOSB-Präsident war schon oft geladen, schickte jedoch meist seinen Generaldirektor Michael Vesper. Eine Fragestunde, die Öffentlichkeit braucht, meint Gerster. Er nennt das Vorgehen der Koalition noch immer skandalös:

    "Ein Skandal, weil nahezu jedes Gremium, das sich mit Sportpolitik und Verteilung der Gelder und vielem mehr beschäftigt, diese Gremien alle in der Regel nicht öffentlich tagen. Und wir vonseiten des Deutschen Bundestages ein Gegengewicht schaffen wollten und in öffentlicher Sitzung eben transparent über Sportpolitik diskutieren und debattieren wollten. Und dies wird jetzt zerschlagen. An dieser Stelle muss man ganz klar sagen, dass der Beschluss, mehrheitlich jetzt eben von Schwarzgelb durchgedrückt, wieder in die Nichtöffentlichkeit zu gehen, letztendlich ´ne Selbstbeschneidung bedeutet. Und eigentlich uns Möglichkeiten nimmt, tatsächlich Sportpolitik transparent zu machen."

    Welche Daseinsberechtigung bleibt dem Ausschuss ohne Öffentlichkeit? Wo soll es, wie Klaus Riegert, CDU, und Joachim Günther, FDP, behaupten, künftig effizienter zugehen? Die nächsten Sitzungen geben keinen Aufschluss. Man hört Sachverständige zum Forschungsprojekt "Doping in Deutschland 1959-1989" und, zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit, zur Sportberichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender. Außerdem geht es um das Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Dessen dubiose Auftragsvergaben wurden vor einem reichlichen Jahr im Haushaltsausschuss debattiert. Die Sportparlamentarier verschliefen das Thema. Verspätete Effizienz nun also?

    "In der Argumentation im Sportausschuss selber, Begründung für die Nichtöffentlichkeit und diesen Geschäftsordnungsantrag hat es zunächst mal überhaupt gar keine Rolle gespielt. Insofern ist das jetzt nachgeschoben und soll in den Vordergrund gerückt werden, weil man natürlich schon gemerkt hat, na ja, welchen Gegenwind man jetzt natürlich bekommt. Anstatt den Fehler bei sich selbst zu suchen, hat man gesagt: So, knallhart, jetzt schmeißen wir die raus, jetzt machen wir die Türen zu, damit ja keiner mehr schreiben kann, wie schlecht wir hier aufgestellt sind."

    Nur in der letzten Sitzung des Jahres steht Brisantes auf der Agenda. Die Antidoping-Berichte für 2010 werden präsentiert, die Selbstauskünfte der Verbände zur Einhaltung des Nada-Codes. Fördergelder können zurückgefordert werden bei Verstößen. Die gab’s auch im Vorjahr reichlich, zahlen musste indes nur ein Verband. Die Opposition fragte zwar bei BMI und Nada zaghaft nach, gab sich aber zufrieden damit, dass detaillierte Prüfergebnisse nicht vorgelegt wurden. Von der Koalition kam nur eine Wortmeldung: Klaus Riegert dankte dem Sport "herzlich" für "gute Arbeit" im Antidopingkampf.

    "Na ja: Was will man denn verstecken? Ist es, dass man sich geärgert hat über die Kritik aus der Opposition über Kürzungen bei der Bekämpfung von Doping? Was ist denn eigentlich der Grund, weshalb man wirklich in Nichtöffentlichkeit tagen möchte? Ich kann das noch immer nicht so richtig nachvollziehen. Und wenn ich mir die Tagesordnungen auch anschaue, der nächsten Sitzungen, dann muss ich sagen: Also irgendwie ist das höchst sonderbar."

    Tatsächlich bot auch die Vorstellung der Opposition eher selten Anlass zum Zittern für Union und FDP. Gerster, im Ehrenamt Präsident der Akrobaten, kündigte zwar eine Gesetzesinitiative an, die den Besitz von Dopingmitteln für Athleten unter Strafe stellen soll. Ausschusschefin Dagmar Freitag, ebenfalls SPD und Vizepräsidentin des Leichtathletikverbandes, schwächte wenig später wieder ab: Die Mehrheiten würden den Erfolg verhindern. Gerster sagt nun:

    "Es ist ja kein Geheimnis, dass das Thema Dopingbekämpfung bei uns noch alles andere als optimal gelöst ist. Wir haben große Defizite, wir glauben, dass wir da einiges verändern müssen. Ich will da nur mal das Stichwort nennen: Gesetzgebung muss verändert werden. Wir werden natürlich einen Vorstoß unternehmen, unabhängig jetzt von den Mehrheitsverhältnissen. Denn was notwendig ist und was richtig ist, das sollte man hier auch vortragen und entsprechend beantragen und sich nicht davon abschrecken lassen, dass die Mehrheitsverhältnisse eben im Moment nicht so sind, wie man sich’s gerne vorstellt."

    Gut möglich also, dass der schwarzgelbe Affront parlamentarischer Arbeit dienlich sein wird. Nur anders als von der Koalition geplant.