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Versprechungen nicht eingehalten

Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen ermöglichen Ackerbau mit weniger Pflanzenschutzmitteln und das zahlt sich aus, verspricht jedenfalls der US-Agrarkonzern Monsanto. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND kommt zu anderen Ergebnissen: Er wirft der Gentechnikindustrie vor, ihre Versprechen nicht einzuhalten.

Von Dieter Nürnberger | 17.12.2008
    Man muss zu dieser Studie eines vorab anmerken: Diese Untersuchung im Auftrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland will ganz bewusst ein Realitäts-Check sein. Das heißt, es wurde untersucht, welche Pflanzen denn tatsächlich von der Gentechnik-Industrie auf den Markt gebracht werden. Und als Basis dienten Investoren- und Forschungsberichte der Unternehmen und auch die Freisetzungsdatenbanken in vielen Ländern. Als erstes Ergebnis sieht der BUND eigentlich wenig Neues - in einem ernstzunehmenden Stadium der Entwicklung seien vor allem gentechnisch veränderte Pflanzen mit den Eigenschaften der Herbizid- und Insektizidresistenz. Heike Moldenhauer ist die Gentechnik-Expertin des BUND:

    "Insekten- und Herbizidresistenz sind recht einfache Eigenschaften. Das beherrschen diese Firmen. Aber komplizierte Eigenschaften wie Trockentoleranz beherrschen sie nicht. Da sind sehr viele Gene mit im Spiel. Und dann ist da noch die Frage, wenn sie trockentolerante Pflanzen entwickeln, ob dann nicht auf der anderen Seite Nebenwirkungen auftreten? Dass diese Pflanzen vielleicht auch krankheitsanfälliger sind."

    Ein Ergebnis der Studie ist, dass beispielsweise sogenannte Wunderpflanzen zur Bekämpfung des Hungerproblems in der Welt in absehbarer Zeit wohl nicht zur Marktreife gelangen würden, weil sich die Sache eben doch komplizierter darstelle. Es gebe stets Wechselwirkungen - und eine Erkenntnis sei, dass die Erfahrungen in einigen Ländern der Welt doch eine andere Sprache sprechen. Hubert Weiger, der Bundesvorsitzende der Umweltorganisation:

    "Es gibt Erkenntnisse, dass in den USA und auch beispielsweise in Argentinien durch die Ausbringung von genmanipulierten Pflanzen die Ausbringung von Pestiziden, von Unkrautvernichtungsmitteln, auch ansteigt. Es haben sich mehr Pflanzen herausgebildet, die resistent sind gegenüber verschiedensten Herbiziden. Von daher muss mehr gespritzt werden als vor der Genmanipulation. Die Umweltbelastungen sind also nicht geringer, sondern größer. "

    Vieles, was da von der Gentechnik-Industrie versprochen werde, sei bislang überhaupt nicht haltbar. Als Beispiel nennt Heike Moldenhauer gentechnisch veränderte Reissorten in Asien. Reis soll hier mit Vitamin A angereichert werden. Es fehlten bislang aber konkrete Risikoabschätzungen:

    "Da fehlt es bislang an Studien. Gibt es etwa schädliche Nebenwirkungen beim Tierversuch oder auch beim Menschen? Das Entscheidende an dieser Pflanze ist, dass sie direkt in die menschliche Ernährung gehen soll. Die anderen manipulierten Pflanzen, die bereits auf dem Markt sind, landen ja eher in der Tierernährung. Ungeklärt ist zudem, ob diese unterernährten Menschen, die den Reis einmal aufnehmen sollen, tatsächlich Vitamin A aufnehmen können. Dazu brauchen die Menschen nämlich auch noch Fette. Und bei mangelernährten Menschen ist dies eine wichtige Frage, ob sie auch Fette zugeführt bekommen. "

    Der Hauptvorwurf dieser Studie richtet sich also gegen die Gentechnik-Industrie. Da werde zu wenig Transparenz und auch zu wenig Risiko-Folgen-Abschätzung geleistet. Der Vorwurf geht aber auch an die Politik, diese würde den Unternehmen bei diesen Fragen zu wenig abverlangen. Hubert Weiger:

    "Die Politik akzeptiert bis heute Zulassungsverfahren, die die Risiken nicht richtig überprüfen. Auf europäischer Ebene müssen beispielsweise nur 90 Tage lang Fütterungsversuche durchgeführt werden, um festzustellen, ob die Verfütterung gentechnisch veränderter Pflanzen Folgen für die Tiere hat. Das ist in der EU ein wesentlich geringerer Standard als bei der Zulassung beispielsweise von Pestiziden. "

    Fazit der Studie: Die Ankündigungen und Versprechungen der großen Gentechnik-Unternehmen seien bislang nichts anderes als heiße Luft. Man sollte solchen Versprechen, so der BUND, kritischer gegenüberstehen. Auch die Politik lasse sich auf die Argumente der Gentechnik-Unternehmen allzu fahrlässig ein. Die einzelnen Projekte dieser Industrie sollten somit verantwortungsvoller hinterfragt werden.