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Versprechen für ein besseres Leben

Dieter Pfaff war der Kommissar "Sperling" im ZDF. Er gibt in als ARD-Psychologen "Bloch" und in seiner etwas leichteren Anwaltsserie "Der Dicke". Sein Vater war streng, von Beruf Polizist, und das Geld daheim immer knapp. Auch sein "Klassiker" hat mit existenziellen Nöten eines einfachen Mannes und seiner Familie zu tun.

Von Eric Leimann |
    Mein Name ist Dieter Pfaff, ich bin Schauspieler und mein Klassiker ist der Film von Vittorio de Sica "Fahrraddiebe".

    "Guten Tag, mein Name ist Ricci, Antonio Ricci. Ich komme vom Arbeitsamt in Palmeleina. Hier ist meine Überweisung."
    - Chef: "Sie fangen morgen früh an."

    Den habe ich mit vier oder fünf gesehen – in den fünfziger Jahren – und der Film ist die Geschichte von einem Vater und seinem Sohn und der Vater ist Plakatkleber. Und um diesen Beruf auszuüben, braucht er ein Fahrrad. Und der Film fängt damit an, dass er endlich dieses neue wunderbare Fahrrad hat. Und er geht mit seinem Sohn, schiebt das Fahrrad und ist bannig stolz und der Sohn ist auch stolz, weil es ist das Versprechen für ein besseres Leben.

    "- Maria, Antonios Frau: "Na, wie ist es?"
    - Antonio: "Du hast so lange warten müssen! Sei mir nicht böse, ich fange morgen früh schon an."
    - Maria: "Und was ist da drin?"
    - Antonio: "Arbeit für dich. Du kannst mir die Mütze enger machen, sie ist zu weit.""

    Dieses Fahrrad wird ihm geklaut.

    "- Antonio: "Haltet ihn, haltet den Dieb!"
    - Passant: "Was haben Sie denn? Ist was passiert?"
    - Bruno, Antonios Sohn: "Papi, es ist schon halb acht!"
    - Antonio: "Kann vorkommen, gehen wir."
    - Bruno: "Und das Fahrrad? Kaputt gegangen?
    - Antonio: "Ja, es ist kaputt gegangen.""

    Und dann machen sich Vater und Sohn auf die Suche nach diesem Fahrrad. Und geraten in die Situation, dass sie versuchen, selber ein Fahrrad zu klauen, was nicht funktioniert.

    "- Passant 1: "Schämst du dich eigentlich nicht vor deinem Jungen? Dem könnst du auch was Besseres beibringen.
    - "Passant 2: "So kommst du nicht weiter. Ich würde es an deiner Stelle mal mit Arbeit versuchen."
    - Passant 1: "Na los, geh nach Hause und lass dich bloß nicht noch mal erwischen, du. Der verdient es gar nicht.""

    Ja, ich habe sehr stark in Erinnerung dieses Verhältnis von Vater und Sohn und wie der Sohn dem Vater versucht, zu helfen. Und das war natürlich etwas, wo man mich als Kind gut abholen konnte. Der Film rührt einen zu Tränen, wenn man das sieht. Und das war auch so. Das war ein ganz, ganz intensives Erlebnis. Und das ist hängen geblieben. Hat sich regelrecht rein gebrannt, auch, weil wir haben in dieser Zeit ganz sicher nicht in Reichtum gelebt. Und insofern war auch das etwas, wo ich mich verstanden fühlte. Und auch fast unsere Situation beschrieben fühlte.

    " - Antonio: "Also, das heißt 600 Lire pro Tag. Mehr kann man nicht verlangen. Und auf die Stellung soll ich womöglich verzichten? Und deshalb muss ich mein Rad wieder finden. Wir haben sonst alle nichts mehr zu essen. Also was machen wir?"
    - Bruno: "Wir gehen jeden Tag zur Porta Portise und sehen nach. Dann müssen wir die doch finden, die das Rad haben."
    - Antonio: "Das hat keinen Zweck. Die kommen jetzt nicht mehr dorthin. Vielleicht geschieht plötzlich ein Wunder, aber ich glaube nicht daran.""

    Was faszinierend ist, ist einmal die Vater-Sohn-Geschichte, aber eben auch die Beschreibung in diesem Film – und das war ja bei diesem sozialen Realismus in den 50-er Jahren beim italienischen Film – dass man versucht hat, Lebensweisen zu beschreiben, die ja durchaus unterschiedlich sind, auch heute noch. Und als ich angefangen habe, den Sperling zu entwickeln, habe ich meinen Gesprächspartnern immer gesagt: Eigentlich reicht ein Fahrraddiebstahl, um eine tolle Geschichte zu erzählen. Und habe aber in dem Moment gar nicht daran gedacht, woher das kam, dass ich das gesagt habe. Und es war dieser Film. Das ist mir im Nachhinein bewusst geworden.

    Fahrraddiebe - das war so eine Aufführung auf der Leinwand im Freien in der Kirche, daran erinnere ich mich noch. Ob das mein Vater und meine Mutter dabei waren, das weiß ich gar nicht mehr. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mit meinen Eltern darüber geredet habe. Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, die haben genauso für ihr kleines Glück gekämpft, wie das der Vater und der Sohn in dem Film gemacht haben. Und das war weiß Gott nicht einfach. Aber sie haben alles getan, dass ihre beiden Kinder Abitur machen konnten und dafür bin ich ihnen sehr dankbar.